Die Lage in Syrien hat eine Diskussion während der Münchner Sicherheitskonferenz (MSK) zum Nahen Osten bestimmt. Es geht um eine politische Lösung für Frieden, so mehrere Teilnehmer. Auf deutliche Fortschritte hat Alexej Puschkow, russischer Parlamentarier, hingewiesen. Ex-US-Außenminister John Kerry hat die Zusammenarbeit mit Moskau betont.
Es gehe darum, den Konflikt in Syrien durch diplomatischen Dialog einzudämmen, betonte Alexej Puschkow, Mitglied des Föderationsrates Russlands, am Sonntag in München . „Ich glaube nicht, dass wir dazu verdammt, neue Kriege zu erleben infolge von Syrien.“ Die Lage in Syrien stand im Mittelpunkt einer Diskussion über den „erweiterten Blick auf den Golf“ am Sonntag bei der Münchner Sicherheitskonferenz (MSK), an der Puschkow teilnahm. Dabei machte er auf die Fortschritte aufmerksam, die es bei der Lösung des Konfliktes gibt. Diese würden oft von den weiterbestehenden Problemen überdeckt.
„Es gibt weniger Terroristen in Syrien“, stellte Puschkow fest. Zu den Fortschritten gehöre außerdem, dass sich in vielen befreiten Gebieten die Situation der Zivilbevölkerung wieder verbessere. „Reden Sie mit den Syrern“, forderte er die Zuhörenden in München auf, „das Leben kehrt zurück“. „In Aleppo gibt es neue Schwimmbäder, die dort eröffnet worden sind.“
Kontakte zwischen verschiedenen Ländern
Zudem verwies der russische Politiker auf das entstandene diplomatische Netzwerk zwischen verschiedenen Ländern in Bezug auf Syrien, das es vorher so nicht gab. Es helfe inzwischen, Probleme zu lösen und neue Konflikte sowie eine größere Konfrontation zu verhindern. Dazu zähle der „konstante Kontakt zwischen Moskau und Ankara, zwischen Ankara und Teheran, zwischen Damaskus und Moskau, zwischen Washington und Tel Aviv“. Zuvor hatten die verschiedenen Länder nur verschiedene Gruppen unterstützt und nicht miteinander agiert.
Und: „Es gibt weniger Krieg in Syrien“, hob Puschkow hervor. Es werde nur noch örtlich begrenzt gekämpft. Außerdem seien sich alle beteiligten Länder einig, dass Syrien als einheitlicher Staat erhalten bleiben solle. Der Parlamentarier verwies dabei auf das gemeinsame Statement des russischen Präsidenten Wladimir Putin mit seinem US-Amtskollegen Donald Trump auf ihrem Treffen im November in Vietnam.
Puschkow kontert Oppositionsvorwürfe
Der Delegationsleiter des exiloppositionellen Syrischen Verhandlungskomitees (SNC), Nasr al-Hariri, wollte von Puschkow wissen, warum Russland weiter den syrischen Präsidenten Bashar al-Assad unterstütze. Den machte Hariri für den Krieg verantwortlich und behauptete, Assad habe Chemiewaffen einsetzen lassen. Die Regierung in Damaskus unterdrücke die Syrer und verweigere eine politische Lösung. Puschkow erinnerte den Oppositionellen daran, dass die von ihm vertretene Gruppe wie andere sich den Gesprächen in Astana und Sotschi verweigert habe, bei denen es um eine politische Lösung gegangen sei, die alle einbeziehe.
Der russische Politiker betonte, er verteidige nicht die Regierung in Damaskus. Diese sei aber ein wichtiger Verhandlungspartner. „Warum nehmen Sie nicht an den Verhandlungen teil?“, fragte er Hariri und bezeichnete die sich verweigernden Oppositionsgruppen als Teil des Problems. Puschkow bestritt zudem nicht die entscheidende Rolle, die Russland mit seinem militärischen Einsatz seit Herbst 2015 gespielt habe, um den Krieg zugunsten der syrischen Regierungskräften zu beeinflussen.
Plädoyer für Atomabkommen mit Iran
Puschkow hatte zuvor unter anderem Ex-US-Außenminister John Kerry zugestimmt, der in der Runde sich vehement dafür aussprach, das Atom-Abkommen mit dem Iran nicht in Frage zu stellen. Ebenso stimmte der russische Politiker der Sicht des türkischen Außenministers Mevlüt Cavusoglu zu, der auf die positiven Zeichen in der syrischen Krise in Folge der Gespräche von Astana und Sotschi hinwies.
Cavusoglu betonte erneut, dass die Türkei bei ihrem Militäreinsatz gegen die von den USA unterstützte kurdische YPG in Syrien nicht gegen die Kurden an sich kämpfe. Das sei nur Teil des Kampfes „gegen alle terroristischen Organisationen“, zu denen der Minister auch die Islamisten von Al Qaida und des „Islamischen Staates“ (IS) zählte. Er kritisierte dabei die USA und fragte am Beispiel der Taliban in Afghanistan, warum diese erst früher im Kampf gegen die Sowjetunion unterstützt wurden und dann als Terroristen bekämpft werden. Die Unterstützung terroristischer Organisationen bezeichnete Cavusoglu als „großen Fehler“. Zugleich sprach er sich für einen Plan aus, um die Situation in Syrien politisch zu lösen, satt sich immer wieder neu einzumischen.
„Große Länder müssen zugeben: Wir sind Teil des Problems“
Deutlich wurden vor allem die westlichen Großmächte und ihre Vertreter auf der MSK vom libanesischen Verteidigungsminister Jacoub Riad Sarraf kritisiert. Er habe in München von den Vertretern großer Ländern oft gehört, wie bedroht sie sich fühlen „von einem kleinen Anhängsel irgendwo“.
„Es ist jetzt an der Zeit, dass ein großes Land sagt, ich bin Teil des Problems und ich muss auch Teil der Lösung sein.“
Dabei bezog er Israel ein, dessen Politik er deutlich kritisierte. Sarraf erinnerte daran, dass sein Land seit 15 Jahren täglich unerlaubt von israelischen Drohnen überflogen werde. Zuvor hatte Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu Iran gedroht, weil dieser angeblich Drohnen gegen sein Land einsetze.
Zu den israelischen Angriffen auf Syrien über libanesischen Luftraum fragte Sarraf Netanjahu: „Und Sie sagen, Sie sind bedroht?“ Sarraf erinnerte daran, wie multikulturell, multireligiös und multiplural der kleine Libanon sei: „Wir haben so viel Vielfalt, aber dennoch schaffen wir es, uns alle an einen Tisch zu setzen.“ Er forderte dazu auf, die Unterschiede hintenanzustellen und die Gemeinsamkeiten zu betonen, um Konflikte zu lösen. Das sei der „einzige Weg für Fortschritt“.
Fortschritte für Syrien durch Astana und Sotschi
Die „hässliche Lage im Nahen Osten“ beklagte in der MSK-Runde Ahmed Aboul-Gheit, ehemaliger ägyptischer Außenminister und heutiger Generalsekretär der Arabischen Liga. Es sei ein regionales System zur Konfliktlösung nötig, dass alle externen Akteure einbeziehe. Um die Situation im Nahen Osten zu verbessern, müsse zuerst der israelisch-palästinensische Konflikt gelöst werden, erinnerte Aboul-Gheit an ein grundlegendes Problem.
Staffan de Mistura ist seit vier Jahren UN-Sondervermittler für Syrien. In der Diskussionsrunde in München bestätigte er die erwähnten Fortschritte in Syrien nach den Verhandlungen in Astana und Sotschi. Das müsse bei den Gesprächen in Genf aufgegriffen werden. Dennoch sei er sehr besorgt, dass die Vorfälle in Syrien zum Beispiel zwischen russischen und US-Militärs in einen größeren Konflikten ausarten könnten. Er befürchte zudem eine „chronische Balkanisierung“ des Landes, was aber alle Beteiligten vermeiden wollten. Zu einer politischen Lösung gebe es keine Alternative, bestätugte der Vermittler, der die UNO als einzige legitime Kraft bezeichnete, diese durchzusetzen.
Kerry: Zusammenarbeit mit Moskau trotz Widerständen in USA
Ex-US-Außenminister Kerry betonte die Zusammenarbeit mit der russischen Seite auch bei der Suche nach einer Lösung für Syrien. Dagegen habe es auch in den USA starke Widerstände gegeben, berichtete er. Beide Länder hätten dabei „oft zusammengearbeitet“. „Russland hat dabei eine wichtige Rolle gespielt“, fügte Kerry hinzu. Bei allen unterschiedlichen Positionen sei es gelungen, sich zusammenzusetzen und sich zu einigen, verwies er auch auf seine Gespräche mit seinem Amtskollegen Sergej Lawrow.
„Es gibt Meinungsverschiedenheiten mit Russland, aber das heißt nicht, dass wir nicht zusammenarbeiten“, so der frühere Außenminister. Alle seien sich einig, dass es keine militärische Lösung für Syrien gebe. Kerry sprach sich in München dafür aus, dass die Syrer in Wahlen darüber entscheiden, wie es in ihrem Land politisch weitergeht. Das bezeichnete auch UN-Vermittler de Mistura als Ziel des politischen Prozesses unter Beobachtung der UNO, neben einer neuen Verfassung für Syrien.
Wie schwierig die Situation im Nahen Osten ist, zeigte sich vor und nach der Debatte: Vor der Runde hatte der israelische Premier Netanjahu vor allem den Iran angegriffen und ihm vorgeworfen, die Region zu destabilisieren. Darauf reagierte Irans Außenminister Mohammed Javad Zarif in seinem Statement nach der Debatte diplomatisch, aber bestimmt. Er sprach sich unter anderem für eine neue Sicherheitsarchitektur in der Golfregion aus. Der saudische Außenminister Adel bin Ahmed Al-Jubeir warf wiederum vor allem Teheran Aggression vor.