Russlands Kampf gegen den IS – Experten: „Hat Syrien enorm gestärkt und unterstützt“

Völkerrechtler und Nahost-Kenner ziehen eine positive Bilanz des russischen Militäreinsatzes in Syrien. Der hat vor zwei Jahren, auf Bitte aus Damaskus. Hauptziel war und ist, die syrische Armee im Kampf gegen Gruppierungen wie dem „Islamischen Staat“ (IS) zu unterstützen. Experten sagen einhellig: „Der Einsatz Russlands ist völkerrechtskonform.“

Inzwischen sind weite Teile des syrischen Territoriums vom IS befreit. Dieser stehe kurz vor dem Ende, erklärte das Außenministerium Russlands am Donnerstag. Das Land stabilisiere sich, sagen Beobachter. Die russische Intervention begann im September 2015 erst, nachdem zahlreiche Moskauer Initiativen und Vorschläge für eine friedliche Lösung des seit 2011 andauernden Konfliktes in Syrien vom Westen und seinen arabischen Verbündeten abgelehnt und ignoriert worden waren. Das geschah Beobachtern zufolge zu einem Zeitpunkt, als die von außen unterstützten und geförderten bewaffneten Gegner der syrischen Regierung und des Präsidenten Baschar al-Assad kurz davor waren, die Oberhand zu gewinnen.

Die russische Unterstützung für die syrischen Regierungskräfte erfolgt auf völkerrechtlicher Grundlage, was selbst Kritiker immer wieder eingestehen mussten. Damaskus hatte Moskau ganz offiziell darum gebeten – anders als die US-geführte internationale Anti-IS-Koalition, die aus der Luft und auf syrischem Boden aktiv ist. Zu den völkerrechtlichen Grundlagen gehört der am 8. Oktober 1980 unterzeichnete „Vertrag über Freundschaft und Zusammenarbeit zwischen der UdSSR und der Syrischen Arabischen Republik“, den Russland als Rechtsnachfolger der UdSSR am 2. März 2012 bestätigt hatte.

Lage entspannt sich langsam

Die Lage in Syrien sei „insgesamt sehr viel ruhiger“ und die militärischen Frontlinien überschaubarer geworden. Das berichtete die Journalistin Karin Leukefeld live aus Damaskus am Donnerstag gegenüber Sputnik. Das sei unter anderem durch die von Russland mitangeregten Deeskalationszonen, durch mehr als 2.000 lokale Waffenstillstände sowie dank der Amnestie für Zehntausende syrische Oppositionskämpfer erreicht worden. „Der Wiederaufbau hat begonnen“, schilderte Leukefeld, die seit Jahren als eine der wenigen westlichen Journalisten von vor Ort berichtet.

„Inlandsvertriebene kehren zurück. Die Menschen schöpfen Hoffnung. Aber natürlich sind die Probleme immer noch unheimlich groß. Der Staat ist hoch verschuldet. Die Sanktionen der EU haben schwere wirtschaftliche Folgen. Weite Teile der Mittelschicht und der gutausgebildeten Jugend haben das Land verlassen. Diese Menschen würden jetzt auch für den Wiederaufbau gebraucht.“

Der russische Militäreinsatz habe die syrische Armee, aber auch den syrischen Staat „enorm gestärkt und unterstützt“, bestätigte die Korrespondentin Einschätzungen externer Beobachter. Sie hob den Einsatz des russischen Versöhnungszentrums in Hmeimim bei Latakia sowie den der russischen Militärpolizei hervor. Letztere habe geholfen, kritische Vereinbarungen vor Ort wie den Abzug von Kämpfern umzusetzen. Die russische Seite habe „unermüdlich Vermittlungsangebote gemacht“ und geholfen, das Land zu stabilisieren. Im Norden Syriens hätten die russischen Truppen durch ihre Präsenz einen neuen Konflikt zwischen den Kurden und der Türkei verhindert.

Russland in Syrien: „Völkerrechtlich korrekt“

„Völkerrechtlich ist die Situation relativ klar“, sagte Norman Paech im Sputniknews-Interview. Der Völkerrechtler bedauerte: „Leider wird das in der internationalen Presse überhaupt nicht mehr diskutiert.“ Die Intervention der USA und ihrer Verbündeten sei klar völkerrechtswidrig. „Da sie kein Mandat des Sicherheitsrates haben und auch nicht von der Regierung beauftragt oder gebeten worden sind. Bei den Russen ist das anders: Die Russen haben eine ganz klare Aufforderung seitens der syrischen Regierung. Der Iran übrigens auch. Das sind im Grunde die einzigen, die mit einer völkerrechtlichen Legitimation dort intervenieren können.“

Diese Analyse bestätigte Fritz Edlinger, Generalsekretär der „Gesellschaft für Österreichisch-Arabische Beziehungen“, gegenüber Sputnik: „Der Konflikt wird in der westlichen Medienwelt sehr einseitig dargestellt.“ Der Eingriff Russlands habe in Wirklichkeit den Angriff auf Syrien durch den IS und andere dschihadistische Gruppen verhindert. In den westlichen Mainstreammedien und „leider auch“ in den Regierungsämtern werde folgendes nie korrekt dargestellt: „Die Unterstützung Russlands für Assad ist eine der wenigen völkerrechtlich korrekten Handlungen in der Region.“ Er verwies auf den russisch-syrischen Staatsvertrag. Der Militäreinsatz Russlands sei von daher „nicht abzulehnen.“

Aktive russische Diplomatie fördert Konfliktlösung

Die Journalistin Leukefeld hob die parallel zum Militäreinsatz aktive russische Diplomatie hervor, die sich beispielsweise im UN-Sicherheitsrat sich immer wieder für das Völkerrecht eingesetzt habe. „Regional ist durch russische Initiativen das Gespräch wieder in Gang gekommen. Regionale Kontrahenten wie Iran und die Türkei sind wieder miteinander im Gespräch. Es gibt wieder Kontakte zu den Golfstaaten und Ägypten. Jordanien hat jetzt laut darüber nachgedacht, die Grenze wieder zu öffnen. Das sind alles sehr positive Zeichen. Ohne den diplomatischen Einsatz Russlands wäre es sicherlich nicht dazu gekommen.“

Das russische Engagement mit allen syrischen Oppositionsgruppen zu reden, in Genf wie in Astana, bezeichnete die Journalistin als „wirklich beispielhaft“. Das bestätigte Völkerrechtler Paech. Grade das Eingreifen Russlands im September 2015 habe zu diesem „Umschwung geführt“. Damit sei eine „Verhandlungsperspektive“ zu einer Lösung des Konflikts, sowohl in Astana als auch in Genf, eröffnet worden, so der Hamburger Jurist und ehemalige außenpolitische Sprecher der Bundestagsfraktion Die Linke.

Selbst der ehemalige Bundeswehr-Generalinspekteur Harald Kujat hatte bereits im Februar 2016 gegenüber der Zeitung „Passauer Neue Presse“ festgestellt: „Die Russen haben mit ihrem militärischen Eingreifen den Friedensprozess erst ermöglicht. Bis September 2015 hatten wir absoluten Stillstand. Weder die Amerikaner noch die Europäer hatten eine Strategie für ein friedliches Syrien und waren auch nicht bereit, sich massiv zu engagieren. Die Russen haben es gemacht und damit ein Fenster für eine politische Lösung aufgestoßen. Wir müssen diesem Prozess eine Chance geben.“ Gegenüber Sputnik erklärte Kujat am Donnerstag zur aktuellen Situation: „Spätestens nach dem Fall von Rakka wäre es an der Zeit, dass die USA und Russland an ihre Vereinbarung vom 9. September 2016 anknüpfen und eine politische Lösung vorantreiben.“

Politologe: „Regimewechsel wurde verhindert“

„Alles andere als erwartet ist es nicht zuletzt auch durch die Militärintervention Russlands und durch die Hilfe Irans Baschar al-Assad gelungen, im Amt zu bleiben.“ So schätzte Gerhard Mangott gegenüber Sputniknews die Lage ein. Der Politikwissenschaftler von der Universität Innsbruck beschäftigt sich unter anderem mit Russland und der russischen Politik. Die Versuche auch des Westens, einen Regimewechsel in Damaskus zu erreichen, seien gescheitert: „All die Erwartungen, er würde bald gehen, er würde rasch gehen, und er dürfe auf keinen Fall bleiben – die haben sich bis jetzt nicht erfüllt.“ Die syrische Regierung habe dagegen die Kontrolle über weite Teile des Landes zurückerobert.

Einen Regimewechsel zu verhindern – „mit dem Gedanken an Libyen im Hintergrund“ – gehört für den Politologen zu den Motiven Moskaus für den Militäreinsatz. Dieser sei völkerrechtskonform, bestätigte er und kritisierte allerdings russische „Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht“. Mangott hob aber hervor, Russland sei „bei aller militärischer Interventionsbereitschaft von Anfang an für eine politische Verhandlungslösung“ eingetreten, „möglicherweise sogar für einen Übergangsprozess unter Ausschluss von al Assad“.

Doch die Ereignisse und die militärischen Erfolge der Regierungskräfte würden eine solche Variante inzwischen ausschließen. Er hält es für möglich, dass Syriens Grenzen nicht verändert werden, das Land aber „zerfallen bleibt, in verschiedene Einflusszonen mit unterschiedlichen Beschützern mit militärischen Kräften auf dem Boden“.

(gemeinsam mit Alexander Boos geschrieben)