US-Präsident Donald Trump hat kaum politische Gründe, gegen die Europäische Union (EU) zu sein. Das schreibt die Journalistin Eva C. Schweitzer in ihrem neuesten Buch. Doch der Geschäftsmann im Weißen Haus sieht die EU als Konkurrentin, stellt sie fest. Das führt die Autorin zu ihrem Titel: „Europa im Visier der USA“.
Die herrschenden Kreise der USA geben ihren vor 100 Jahren begonnenen und spätestens nach dem Zweiten Weltkrieg endgültig gesicherten Zugriff auf Europa nicht so einfach auf, nur weil der Hauptmieter des Weißen Hauses gewechselt hat. Das ist Eva Schweitzer klar und sei unbestritten, wie sie im Interview mit Sputnik bestätigte. Die Autorin lebt und arbeitet seit Jahrzehnten in den USA. Aber die EU und vor allem Deutschland als deren führende Macht seien unter Präsident Trump nicht mehr wohl gelitten, weil sie als Konkurrenten wahrgenommen werden, erklärte die Journalistin den Titel ihres Buches.
Es habe in den USA schon immer eine EU-Skepsis gegeben, berichtete sie, vor allem unter Konservativen. Denen wäre aus wirtschaftlichen Gründen lieber, mit einzelnen Ländern zu verhandeln und ihnen Chlor-Hühnchen und andere US-Produkte zu verkaufen. Die US-Wirtschaft wolle nicht mit einem Handelsblock wie der EU zu tun haben, der auch sagen könne: Stopp – bis hierher und nicht weiter!
„Was Amerika am liebsten möchte, ist, dass sie ihre Sachen nach Deutschland oder Europa verkaufen können, wie sie es sich vorstellen, ohne Umweltstandards und andere lästige Auflagen. Dass sie aber umgekehrt Leuten, die etwas nach Amerika exportieren wollen, Strafzölle aufdrücken, um die amerikanische Wirtschaft zu schützen.“
Die US-Kreise würden am liebsten so wirtschaften wie das britische Empire im 19. Jahrhundert, beschrieb die Journalistin diese Motivation.
USA sorgen für Flüchtlinge und schotten sich ab
In ihrem Buch beschreibt Schweitzer den US-Präsidenten als Gefahr für die Bundesrepublik: „Denn Deutschland ist das eigentliche Ziel von Trumps Zorn, das Land, das sein Großvater Friedrich Trump in Unfrieden verlassen hat.“ Es sei das „Hauptziel der antieuropäischen Politik“ des Präsidenten, „denn wenn Deutschland fällt, fällt die EU.“ Er greife Kanzlerin Angela Merkel an, „deren Politik der offenen Grenzen Deutschland ruiniere, wie er schon als Kandidat gesagt hatte“. Schweitzer erinnert im Buch daran, dass US-Bomben im Mittleren Osten für neue Flüchtlinge sorgen, die über das Mittelmeer nach Europa kommen. Und sie fügte hinzu: „Die USA hingegen nehmen fast keine Flüchtlinge auf. Noch mehr Flüchtlinge aber könnten Deutschland und Europa destabilisieren – will Trump das?“
Er sei ein „Chamäleon-Präsident“, schreibt sie im Buch – und „ziemlich irrational“ sei, wie sie im Interview ergänzte: „Man weiß nicht genau, was er eigentlich will.“ Trump führe politisch einen Zickzack-Kurs und habe als Hauptziel, in die Medien zu kommen, in den Schlagzeilen aufzutauchen, sagte die Autorin gegenüber Sputnik. Er sei der „erste Fernsehpräsident, der ein Feuerwerk der Superlative, Skandale und Sensationen bietet, von morgens früh bis spät in die Nacht hinein“, stellt sie im Buch fest. Zudem sympathisiere seine Politik mit Ländern, „die Deutschland nicht so freundschaftlich gesonnen sind“, meinte sie und zählte Russland, Polen und England dazu.
Erpressen Russen den US-Präsidenten?
Sie habe nichts gegen ein gutes Verhältnis zwischen den USA und Russland und wolle „nicht zum Krieg aufhetzen“. Aber Trumps Kontakte zu russischen Oligarchen, die viel Geld in dessen Immobilien investiert hätten, sieht die Autorin als Problem. Er interessiere sich nicht dafür, wer Eigentumswohnungen in von ihm finanzierten Hochhäusern kaufe. So sei nicht klar, ob der Präsident vielleicht erpressbar sei. Er dürfe nicht danach entscheiden, „ob er vielleicht noch einmal eine Baugenehmigung in Moskau braucht“, ergänzte sie im Interview.
Trumps Geschäftsbeziehungen mit russischen Partnern sind den vorliegenden Informationen nach in den 1990er Jahren entstanden, als Russland unter Boris Jelzin für ausländische Investoren wie ein Paradies erschien, in dem sich jeder frei bedienen kann. Dieses Geflecht sei nicht richtig erforscht, meinte die Journalistin auf Nachfrage. Aus ihrer Sicht haben Trumps Kontakte zu Oligarchen etwas mit dem jetzigen Präsidenten Russlands, Wladimir Putin, zu tun, weil dieser in seinem Land einen starken Einfluss habe und ihm nahestehende Personen in den USA Geld investiert hätten. Sie hob im Interview hervor, dass sie Amerika- und keine Russland-Spezialistin sei. Immerhin würden die guten und sicheren Bedingungen für Investoren in den USA grundsätzlich Geld aus Russland und anderen Ländern anziehen.
Der Traum von der einzigen Großmacht
Schweitzer widersprach dem Eindruck einer Russophobie in den USA als Ersatz für den früheren Antikommunismus: „Es gibt hier eigentlich niemand, der sagt, die Russen sind böse.“ Es gebe in den US-Medien sehr russlandfreundliche Beiträge und Sendungen, berichtete sie. Im Buch erwähnt sie das positive Verhältnis selbst gegenüber der Sowjetunion bis 1948. Die Kritik an Putin und den Oligarchen richte sich nicht gegen das russische Volk zu tun habe, wobei der Kalte Krieg „eine gewisse Rolle“ spiele. Hinzu komme das Konkurrenzdenken, das sich gegen Russland wie gegen andere Länder richte:
„Eigentlich möchte Amerika gern die einzige Großmacht sein. Und alles, was rechts und links hochkommt, wird nicht gern gesehen.“
Die Antipathie gegen andere Länder sei aber zum Beispiel gegen Mexico, sogar gegen Deutschland viel stärker, stellte sie klar.
„Amerika und seine Deutschen, das war lange eine Erfolgsgeschichte“, schreibt die USA-Expertin in einem Kapitel ihres Buches zu diesem Verhältnis. „Die Deutschen waren Mustereinwanderer.“ Aber spätestens mit dem Eintritt der USA in der Ersten Weltkrieg 1917 habe sich das geändert. Das sei von interessierten Kreisen mit massiver Propaganda zielgerichtet und erfolgreich angestrebt worden. Schweitzer stellt auch fest, „in den zwei Kriegen, als Amerika gegen Deutschland kämpfte, wurde auch die heutige, noch immer brüchige geopolitische Lage geschaffen.“
Trump setzt offensiv fort, was Obama und andere begannen
Die Journalistin warnt, es sei naiv, „zu hoffen, dass Trump weniger Kriege führt als Bush oder Obama und dass er der Globalisierung ein Ende bereitet“. Er sei „ein Nationalist für amerikanische Interessen – und natürlich für seine eigenen und die seiner Familie“. Sie bestätigte: Trump setzt mit dem, was er beispielsweise zur Mauer zu Mexico, zum Einreisestopp für Muslime und jüngst zu Jerusalem ankündigt, nur um, was seine Vorgänger vorbereiteten und in Gang setzten. Er mache es jedoch offensiver und öffentlicher.
Das kürzlich erschienene Buch mit seinen 192 Seiten bietet wenig Neues über das angespannte US-amerikanisch-europäische Verhältnis, dafür viele Details über die Lage und Stimmung sowie die politischen Hintergründe in den USA. Es ist interessant, weil die Autorin viele US-Quellen wiedergibt und von Gesprächen mit Akteuren aus Politik und Medien berichtet. Ihren Ansichten und Erklärungsversuchen ist nicht immer zuzustimmen, vor allem, wenn sie Russlands Präsidenten Putin nachsagt, er wolle wie Trump die EU schwächen und untergehen sehen. Sie lässt aus, wie oft Moskau Brüssel die Hand für mehr Zusammenarbeit von Wladiwostok bis Lissabon reichte. Das wurde jeweils von der EU ausgeschlagen, woran unlängst wieder deutsche Politiker erinnerten.
Auch enthält das Buch einige sachliche Fehler, so die Bezeichnung Julia Timoschenkos als „ukrainische Präsidentin“ oder die Behauptung, die letzte Zarenfamilie wäre bereits im Juli 1917 getötet und damit die Russische Revolution ausgelöst worden. Solche Fehler trüben den Eindruck vom Buch und sollten in einer nächsten Auflage vom Verlag korrigiert werden.
Eva Schweitzer: „Europa im Visier der USA – Das Ende der transatlantischen Freundschaft?“
edition berolina Berlin 2017, ISBN 9783958410770, gebunden, 192 Seiten, 14,99 EUR