Immer da, wo Islamisten kämpfen: Weiße Helme mit viel Unterstützung

Die „Weißhelme“ in Syrien sind eher Propaganda- als Hilfs-Organisation. Ihre von den westlichen Medien gefeierten Aktivitäten sind gut finanziert. Darauf weist der Friedensaktivist Joachim Guilliard im Gespräch hin. Er fordert, die Sanktionen gegen Syrien zu beenden statt Millionen Euro für diese islamistennahe Organisation auszugeben.

Die „Weißhelme“ in Syrien sind wieder auf der Bühne erschienen, im Zusammenhang mit dem mutmaßlichen Chemiewaffeneinsatz am 4. April bei Idlib. Diese Organisation taucht immer da auf, wo angeblich die syrische Armee ein Kriegsverbrechen begeht. Was ist das für eine Organisation?

Man tut ihnen nicht Unrecht, wenn man sie als Propaganda-Organisation der Anti-Assad-Allianz charakterisiert. Ihre Legende geht ja so, dass sich da Syrer zusammengeschlossen hätten, um dann Verletzten in diesem Bürgerkrieg zu helfen. Aber tatsächlich ist sie nicht von Syrern gegründet worden, sondern von einem ehemaligen britischen Offizier, James Le Mesurier, der heute u.a. als Militärberater für Katar arbeitet. Das Geld kam wohl zuerst aus den Golfstaaten, später auch von der britischen und der US-amerikanischen Regierung. Auch die Deutschen haben mittlerweile mehrere Millionen bezahlt. Man spricht davon, dass die in den letzten drei Jahren bis zu 100 Millionen Euro erhalten haben. Das stecken sie vor allem in die Medienarbeit. Sie helfen vor Ort, keine Frage, allerdings sind sie nur dort aktiv, wo auch die islamistischen Milizen tätig sind. Es gibt Gerüchte aus Ost-Aleppo, dass sie im Wesentlichen auch nur Milizionären helfen. Das kann man nicht beurteilen. Aber dass sie tatsächlich nur dort und in enger Zusammenarbeit mit diesen Milizen sind, darunter die Al Nusra-Front, das ist auf jeden Fall belegt. Als diese Milizen aus Ost-Aleppo vertrieben worden sind, sind auch die „Weißhelme“ mitgezogen. Von daher ist natürlich  alles, was aus dieser Quelle kommt, mit äußerster Vorsicht zu betrachten.

Gab es diese Organisation vor dem Krieg in Syrien noch nicht?

Nein, die „Weißhelme“ wurden 2013 gegründet, in der Türkei, im Umfeld der dort ansässigen syrischen Auslandsopposition und der „Freien Syrischen Armee“. Sie bezeichnen sich als „Syrischer Zivilschutz“, das ist der offizielle Name. Aber tatsächlich gibt es einen solchen „Syrischen Zivilschutz“ schon. Der arbeitet allerdings unparteiisch und fordert nicht wie die „Weißhelme“ Flugverbotszonen und ein Eingreifen der Nato, womit sie sich eindeutig als parteiisch kenntlich machen.

Nun gibt es an den „Weißhelmen“ unter anderem Kritik aus Schweden, so von einer Mediziner-Organisation (SWEDHR), die anhand von Videos und Fotos sagt: Diese „Weißhelme führen Rettungs- und Hilfsaktionen durch, die zum Teil tödlich wirken könnten, wenn sie echt sein sollten. Der schwedische Konfliktforscher Jan Oberg hat sich ebenfalls kritisch zu den „Weißhelmen“ geäußert.

Das geht genau in diese Richtung, dass vieles von dem, was man sieht – sie sind ja sehr fleißig, was Videos und Medienarbeit angeht – sich sehr häufig als gestellt erwiesen hat, wenn nachgeforscht wurde. Von daher würde ich mich nicht wundern, wenn auch das, was die schwedischen Ärzte festgestellt haben, stimmt. Jan Oberg war ja in Ost-Aleppo und hat sich auch gewundert: In einer Situation, wo endlich Hilfe von außen möglich gewesen ist, wo Hilfskonvois nach Ost-Aleppo reinkamen, waren diese berühmten „Weißhelme“, die da schon ihren Alternativen Nobelpreis hatten, plötzlich verschwunden.

Nun erfährt diese Gruppe aber in den westlichen Medien und den westlichen Gesellschaften eine große Aufmerksamkeit. Sie bekam den Alternativen Nobelpreis. Es gibt inzwischen Filme über die „Weißhelme“. Wie lässt sich dieser Widerspruch zu den bekannten Fakten über diese Organisation erklären?

Das liegt daran, dass sie die guten Verbindungen haben. Man kann davon ausgehen, dass da PR-Agenturen mit im Spiel sind, die für Geld angeheuert worden sind, diese Verbindungen herzustellen. Auf der anderen Seite gibt es die große Bereitschaft von Politik und Medien im Westen, genau diese Informationen anzunehmen, weil sie in das Bild passen, dass man selber ja verbreiten will. Da passen Erwartungshaltung und das, was geliefert wird, sehr gut zusammen. Das ist ja ähnlich auch mit anderen Initiativen von der syrischen Opposition, die genauso bereitwillig hier akzeptiert werden, z.B. die Syrische Beobachtungsstelle in London. Die Informationen sind alle sehr fragwürdig, aber da sie ins Bild passen, werden sie bereitwillig weiter verbreitet.

Sie erwähnten die offizielle Zivilschutzorganisation in Syrien. Vanessa Beeley hat 2016 über diese Organisation berichtet. Da wird von „Gelbhelmen“ gesprochen und darauf hingewiesen, dass diese Organisation bei ihrer Arbeit unter den Sanktionen gegen Syrien leidet. Nun wird immer wiedergefordert, die Sanktionen zu verschärfen, auch in Folge dieses jüngsten mutmaßlichen Chemiewaffeneinsatzes.

Da sieht man wieder den Unterschied: Tatsächlich leidet Syrien sehr stark unter den Sanktionen, auch im medizinischen Bereich. Es ist natürlich klar: Alle die, die tatsächlich Hilfe leisten wollen, unabhängig vom politischen Lager der Hilfsbedürftigen, die werden sich natürlich gegen die Sanktionen wenden. Aber wenn die „Weißhelme“ sogar Militärschläge und Flugverbotszonen fordern, dann kann man daraus erkennen, dass ihnen das nicht so wichtig ist. Ihr Interesse ist der Regime Change.

Wäre es da eigentlich eine Aufgabe von engagierten Menschen im Westen eher den „Gelbhelmen“ in Syrien zu helfen?

Ja, natürlich. Die Sanktionen sind schon ein Skandal an sich, unabhängig davon, wie man den Charakter der syrischen Regierung einschätzt. Es ist ja klar, dass Sanktionen immer die Bevölkerung treffen. Das war im Irak so, das ist in Syrien nicht anders. Von daher sollten alle, die tatsächlich um das Wohl der Syrer sorgen, als eine der ersten Forderungen stellen, dass endlich die Sanktionen aufgehoben werden.

Zum aktuellen Anlass: Dieser mutmaßliche Chemiewaffenvorfall bei Idlib am 4. April und der US-Luftschlag am 7. April. Was sagen Sie dazu?

Dieser Angriff mit den Marschflugkörpern ist natürlich eine Aggression, eindeutig völkerrechtswidrig. Es ist erschreckend, dass sich die europäischen Regierungen hinter diesen Schlag gestellt haben. Alle wissen, dass es bisher noch keine Untersuchung gab. Daher weiß niemand genau, was passiert ist. Wer ein wenig nachdenkt, wird sofort feststellen, dass es von der syrischen Regierung äußerst dumm gewesen wäre, in der aktuellen Situation ausgerechnet Giftgas einzusetzen, wo sie wissen, dass dass die Nato oder die USA dann mit Militärschlägen antwortet. Sie haben das ja überhaupt nicht nötig: Nach der Befreiung von Aleppo sind die syrischen Truppen mit Hilfe der russischen Luftwaffe in den meisten Fronten auf dem Vormarsch. In solch einer Situation etwas zu tun, womit man sich genau in die größten Schwierigkeiten manövriert, das ist ja schon allein recht unwahrscheinlich. Das Andere ist: Das erinnert sehr stark an den Giftgasangriff im August 2013 in Ghouta. Da hat man hinterher auch festgestellt, dass es mit ziemlicher Sicherheit nicht die syrische Armee war, dass die Al Nusra-Front sehr wohl über Sarin verfügt und sehr wahrscheinlich für diesen Anschlag damals verantwortlich war. Genau diese Al Nusra-Front ist die führende Miliz genau in dem Gebiet in der Provinz Idlib, wo jetzt dieser Anschlag erfolgt ist. Der Verdacht, dass das aus dieser Ecke kommt, genau mit dem Ziel, die USA zu solch einem Militärschlag zu provozieren, liegt natürlich nahe.

Joachim Guilliard ist selbständiger IT-Berater. Er ist seit den 1980er Jahren in der Friedens- und Solidaritätsbewegung aktiv und betreibt den Blog „Nachgetragen“.