Experten aus Deutschland und Österreich haben den jüngsten westlichen Angriff auf Syrien eindeutig als Verstoß gegen das Völkerrecht eingeschätzt. Völkerrechtler Norman Paech aus Hamburg spricht von einem Aggressionsakt und Kriegsverbrechen. Für den Innsbrucker Politologen Gerhard Mangott ist der Angriff durch nichts begründet.
Der Angriff auf Syrien in der Nacht zum Samstag durch US-, britische und französische Raketen sei „nicht völkerrechtskonform“, so Mangott. Das sagte der österreichische Politikwissenschaftler und Völkerrechtsexperte Gerhard Mangott gegenüber Sputniknews zum westlichen Angriff. Der sei dagegen sogar „völkerrechtswidrig“, wie er betonte.
Das sieht der Hamburger Völkerrechtler und ehemalige Bundestagsabgeordnete Norman Paech ebenfalls so. Er betonte gegenüber Sputnik:
„Es gibt kein Mandat des UN-Sicherheitsrates. Die Staaten, die jetzt angegriffen haben, sind selbst nicht angegriffen worden. Sie haben nach der UNO-Charta und dem geltenden Völkerrecht überhaupt kein Recht, eine Vergeltungsmaßnahme dieser Art vorzunehmen.“
Er sprach von einem nicht zu rechtfertigenden Aggressionsakt und ging noch weiter: „Das ist ein Kriegsverbrechen.“
Verlorene Glaubwürdigkeit
Es gibt aus Mangotts Sicht für den Angriff wegen des angeblichen Chemiewaffeneinsatzes am 7. April im syrischen Douma keine „belastbaren Begründungen“. Damit sei das völkerrechtliche und in der UN-Charta festgeschriebene Gewaltverbot verletzt worden. Staaten, die so vorgehen, würden ihre Glaubwürdigkeit verlieren, wenn sie wiederum anderen einen solchen Völkerrechtsbruch vorwerfen, betonte der Politikwissenschaftler von der Universität Innbruck. Das gelte auch für Russland mit Blick auf den Konflikt in der Ukraine.
Es sei „vollkommen unklar“, ob es einen Giftgaseinsatz gegeben habe, und wenn ja, durch wen der erfolgte, betonte Paech im Interview. Der Hamburger Völkerrechtler sprach von einer Inszenierung: „Das ist immer schon so gewesen, dass man eine unabhängige Untersuchung gar nicht abwartet, sondern sie vorwegnimmt.“ Paech verwies auf „starke Vermutungen“, dass hinter einem mutmaßlichen Giftgaseinsatz Kräfte wie die Al Nusra-Front stehen.
Falsche Mittel
Selbst wenn die die Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW) zu dem Ergebnis kommen würde, es handele sich um einen Angriff durch die Regierungskräfte, sei solch ein Militärschlag völkerrechtlich nicht zu rechtfertigen. Stattdessen müsse auf einen möglicherweise bewiesenen Chemiewaffeneinsatz mit politischen und ökonomischen Mitteln reagiert werden. „Auf keinen Fall mit militärischen Mitteln“, betonte Paech, „da ist die UNO-Charta und auch das klassische Völkerrecht vollkommen dagegen, mit militärischen Mitteln zu antworten. Das geht nicht!“
„Es wäre angebracht gewesen, die Untersuchung durch (OPCW) abzuwarten“, sagte der Innsbrucker Politologe Mangott. Allerdings sei der Militärschlag unterhalb des vorher befürchteten Maßes erfolgt. Damit werde das gegenwärtige militärische Kräfteverhältnis in Syrien nicht verändert, schätzte er ein. Es handele sich aus seiner Sicht eher um einen symbolischen Angriff.
Weitere Eskalation
Völkerrechtler Paech erinnerte daran, dass sich die deutsche Bundesregierung schon zum zweiten Mal positiv zu einem solchen Militärschlag des Westens äußert. Das erste Mal sei vor einem Jahr geschehen, als US-Präsident Donald Trump einen Angriff mit Cruise Missiles auf eine syrische Militärbasis befahl. „Dort hieß es, das sei ‚nachvollziehbar‘. Und heute heißt es sogar, das sei eigentlich notwendig. Dieses ist völkerrechtlich überhaupt nicht zu rechtfertigen.“ Er halte es auch politisch für „vollkommen sinnlos“, fügte Paech hinzu.
Für den Hamburger Völkerrechtler hilft der westliche Angriff „überhaupt nicht“, dem Ziel des Friedens in Syrien näher zu kommen. „Es ist eine weitere Eskalationsstufe, vor allen Dingen auch, weil man sagt: Wir werden weiter sehen.“ Aus Sicht des österreichischen Politologen Mangott ist eine politische Lösung des Konfliktes in Syrien „nicht auf der Tagesordnung“. Das hätten auch die bisherigen Gespräche und Verhandlungen in Genf und Sotschi nicht erreicht. Nur der in Astana begonnene militärische Dialogprozess zwischen den beteiligten Seiten habe bisher etwas bewirkt, in dem Zonen der Deeskalation eingerichtet wurden. Der Westen werde sich nicht am Wiederaufbau in Syrien beteiligen, solange Präsident Bashar al-Assad an der Macht ist, ist sich der Politikwissenschaftler sicher.
Notwendige Verhandlungen
Der Westen müsse sich endlich damit abfinden, dass er sein Ziel des Regimechange in Damaskus nicht erreicht habe und er mit der dortigen Regierung verhandeln müsse, forderte Völkerrechtler Paech ein. Nur durch politische Verhandlungen könne der Konflikt und der Krieg in Syrien beendet werden. Der Westen müsse „wahrscheinlich über seinen eigenen politischen Schatten springen, um dieses einzusehen“.
Paech warnte die westliche Politik davor, eigene innenpolitische Schwierigkeiten dadurch lösen, indem sie außenpolitisch so vorgehe wie geschehen. Er sagte das ausdrücklich mit Blick auf die britische Premierministerin Theresa May. Die Bundesregierung sollte stattdessen auf beide Seiten zugehen, schlug er vor, und vermittelnd zu einer Lösung der Konflikte beitragen. Die eigenen Verbündeten sollten von Berlin überzeugt werden, „dass militärisch nichts zu machen ist“. Dazu gehöre, anzuerkennen, das in Damaskus eine legale und von der UNO anerkannte Regierung besteht, mit der verhandelt werden müsse.