Fast alle Parteien mit Aussicht auf einen Einzug in den Bundestag nach der Wahl am 24. September sprechen sich für einen schrittweisen Abbau der Sanktionen gegen Russland aus. Unterschiede gibt es zum Teil deutlich beim Blick auf Zustand, Ursachen und Zukunft des gegenseitigen Verhältnisses. Ein Blick in die Wahlprogramme der Parteien.
Eine ganz große Koalition gibt es den Programmen nach bei der Frage zu den derzeitigen antirussischen Sanktionen: Die sollen vorerst bleiben, sind sich Union, SPD, Grüne und FDP einig. Verantwortlich dafür sei Moskau, so der gemeinsame Tenor.
Die Union fasst ihre Vorstellungen zum künftigen Verhältnis mit Russland selten wortkarg in einem Satz zusammen: „Wir appellieren an Russland, das Abkommen von Minsk dauerhaft einzuhalten und umzusetzen und führen beständig den Dialog weiter.“ Allerdings ist die CSU in ihrem extra beschlossenen „Bayernplan“ da etwas ausführlicher. Die knappe Position im gemeinsamen Programm mit der CDU reiche ihr nicht, wie der Ex-CSU-Vorsitzende Edmund Stoiber gegenüber Sputnik erklärte. So ist in dem „Bayernplan“ immerhin zu lesen:
„Die Russland-Sanktionen dürfen nicht zum Dauerzustand werden.“
Die Partei fordert einen „Fahrplan zur Rückführung der Russland-Sanktionen“ und unterstützt „einen flexiblen Abbau der Sanktionen bei schrittweiser Umsetzung des Minsker Abkommens“. Deutschland komme eine besondere Rolle als Brückenbauer zu Russland zu. „Viele Konflikte in der Welt, auch in Syrien, können nur mit und nicht gegen Russland gelöst werden.“
Das klingt ähnlich bei SPD, der FDP und der Linkspartei, aber auch bei der AfD. Diese Parteien sprechen sich immerhin dafür aus, die Sanktionen schrittweise aufzuheben, aber meist erst nach russischer Vorleistung. Die Linke geht am weitesten und fordert eine neue Friedens- und Entspannungspolitik und betont:
„Sicherheit in Europa kann nur Sicherheit mit und nicht gegen Russland sein.“
Ähnlich sieht das nur die „Alternative für Deutschland“ (AfD), bei der zu lesen ist:
„Eine Entspannung im Verhältnis zu Russland ist für die AfD Voraussetzung für einen dauerhaften Frieden in Europa. Es liegt im deutschen Interesse, Russland in eine sicherheitspolitische Gesamtstruktur einzubinden, ohne eigene Interessen und die unserer Bündnispartner außer Acht zu lassen.“
FDP und Grüne auf ähnlicher Linie
Die Partei Bündnis 90/Grünen, die einstige Friedenspartei, gibt sich dagegen konsequent: Die Grünen erwähnen eine schrittweise Aufhebung der Sanktionen nur indirekt.
„Wir halten gezielte Sanktionen gegen verantwortliche Individuen, öffentliche und privatwirtschaftliche Institutionen für ein wirksames Mittel der Außenpolitik und halten derzeit an der Aufrechterhaltung der Sanktionen gegenüber der Russischen Föderation fest.“
Die FDP ist zwar für einen Abbau der Sanktionen, erklärt aber den Grünen ähnlich:
„Solange Präsident Putin seine Interventionspolitik fortsetzt, müssen daher die Sanktionen gegen Russland aufrechterhalten und eine Wiederaufnahme Russlands in die G8 ausgeschlossen werden.“
Während CSU-Politiker Stoiber im Interview betonte, Russland sei nicht Teil des Problem, sondern Teil der Lösung auch im Konflikt in Syrien, werfen die Grünen Moskau „brutales militärisches Eingreifen auf der Seite Assads“ vor. Auch bei den Linken liest sich das ähnlich, in dem der „Krieg gegen Terror“ als erfolglos kritisiert und festgestellt wird: „Auch Russland führt in Syrien einen ‚Anti-Terror-Krieg‘.“ So viel Kritik muss wohl sein.
Alle für Dialog – mehr oder weniger
Union und SPD sprechen sich dafür aus, im Dialog zu bleiben. Die Sozialdemokraten meinen:
„Wir sind jedoch davon überzeugt, dass Frieden und Sicherheit in Europa nur mit, nicht ohne oder gar gegen Russland möglich sind. Dafür bedarf es der Deeskalation, der Rückkehr zum politischen Dialog und der differenzierten Anwendung von Sanktionsmechanismen.“
Die AfD fordert: „Die wirtschaftliche Zusammenarbeit mit Russland sollte vielmehr vertieft werden.“ Die FDP erkennt immerhin an:
„Als Nachbarn auf dem europäischen Kontinent sind Deutschland und die EU mit Russland eng verbunden – wirtschaftlich, kulturell und politisch. Gerade in schwierigen Zeiten ist es unerlässlich, miteinander im Gespräch zu bleiben.“
Erklärtes mittelfristiges Ziel der Liberaldemokraten ist es, „über Dialog und vertrauensbildende Maßnahmen wieder zu einer verlässlichen Partnerschaft mit Russland zu kommen.“
„Truppenbewegungen von EU und NATO an den Grenzen zu Russland gefährden den Frieden.“, warnt Die Linke in ihrem Programm. Die Spannungen im gegenseitigen Verhältnis dürften nicht weiter angeheizt werden, auch nicht durch Militärmanöver an der russischen Westgrenze. „Viele Menschen in unserem Land sind beunruhigt wegen der Verschlechterung der Beziehungen Deutschlands und der EU zu Russland.“, stellt die Linkspartei fest. Sie will „eine neue, auf Entspannung orientierte Ostpolitik“.
Die Grünen geben sich da genügsamer und setzen „auf den Dialog im NATO-Russland-Rat“. Wahrscheinlich auch wegen der aus ihrer Sicht „aggressiven Großmachtpolitik Russlands unter Präsident Putin“ meint die frühere Friedens- und Anti-Nato-Partei, das westliche Militärbündnis spiele für die gemeinsame Sicherheit in Europa „eine wichtige Rolle“. Die Nato solle als „wichtiges transatlantisches Bindeglied“ so transformiert werden, „das sie auch mit Dritten verstärkt zu kooperativer Sicherheit beitragen kann“.
So verändern sich über die Jahre die Sichten. Ob sich nach dem 24. September in der Politik der in Berlin Regierenden gegenüber Russland etwas ändert, wird sich zeigen. CSU-Ex-Parteichef Stoiber gab sich im Interview optimistisch und meinte, nach der Bundestagswahl werde die Diskussion fortgesetzt. Zumindest beim Thema Sanktionen sieht er Hoffnungszeichen in den ähnlichen Positionen mehrerer Parteien.