Nato-Herrschaft im Schwarzen Meer verhindert und Chancen für die Krim eröffnet – Buch

Die Nato hat geplant, die Krim als Stützpunkt im Schwarzen Meer zu übernehmen. „Ab Ende Mai 2014 sollte die Halbinsel eine zentrale Operationsbasis des westlichen Militärbündnisses werden“, schreiben Ralf Rudolph und Uwe Markus zu Beginn ihres neuen Buches. Und: Russlands Eingreifen hat dies verhindert durch „Die Rettung der Krim“, so der Titel.

Wäre Russland tatenlos geblieben, hätte die Nato mit einem Stützpunkt auf der Krim das Schwarze Meer beherrscht, erklärte Koautor Uwe Markus im Interview. Damit wäre das Kräfteverhältnis in der Region völlig verändert worden. „Ein Nato-Stützpunkt auf der Krim hätte gefährlich nahe an der russischen Grenze gelegen.“ Russland hätte sich an seiner Grenze im Asowschen Meer ebenso wie im Schwarzen Meer nicht mehr frei bewegen können und keinen freien Zugang zum Mittelmeer gehabt. Auf den Nato-Schiffen wären auch Nuklearwaffen stationiert worden, so der Autor. Er machte auf damalige Planungen aufmerksam, die Meerenge von Kertsch durch die Nato zu blockieren.

Deshalb habe Russlands Führung bereits im Februar 2014 „die sicherheitspolitische Reißleine“ gezogen, nachdem in Kiew eine neue Regierung per Staatsstreich an die Macht kam, schreiben Rudolph und Markus. In ihrem Buch fügen sie Informationen zu den Ereignissen, deren Hintergründe und Folgen zusammen, die in den westlichen Mainstream-Medien verschwiegen werden, so auch die Nato-Planungen, sich auf der Krim festzusetzen. Sie stützen sich dabei auf zahlreiche Quellen aus verschiedenen Ländern, wie sie auf Nachfrage erklärten. Das Buch erschien unlängst im Verlag Phalanx.

US-Flotte sollte Staatsstreich in Kiew absichern

Russlands Präsident Wladimir Putin habe nach dem Putsch in Kiew am 22. Februar 2014 angewiesen, „mit Aktivitäten zur Wiedereingliederung der Krim in die Russische Föderation zu beginnen“. Grund dafür seien nicht nur die Ereignisse in Kiew gewesen, sondern auch militärische Aktionen der USA, so Markus:

„Zehn Tage vor dem Staatstreich Mitte Februar 2014 lief ein US-Flugzeugträger-Verband in die Ägäis ein“.

Ein Teil des Verbandes habe sich zum Zeitpunkt der Zuspitzung in Kiew im Schwarzen Meer aufgehalten. „Die US-Marine-Kräfte hatten offensichtlich den Auftrag, das zu flankieren, abzusichern und gegebenenfalls zu blockieren“, meinte Markus. Er verwies mit seinem Koautor auf bekannte Pläne des damaligen, „von den USA ins Amt gehievten“ Ministerpräsidenten Arsenij Jazenjuk. Dieser habe vorgehabt, am 15. Mai 2014 den bis 2042 laufenden Stationierungsvertrag mit Russland für dessen Schwarzmeerflotte zu kündigen und deren sofortigen Abzug zu fordern. Die russischen Aktivitäten und die Rückkehr der Krim nach Russland hätten verhindert, „dass diese Halbinsel Bestandteil eines zukünftigen Nato-Mitgliedes wird.“

Auch deshalb habe es sich, so Markus und Rudolph, um eine Rettung gehandelt. Nicht nur sei die Krim „immer russisch“ gewesen. Die Ukraine habe „seit der Unabhängigkeit die Krim immer sehr stiefmütterlich behandelt, vor allem hinsichtlich der wirtschaftlichen Entwicklung.“

Die mehrheitlich pro-russische Einstellung der Krim-Bevölkerung habe sich unter anderem bei verschiedenen Wahlen gezeigt. Die Autoren verweisen auf Kiews Versuche, jegliche Autonomie-Bestrebungen auf der Krim sowie Bemühungen um engere Verbindungen zu Russland zu behindern. Fortschritte habe es unter dem gestürzten Präsidenten Viktor Janukowitsch bis 2013 durch entsprechende Vereinbarungen zwischen Kiew und Moskau gegeben. Die habe der Putsch 2014 zunichte gemacht.

Kiew bestraft Krim-Bevölkerung für unbotmäßiges Verhalten

In dem Buch wird nicht nur die Entwicklung der Krim bis 2014, einschließlich ihrer Geschichte voller Konflikte, Eroberungen und Kriege, beschrieben. Die Autoren gehen ebenso auf die Folgen der Ereignisse um den Staatsstreich in Kiew ein. So habe die derzeitige Regierung der Ukraine auf die Rückkehr der Krim zu Russland nach dem Referendum im März 2014 mit Blockaden der lebenswichtigen Versorgungswege für Strom, Wasser, Gas und Lebensmittel für die Menschen auf der Halbinsel reagiert. Doch Kiew habe das Gegenteil seines angeblichen Zieles, die Krim zurückzugewinnen, erreicht, stellte Autor Markus im Interview klar:

„Die Bewohner der Krim werden wie Geißeln behandelt. Das ist eine kollektive Bestrafungsaktion, diese Blockaden aufrechtzuerhalten. Wenn die ukrainische Regierung jemals die Absicht gehabt hätte, die Bewohner der Krim davon zu überzeugen, dass ihre Zukunft in der Ukraine liegt, dann hätte sie auf diese Maßnahmen verzichten müssen.“

Russland müsse sehr viel Geld ausgeben, „um das zu bereinigen, was die Ukraine angestellt hat“. Die Wasserversorgung sei nach wie vor eines der Hauptprobleme, erklärte Koautor Rudolph. Das habe unter anderem zu Missernten in den letzten beiden Jahren geführt. Markus ergänzte, für die Bewohner der Krim zeige sich die Bereitschaft des russischen Staates für sie einzutreten, indem mit Riesenaufwand und für einen hohen Preis versucht werde, die Versorgung zu sichern. Einige entsprechende Vorhaben werden in dem Buch beschrieben. Russland würde diese Investitionen nicht vornehmen, wenn die Krim „noch in irgendeiner Weise als Verhandlungsmasse gesehen“ werde. Eine Rückholung in die Ukraine sei „völlig unrealistisch“.

Chancen für besseres Verständnis vergeben

Laut Markus und Rudolph ist das russische Vorgehen berechtigt. Im Buch wie im Interview bedauern sie jedoch, dass Moskau eine Chance vergab, im Westen mehr Verständnis für seine Aktivitäten und Motive zu wecken. Die anfängliche Leugnung, es habe etwas mit den „grünen Männchen“ in Uniformen ohne Hoheitszeichen im Februar und März 2014 auf der Krim zu tun, sei „unklug und ungeschickt“ gewesen – „der Westen hat das natürlich ausgenutzt“, so Markus. Es wäre von Anfang an besser gewesen, klar zu sagen:

„Hier wird vom Westen beabsichtigt, militärisch Pflöcke einzuschlagen, und wir sind nicht bereit, das hinzunehmen. Wir sorgen mit dieser Operation dafür, dass der Status quo machtpolitisch in dieser Region gesichert wird, dass das auch eine friedenssichernde Funktion hat – dann wäre die Reaktion im Westen anders gewesen.“

Vielleicht gilt das auch für linke Kreise hierzulande, die – wie die herrschende Politik – Moskau vorwerfen, es habe die Krim annektiert. Koautor Markus:

„Man muss verstehen, dass aus der Not heraus eine machtpolitische Notbremse gezogen wurde, um zu verhindern, dass durch ein massives Eingreifen und die Präsenz der Nato in dieser Region das Kräfteverhältnis völlig verändert worden wäre.“

Vor diesem Hintergrund habe Russland „eine klare, ganz pragmatische, an nationalen Interessen orientierte Entscheidung getroffen“. Das scheint aber für jene Linke im Westen schwer verständlich, die den Regierenden glauben, wenn diese behaupten, es ginge ihnen in der internationalen Politik um Werte statt um Interessen.

„Es geht nie um Demokratie und Menschenrechte“

Rudolph und Markus haben gerade deshalb ihrem Buch, das auch auf die geopolitische Interessenlage im Schwarzen Meer eingeht, ein Zitat des verstorbenen SPD-Politikers Egon Bahr vorangestellt. Der hatte im Dezember 2013 Schüler aus Heidelberg aufgeklärt:

„In der internationalen Politik geht es nie um Demokratie oder Menschenrechte. Es geht um die Interessen von Staaten. Merken Sie sich das, egal, was man Ihnen im Geschichtsunterricht erzählt.“

Bahr sagte auch:

„Ich, ein alter Mann, sage euch, dass wir in einer Vorkriegszeit leben.“

Das war, als sich in Kiew die Ereignisse auf dem Maidan zuspitzten, mit tatkräftiger Hilfe aus dem Westen. Das faktenreiche und lesenswerte Buch der beiden Autoren zeigt zumindest, wie Russland verhinderte und verhindert, dass es zu einem tatsächlichen Krieg in der Schwarzmeer-Region kam und kommt.

Oberst a.D. Ralf Rudolph und Dr. Uwe Markus haben bereits in mehreren Büchern die russische Politik und Konflikte wie den in der Ukraine und den Krieg in Syrien analysiert. Diese sind wie das neueste im Verlag Phalanx erschienen, den beide selbst betreiben.