Etwa 12 000 Menschen haben am Sonntag in Berlin an der traditionellen Demonstration zum Gedenken an die 1919 ermordeten Kommunisten Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht teilgenommen. Die Zahl nannten die Organisatoren der weitgehend friedlichen Demo über die Frankfurter Allee zur „Gedenkstätte der Sozialisten“ in Berlin-Friedrichsfelde.
Verschiedene Parteien, Organisationen und Gruppen waren in dem langen Zug vertreten, von der Partei Die Linke über die DKP und die MLPD, Gruppen wie die VVN – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten bis hin zu türkischen und kurdischen Parteien sowie zahlreichen linken Splittergruppen. Neben zahlreichen grundsätzlichen kapitalismuskritischen Forderungen bis hin zur Aussage „Das Schönste ist die Revolution zu machen“ war vereinzelt auch Protest gegen die Politik gegenüber Russland zu vernehmen.
„Frieden mit Russland statt weiter in den Dritten Weltkrieg“ forderte zum Beispiel Willy mit einem breiten Transparent, dass er schon auf verschiedenen Ereignissen bundesweit zeigte. „Russland ist die Friedensmacht“, erklärte er dazu gegenüber Sputnik. Er warnte vor der US-Kriegspolitik, die zu einem Kernwaffenkrieg führen könne.
„Dieser große Krieg wird nur dann verhindert, wenn alle Friedenskräfte auf dem Globus sich zusammen tun, dass die USA gezwungen sind, ihre hegemonialen Ansprüche aufzugeben. Das kann nur mit Russland und China sein – Wer soll es sonst machen?“
Das sei ganz einfach zu erkennen, finde er. Eine Frau trug ein selbstgemaltes Schild „Kein Krieg mit Russland“.
Erinnerung an Liebknechts Nein zum Krieg
Die aktuelle bundesdeutsche Politik mit dem Kurs einer neuen Großen Koalition (GroKo), die die SPD angeblich nie wollte, interessierte die Teilnehmenden an dem Gedenken eher wenig. Reinhard aus Hamburg kommt dazu jedes Jahr nach Berlin, wie er gegenüber Sputnik berichtete. Seien Motive dafür beschrieb er so:
„Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht sind ja nun mal die Kämpfer für eine gerechte Welt gewesen und ermordet worden von den Faschisten, die heute wieder überall herumlaufen.“
Die neue drohende GroKo interessiere ihn und seine Genossen nicht, denn das seien „Streitereien zwischen Leuten, die an der Futterkrippe sitzen. Sie glauben, sie sind an der Macht, aber sie sind ja nur an der Regierung.“
Unter den Teilnehmenden war der Historiker Volker Külow aus Leipzig. Er erinnerte: „Karl Liebknecht war Leipziger.“ In dessen Geburtshaus in der sächsischen Messestadt sitze die Partei Die Linke. Für ihn als Mitglied und ehemaligen Funktionär der Partei sei es „von jeher eine Herzensangelegenheit“, bei dem Gedenken an Luxemburg und Liebknecht in Berlin dabei zu sein, so der Historiker. Ihm gehe es darum, deren Erbe lebendig zu halten „und ins 21. Jahrhundert zu tragen.“
Ganz wichtig sei aus seiner Sicht „der Kampf für Frieden und gegen Imperialismus“, besonders im 100. Jahr der deutschen Novemberrevolution 1918. Liebknecht hatte im Dezember 1914 als einziger Sozialdemokrat im Reichstag gegen die Kriegskredite gestimmt. Külow wünscht sich, dass die Linkspartei das Erbe der von Luxemburg und Liebknecht mitbegründeten KPD stärker bewahre. Am Montag gebe es in Leipzig eine kleine Gedenkkundgebung, kündigte er an.
Linkspartei-Vize an vorderster Front
Schon mehrere Male war Achim Pilarski aus Potsdam dabei. Er nehme an der Gedenkdemo teil, „um ein Signal zu setzen“. Für ihn sei es in der heutigen Zeit „ganz wichtig auf Position zu gehen, auch gegen die AfD“. Ihm sei auch die Gemeinschaft dabei wichtig, die ihm viel zurückgebe. Die verschiedenen unterschiedlichen, zum Teil linksradikalen Gruppen in der Demonstration sehe er nur als „geringes Problem“.
„Es ist ganz sinnvoll, dass man auch mal andere Meinungen zur Kenntnis nimmt und sich nicht nur im eigenen Kreis bewegt.“
Im Demonstrationszug waren zahlreiche Fahnen der Linkspartei zu sehen. Doch von der Parteispitze war nur Tobias Pflüger, stellvertretender Vorsitzender und Bundestagsabgeordneter, dabei – an der Spitze laufend. Es sei ein „wichtiges Ereignis“, an dem er jedes Jahr teilnehme, sagte er gegenüber Sputnik. Pflüger erinnerte daran, dass Liebknecht „eindeutig gegen Krieg war, auch in einer Situation, als die Stimmung völlig anders war“. Es sei eine Tradition, auf die er sich gerne berufe und weshalb er auch als Parteivizevorsitzender mitlaufe, wie er betonte. Er wolle mit seinen Fraktionskollegen Andrej Hunko einen Antrag stellen, dass seine Partei die Demo wieder offiziell unterstützt. Das geschieht seit etwa dem Jahr 2000 nicht mehr.
Vor der traditionellen Gedenkdemo hatten Vertreter von Führung und Bundestagsfraktion der Partei Die Linke, darunter Sarah Wagenknecht und Oskar Lafontaine, Blumen und Kränze in der „Gedenkstätte der Sozialisten“ niedergelegt. Auch der ehemalige DDR-Partei- und Staatschef Egon Krenz kam. Blumen wurden nicht nur an dem großen Monolith mit der Aufschrift „Die Toten mahnen uns“ abgelegt, sondern ebenso an dem Gedenkstein „Den Opfern des Stalinismus“ auf der Wiese gegenüber, gesichert von Ordnern aus der Linkspartei.
Weitgehend friedliches Gedenken
Eine Fahne mit dem Bild des inhaftierten kurdischen Politikers Abdullah Öcalan führte zu einem Übergriff der Polizei, die zwei Menschen aus dem Demo-Zug gewaltsam herausholte. Seit 2017 ist es in Deutschland verboten, öffentlich Bilder des PKK-Chefs Öcalan zu zeigen. Begleitet von „Haut ab!“-Rufen der Umstehenden gegen die Beamten wurden eine Frau und ein Mann in einen Polizeiwagen abgeführt. Ein Polizist in Kampfmontur ließ dabei, konzentriert auf die zahlreichen Demonstranten, die Verhaftung und den Abtransport blockieren wollten, unbeabsichtigt die Öcalan-Fahne noch weiterwehen. Ansonsten wurden keine weiteren Zwischenfälle gemeldet.
Viele Tausende gedachten der beiden ermordeten Kommunisten unabhängig von der Demonstration und kamen dazu ebenfalls aus der ganzen Bundesrepublik und dem Ausland. Sie legten Blumen nieder und gedachten der beiden deutschen Kommunisten. Er sei wegen Luxemburg gekommen, beschrieb ein Mann aus dem Ruhrgebiet sein Motiv. Deren Ideen würden „in die Zukunft strahlen, der zivile Ungehorsam, der Humanismus und die Kontinuität linker fortschrittlicher Ideen“.
Traditionsreich: Erinnerung und Debatten darum
Luxemburg und Liebknecht werden seit 99 Jahren in Berlin geehrt, nachdem die beiden KPD-Mitbegründer am 15. Januar 1919 von Freikorps-Soldaten ermordet wurden. Auf dem Friedhof in Berlin-Friedrichsfelde, wo sie neben anderen im Verlauf der Novemberrevolution 1918 Getöteten bestattet wurden, wurde nach langen Auseinandersetzungen 1926 ein von Mies van der Rohe entworfenes Denkmal errichtet. Das wurde von den deutschen Faschisten nach der Machtübergabe 1933 an sie zerstört.
In der DDR wurde das jetzige Mahnmal errichtet und die jährliche Gedenkdemonstration zu einem staatlichen Ritual, bei dem die SED- und die Staatsführung vorneweg ging. Nach dem Untergang der DDR wurde die Tradition aufrechterhalten und fortgesetzt, begleitet von internen Auseinandersetzungen unter den linken Kräften, wiederholten Angriffen durch die Polizei und Anschlagsdrohungen.
Im Vorfeld der diesjährigen Demonstration gab es Streit mit dem Bezirksbürgermeister von Berlin-Lichtenberg, Michael Grunst, von der Partei Die Linke. Das von ihm geführte Bezirksamt wollte die Zahl der Stände vor dem Friedhof reduzieren und begründete das unter anderem mit „aktuellen Entwicklungen und aufgestockter Sicherheitskonzepte“. Nach zahlreichen Protesten linker Gruppen erklärte Grunst, dass keine Änderungen vorgesehen seien.