Auf der derzeitigen Münchner Sicherheitskonferenz wird seit Freitag immer wieder Russland für viele Probleme verantwortlich gemacht. Dem hat Außenminister Sergej Lawrow deutlich widersprochen. Moskau will weiter mit der EU und dem Westen zum gegenseitigen Vorteil zusammenarbeiten und die Uno stärken, so Lawrow.
Sergej Lawrow, Außenminister Russlands, erklärte am Samstag auf der Münchner Sicherheitskonferenz (MSK), Moskau sei weiter bereit, mit dem Westen offen und gleichberechtigt zusammenzuarbeiten. Russland sei an einer stabilen Europäischen Union (EU) interessiert, auch als globaler Akteur. Damit widersprach er deutlich all jenen, die auf der Konferenz wiederholt behaupten, Russland bedrohe angeblich den Westen und dessen liberale Ordnung. Das ist auf der MSK, die am Freitag startete, immer wieder in verschiedenen Varianten offen oder versteckt zu hören.
Lawrow gehört seit mehreren Jahren zu den regelmäßigen Teilnehmern der Münchner Konferenz. Er erinnerte zu Beginn seiner Rede daran, beim Blick auf die heutigen internationalen Probleme die Geschichte nicht zu vergessen. So wies er daraufhin, dass in der bayrischen Landeshauptstadt 80 Jahre zuvor der Westen mit den deutschen Faschisten ein Abkommen schloss, weil Letztere behaupteten, sie würden nur Russland aus Europa rauswerfen wollen.
„Die Tragödie bestand darin, dass den Nazis geglaubt wurde.“
Der russische Außenminister wandte sich gegen heutige Versuche, die historische Wahrheit des 2. Weltkrieges zu verfälschen „und ähnliches zu versuchen“. Er kritisierte, dass teilweise versucht werde, die Nazis zu rehabilitieren. Das geschehe teilweise auch in der EU, während das „Andenken derer zerstört wird, die den Faschismus besiegt haben“.
Moskaus Vorschläge blieben ungehört
Russland habe sich nach dem Ende der Sowjetunion 1991 lange Zeit für eine „Architektur der Gleichheit und gemeinsamen Sicherheit“ im euro-atlantischen Raum zu schaffen. Das militärische Potenzial im Westen des Landes sei reduziert worden. Zudem habe sich Moskau eingesetzt, europäische Institutionen wie die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) zu stärken. Ziel sei eine gemeinsame Struktur der europäischen Sicherheit gewesen, einschließlich eines Dialogs dafür. „Doch oft wurden wir da nicht gehört“, stellte Lawrow fest.
Er erinnerte an das nicht eingehaltene Versprechen des Westens, die Nato nicht nach Osten zu erweitern. „Es wird Propaganda einer Konfrontation mit Russland verbreitet“, bedauerte der Außenminister die wiederholten Behauptungen über den wachsenden negativen Einfluss Russlands. Das sei auch im aktuellen MSK-Report der Fall.
Russland sei immer an einer Partnerschaft mit der EU interessiert gewesen, auch um gemeinsame Probleme lösen zu können. Es habe auf positive Motive gesetzt und gehofft, dass das nicht in russlandfeindliche Haltungen umschlage. Die Ergebnisse heute seien aber anders. Dazu zählte Lawrow auch, dass die Ukraine vor etwa fünf Jahren von der EU vor die Alternative „Europa oder Russland“ gestellt wurde. Zudem sei der Staatsstreich in Kiew am 21. Februar 2014 unterstützt worden.
Ukraine-Krise gemeinsam lösen
Moskau wolle, dass die Ukraine-Krise gelöst werde und mache sich die Einhaltung der Abkommen von Minsk stark. Allerdings sabotiere Kiew gegenwärtig die Gespräche im Normandie-Format und suche anscheinend wieder eine militärische Lösung des Konflikts.
Die Politik der EU und des Westens habe ebenso wie der Versuch, auf Russland Druck auszuüben, habe den Kontinent nicht sicherer gemacht. „Das Konfliktpotenzial steigt. Wir haben überall neue Krisen.“ Das sei auch global der Fall, so Lawrow:
„Die Politik des Westens, sich in anderen Ländern einzumischen und ihnen ein Entwicklungsmodell aufzustülpen, hat nicht zu Verbesserungen geführt, sondern war kontraproduktiv. Wir sehen ein Ansteigen des internationalen Terrorismus, illegale Migration und damit einhergehende Probleme.“
Erst „Schüler des Westen“ – nun neue Gefahr aus dem Osten
Das müsse beachtet werden bei der Frage, wie die aktuelle Situation zwischen der EU und Russland sich herausbildete. Russland habe immer das Ziel einer Entwicklung zum beiderseitigen Vorteil gehabt und sich immer darum bemüht. Es sei nicht Moskaus Schuld, dass keine starke und sichere strategische Partnerschaft aufgebaut werden konnte.
Während in den 1990er Jahren Russland als „Schüler des Westens, dem erst beigebracht werden müsse, wie die westlichen Werte funktionieren“, gesehen wurde, gelte es jetzt als Bedrohung, stellte Lawrow fest. „Dabei gibt es doch so viele andere Bedrohungen“, erinnerte er die EU an ihre inneren Probleme wie Brexit und andere. Es werde nicht versucht, andere Länder zu verstehen.
Angebot für Zusammenarbeit erneuert
Zunehmend werde selbst in der EU der Politik gegenüber Russland kritisch gesehen, so der russische Außenminister. Diese habe diese sogar gelähmt. Lawrow stellte klar:
„Wir haben unseren Ansatz nicht geändert. Wir möchten weiterhin mit der EU zusammenarbeiten. Das ist im gegenseitigen Interesse verwurzelt.“
Das gelte auch für die Wirtschaftsbeziehungen und für die Zusammenarbeit zum Beispiel im Nahen Osten. In dieser Region gehe es darum, die legitimen Interessen aller Länder anzuerkennen und sie nicht nur aus geopolitischer Sicht des Westens oder Russlands zu betrachten, erklärte der Minister auf eine Frage des MSK-Vorsitzenden Wolfgang Ischinger.
Lawrow sprach sich für eine „berechenbare, starke EU“ aus, die ein „verantwortungsvoller Akteur“ weltweit sei.
„Wir sollten nicht versuchen, gegen die Geschichte anzukämpfen. Das System unserer weltweiten Beziehungen muss ein gerechtes System sein, mit einer entsprechenden Rolle der Uno.“
Moskau sei bereit für einen offenen und respektvollen Dialog mit der EU, den USA und anderen Ländern. „Das Potenzial der Zusammenarbeit mit der EU sollten wir nutzen, um gemeinsam Frieden, Gleichheit und Sicherheit zu schaffen. Davon können wir auch wirtschaftlich profitieren.“ Der russische Außenminister traf sich am Rande der MSK unter anderem mit seinem deutschen Amtskollegen Sigmar Gabriel und Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg.