Experte: In Ost-Ghuta kämpfen die gleichen islamistischen Banden wie in Aleppo

In Ost-Ghuta kämpfen dschihadistische Terrorgruppen. Daran erinnert der Arabien-Experte Werner Ruf im Sputniknews-Interview. Er bezeichnet die Kämpfe in dem Vorort von Damaskus eine Katastrophe. Aus seiner Sicht rückt der Westen die Menschenrechte auch beim Krieg in Syrien in den Vordergrund, um von eigenen Absichten und Verwicklungen abzulenken.

Es handele sich „zweifellos um eine Katastrophe, wie der ganze Krieg in Syrien seit bald sieben Jahren“. So sieht der Nahost- und Arabien-Experte Werner Ruf die aktuellen Kämpfe um Ost-Ghuta. Es sei aber auch eine „unglückselige Folge“ der sogenannten Sicherheitszonen, die in Syrien eingerichtet wurden. In diesen hätten die Anti-Regierungs-Kämpfer unter anderem aus Ost-Aleppo abziehen können. Damit seien neue Brennpunkte entstanden, kritisierte Ruf gegenüber Sputnik.

In Ost-Ghuta, einem Vorort der syrischen Hauptstadt Damaskus, würden „die gleichen islamistischen Banden“ aktiv sein, „die andernorts schon bekämpft worden sind“.

„Es sind Banden, die enge Verbindungen haben mit der ehemaligen Nusra-Front, die sich jetzt Jabhat Fath al-Sham nennt, mit dschihadistischen Gruppen wie Ahrar al-Sham, die inzwischen eine gewisse Nähe zum Westen gefunden haben. Nach wie vor sind es die Kern-Banden, die in Syrien Terror verbreiten, um ihre Herrschaft zu sichern.“

„Es geht um ganz andere Ziele“

Ruf sieht die Resolutionen des UN-Sicherheitsrates zu Syrien als ambivalent an, nach denen nur die islamistischen Banden bekämpft werden sollen. Es liege auf der Hand, dass Russland das anders als der Westen interpretiert. Der Sicherheitsrat habe sich damit „um die Probleme herumgedrückt, um klar zu sagen, was eigentlich das Ziel ist“, kritisierte der Politikwissenschaftler. Für ihn ist die unklare Informationslage das Hauptproblem:

„Wer kann überprüfen, was an Informationen aus dieser Region herauskommt und was uns erreicht? Wer manipuliert sie? Sind sie glaubwürdig? All das ist eine große Nebelwand, vor der wir stehen.“

Er befürchte, „dass die Menschenrechtsfrage immer dann vom Westen immer dann in den Vordergrund gerückt wird, wenn es um ganz andere Ziele geht“. Das sagte Ruf zu den westlichen Mediendarstellungen der Kämpfe um Ost-Ghuta. Das dränge sich auf: „Jedes Mal kommt dann auch Giftgas ins Spiel.“ Syriens Präsident Bashar al-Assad werde als „Scheusal“ dargestellt, der sein eigenes Volk massakriert. Niemand frage sich, warum eine angeblich fürchterliche Diktatur ihr eigenes Volk massakrieren soll – „das macht noch nicht einmal der Kollege in Nordkorea“. Hinter diesen griffigen Formeln würden ganz andere Absichten versteckt. Für Ruf geht es derzeit unter anderem um die Frage, ob es Russland gelingt, die Türkei aus der Nato herauszulösen.

Islamistische Hilfstruppen des Westens und seiner Verbündeten?

Es müssten Lösungen für die Menschen in Ost-Ghuta gefunden werden, damit die Zivilisten die Stadt verlassen können, so der Experte. „Die Terroristen-Banden, die sich dort festgesetzt haben“, müssten davon ausgeschlossen werden. Russland hat genau das gefordert und vorgeschlagen. Die eingerichteten Korridore für Zivilisten würden aber von den sogenannten Rebellen beschossen, wird gemeldet.

Ruf stimmte zu, dass es die beste Lösung wäre, wenn die islamistischen Gruppen gezwungen würden, zivile Siedlungen wie Ost-Ghuta zu verlassen.

„Nur dann kommt das Problem: Wohin mit den Leuten? Die müsste man ja auch irgendwo kasernieren. Das Zweite ist: Dann käme raus, wer sind wessen Hilfstruppen. Das ist das große Problem. Aber das will man ja nicht, weil man diesen Krieg mit diesen dschihadistisch-terroristischen Hilfstruppen auch seit Jahren führt.“

Der Wissenschaftler wies daraufhin, der Westen bekämpfe zwar die frühere Nusra-Front. Aber zugleich unterstütze er mit der Ahrar al-Sham eine Gruppe, „die genau das gleiche Programm und genau die gleichen Methoden anwendet und die offensichtlich in der letzten Zeit eine Vielzahl von Kämpfern vom ‚Islamischen Staat‘ übernommen hat“.

Immer die gleichen Muster

Für Ruf ist ganz offensichtlich, dass die westlichen Medien über die aktuellen Kämpfe nach dem gleichen Muster berichten wie über die Befreiung von Ost-Aleppo. Das Muster, Damaskus bzw. Assad würde das eigene Volk bekämpfe, werde immer wieder bemüht. Es beginne schon damit, dass die Islamisten als „Rebellen“ bezeichnet werden – „man nennt sie nicht beim Namen“.

„Das Wort Rebellen suggeriert, dass es sich im Wesentlichen um den syrischen Widerstand handelt. Diese Truppen sind islamistisch und international, die zusammengesetzt sind aus Menschen aus über 80 Staaten, die mit Syrien nichts zu tun haben, sondern die dort kämpfen, weil sie guten Sold kriegen und ansonsten in ihrer Heimat keine Perspektive hätten.“

Dieses Muster würde nichts erklären, aber benutzt, „um Dinge zu recht zu rücken, zu moralisieren, von denen, die in diesem Krieg genauso wenig Moral haben wie die Gegenseite“. Zu den jüngsten Chemiewaffenvorwürfen gegen die syrische Regierung und damit verbundenen militärischen Drohungen aus dem Westen meinte Ruf, auch in dem Fall sei „so schrecklich viel undurchsichtig“. Aber vieles erinnere an den Versuch im August 2013, als der damalige US-Präsident Barack Obama mit Giftgas-Vorwürfen an Damaskus dazu gebracht werden sollte, Syrien anzugreifen.

„Er hat das zum Glück nicht getan, auch weil – und das ist wirklich ein Unikat – die ganze Berichterstattung so war, dass das Giftgas in einen Rahmen gepackt wurde, dass es nur Assad gewesen sein konnte. Aber die UN-Mission, die dort hingeschickt wurde, hatte ausdrücklich den Auftrag, nur zu prüfen, ob Giftgas eingesetzt wurde. Sie durfte nicht fragen, wer Giftgas eingesetzt hatte. Das heißt, man wollte es gar nicht wissen. Heute deutet sehr viel daraufhin, dass es die sogenannten Rebellen, also die dschihadistischen Terrorgruppen waren, und das deshalb nicht danach gefragt werden sollte. Obama hat das anscheinend durchschaut und ist im letzten Augenblick davor zurückgeschreckt.“

Zu Meldungen, dass Kontrolleure nun behaupteten, Nordkorea habe Syrien Teile für Chemiewaffen geliefert, sagte der Experte:

„‘Na und‘  kann man nur sagen. Da macht man dann eben eine neue Front auf. Da Nordkorea sowieso das Inbild des Bösen ist, hat man hier eine wunderbare Vereinigung der Bösen. Wie sollen wir oder wer auch immer die Glaubwürdigkeit solcher Nachrichten überprüfen?“

Von Werner Ruf ist kürzlich in aktualisierter Auflage das Buch „Islamischer Staat & Co. – Profit, Religion und globalisierter Terror“ erschienen.