„Nein zum Krieg!“ sowie ein Ende der Aufrüstung und der Eskalation gegenüber Russland – das hat eine Friedensdemonstration am Mittwoch in Berlin gefordert. Politiker der Linksfraktion im Bundestag wie Sahra Wagenknecht haben dabei neben anderen Rednern die Politik der Bundesregierung deutlich kritisiert. Sie fordern bessere Beziehungen zu Russland.
„Die Welt war noch nie so nah an der Schwelle eines heißen Krieges, zumindest nicht seit dem Ende der Block-Konfrontation! Das war haarscharf!“ Das sagte Sahra Wagenknecht, Co-Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag, am Mittwoch in Berlin auf einer Friedensdemonstration. Ihr sei „angst und bange“ geworden, nachdem sie die Nachrichten vom westlichen Angriff auf Syrien in der Nacht zum Samstag gehört habe.
Wagenknecht bezweifelte, dass das „einfach mal so passiert“ war. „Es wäre zu einfach zu sagen: Da ist ein Verrückter im Weißen Haus, der hat einen falschen Tweet gemacht, das hat uns alle in Gefahr gebracht.“ Für sie handelt es sich um eine schrittweise Eskalation, die mit dem angeblichen Anschlag auf den Ex-Agenten Sergej Skripal in Großbritannien und den westlichen Reaktionen darauf begann.
Geringe Resonanz
„Nein zum Krieg! Deeskalation ist das Gebot der Stunde“ – das war das Motto der Friedensdemonstration. Dazu hatte die Bundestagsfraktion der Partei Die Linke aufgerufen. Eine Bevölkerungsmehrheit ist gegen westliche Angriffe auf Syrien und die Fortsetzung des Krieges in dem Land mit anderen Mitteln. Sie will auch keinen Krieg gegen Russland, wie Umfragen zeigen.
Dennoch folgten nur etwa 1500 Menschen dem kurzfristigen Aufruf zur Demonstration am Brandenburger Tor, gleich neben der US-Botschaft. Mehr als 40 Abgeordnete der Partei Die Linke zeigten dabei wie zuvor bereits im Bundestag, was sie von der westlichen Eskalations- und Kriegspolitik halten. Sie freuten sich über all jene, die gekommen waren.
Bunte Mischung
Unter den Teilnehmenden war auch die Grünen-Politikerin Antje Vollmer, während die ehemalige SPD-Bundestagsabgeordnete Ute Finckh-Krämer ebenso zu den Rednern gehörte wie Alex Rosen von der deutschen Sektion der Ärzte für die Verhütung eines Atomkrieges (IPPNW), Michael Müller, Bundesvorsitzender der „Naturfreunde Deutschlands“, und Lühr Henken vom „Bundesausschuss Friedensratschlag“.
Die Parlamentarier der Linkspartei versammelten sich vor der Rednertribüne hinter einem Transparent mit der Losung „Bomben schaffen keinen Frieden!“ In diese schlossen die Bundestagsabgeordneten Sevim Dagdelen und Matthias Höhn wie auch Fraktionschef Dietmar Bartsch in ihren Reden Russlands militärisches Vorgehen in Syrien mit ein.
Unerwähnte Fakten
Was Moskau in Syrien allein durch das dortige Versöhnungszentrum mit den zahlreichen lokalen Waffenstillständen für den Frieden vor Ort getan erreicht hat, erwähnten sie leider nicht. Erwähnt wurden ebenso nicht die zahlreichen russischen diplomatischen Initiativen für eine friedliche Lösung des Konfliktes in Syrien.
Wagenknecht bekam den deutlichsten Beifall. Sie stellte klar, dass sich noch „viel, viel mehr“ für Frieden einsetzen müssen: „Die Stimme muss lauter werden. Es darf so nicht weitergehen wie bisher!“
Erster Schritt
Sie kritisierte die Bundesregierung, die dem westlichen Angriff „sekundierte und Beifall klatschte“. „Das war ein Angriffskrieg, das war völkerrechtswidrig“, setzte die Linken-Fraktionschefin auf der Demonstration dagegen und fügte hinzu: „Das müssen wir immer wieder sagen und betonen! So darf es nicht weitergehen!“
„Was machen denn unsere ganzen Soldaten da?“, fragte die Fraktionschefin mit Blick auf die in Jordanien stationierten „Tornado“-Aufklärungsjets angesichts der Aussage von Kanzlerin Angela Merkel, dass Deutschland nicht beteiligt sei. Die Bundeswehr müsse „aus diesem Pulverfass“ abgezogen werden. Das wäre der erste Schritt, um nicht tiefer in den Krieg hineingezogen zu werden.
Uminterpretiertes Völkerrecht
Wagenknecht freute sich, dass „trotz der ganzen Propaganda, trotz der Lügen, trotz der Heuchelei, trotz all dem, was uns in den Medien so überflutet hat“ eine große Mehrheit der bundesdeutschen Bevölkerung diesen Angriff verurteilt und gegen eine deutsche Beteiligung ist. Daraus müssten endlich Konsequenzen gezogen werden, forderte sie.
Wagenknecht entgegnete Außenminister Heiko Maas, der am Mittwoch im Bundestag erklärt hatte, die Waffen in Syrien müssten schweigen: „Wer will, dass die Waffen schweigen, der sollte dann als ersten Schritt aufhören, Waffen zu liefern!“ Sie verwies auf „erschreckende Wortmeldungen“ in den letzten Tagen und die „Akrobatik im Bundestag, um das Völkerrecht umzuinterpretieren“.
„Am dreistesten fand ich eigentlich die Wortmeldung von Herrn Röttgen, der uns nun auch noch faktisch mittgeteilt hat: Es gibt gar kein Völkerrecht! Er hat nämlich gesagt, es sei doch ein ‚völliger Unsinn‘, rechtsstaatliche Grundsätze, zum Beispiel die Unschuldsvermutung, auf die internationalen Beziehungen zu übertragen. Also wenn Herr Röttgen für die Bundesregierung redet, dann können wir zur Kenntnis nehmen: Die Bundesregierung ist der Meinung, dass rechtsstaatliche Grundsätze in den internationalen Beziehungen nichts zu suchen haben. Da muss ich mal fragen: Wenn rechtsstaatliche Grundsätze da nichts zu suchen haben, was denn dann? Das Recht des Stärkeren, das Faustrecht, die Kanonenboot-Politik?“
Röttgen habe allerdings ausgesprochen, was die Politik vieler Nato-Staaten seit Jahren sei, so Wagenknecht. Sie bezeichnete es als „übel“, wie Außenminister Maas seit seiner Amtsübernahme agiert: „Herr Maas scheint sich ja auf die Agenda gesetzt zu haben, auch noch die letzten Reste an Brandtscher Ostpolitik, die in der SPD noch irgendwo verankert waren, zu entsorgen.“
Notwendige Diplomatie
Die Linken-Fraktionschefin forderte, wieder für gute Beziehungen zu Russland zu sorgen. Das bezeichnete Lühr Henken vom „Bundesausschuss Friedensratschlag“ ebenfalls als notwendig, wie zuvor bereits die SPD-Politikerin Ute Finckh-Krämer. Die sagte, sie wolle als Mitglied der „Initiative Neue Entspannungspolitik jetzt!“ ihre Partei an ihre eigenen Grundsätze erinnern.
Zur Entspannungspolitik gehöre es, auf die Diplomatie zu setzen statt auf das Recht des Stärkeren, sagte Finckh-Krämer. Militärische Bedrohungen müssten durch vertrauensbildende Maßnahmen, Rüstungskontrolle und Abrüstungsverträge reduziert werden anstatt sich in einen unkontrollierten Rüstungswettlauf zu begeben. Die SPD-Frau zitierte die anwesende Grünen-Politikerin Vollmer: „Man kommt nicht weiter, wenn man sich gegenseitig nur Vorwürfe macht, mit Sanktionen überzieht und gegenseitig bedroht. Einer muss da aussteigen.“
Entsorgte Rechtsstaatlichkeit
Er befürchte, dass die Kriegsgefahr zwischen der Nato und Russland steige. Das sagte Henken, Sprecher des „Friedensratschlages“, auf der Demonstration. Westliche Staaten würden Russland immer neue Vorwürfe machen, Untersuchungen von angeblichen Chemiewaffeneinsätzen nicht abwarten und stattdessen „sanktionieren und bombardieren – nach dem Motto: Erst schießen, dann fragen.“
Rechtsstaatlichkeit als Grundlage des zivilen Zusammenlebens werde dabei „über den Haufen geworfen, entsorgt“. „Der Eckpfeiler der internationalen Beziehungen, die Charta der Vereinten Nationen, wird von Nato-Staaten unterhöhlt. Und das nicht zum ersten Mal.“ Henken bezeichnete die westlichen Staaten als „Serientäter“ und erinnerte unter anderem an den Nato-Krieg gegen Jugoslawien 1999, den Krieg gegen den Irak 2003, den Überfall 2011 auf Libyen und die Angriffe 2017 und 2018 auf Syrien.
Geschürte Spannungen
Dieses westliche Vorgehen führe nicht dazu, dass sich Vertrauen herausbilden könne. Henken kritisierte die vom Westen „seit langem geschürten Spannungen gegen Russland“ ebenso wie die entsprechenden Aufrüstungsmaßnahmen und äußerte Verständnis für dessen Reaktionen darauf: „Russland muss sich davon bedroht fühlen.“ Er erinnerte unter anderem daran, dass die Nato 13mal so viel für Rüstung ausgibt.
„Die Nato-Aufrüstung ist gegen Russland gerichtet“, betonte der Sprecher. Damit werde das Wettrüsten beschleunigt und die Kriegsgefahr erhöht. „Ich will das nicht“, rief er unter Beifall aus und rief dazu auf, den Appell der Friedensbewegung an die Bundesregierung „Abrüsten statt Aufrüsten!“ zu unterstützen.