Reiche werden reicher und Arme ärmer – Studie bestätigt wachsende Ungleichheit

Die deutsche Wirtschaft wächst und wächst, doch immer weniger Menschen profitieren davon.  Die soziale Ungleichheit in der Bundesrepublik nimmt weiter zu, warnt eine aktuelle Studie. Als Ursache werden die „starken Zugewinne der höheren Einkommensschichten“ genannt.

Vom jährlichen Anstieg des deutschen Wirtschaftswachstums kommt bei den unteren 40 Prozent der Gesellschaft mittlerweile kaum noch etwas an. Dagegen sind die höchsten Einkommen in den Jahren von 1991 bis 2014 jährlich um durchschnittlich 1,3 Prozent gewachsen sind. Zu diesem Ergebnis kommt eine am Montag veröffentlichte Studie des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) Mannheim im Auftrag der Bertelsmann Stiftung.

Die deutsche Wirtschaft „seit Jahrzehnten stabil“ wachse und der materielle Wohlstand sei „aktuell so groß wie nie zuvor“, erklärten Die Autoren in einer Pressemitteilung. Sie wiesen auch auf die Kehrseite hin und warnen vor den gesellschaftlichen Folgen:

„Indessen gefährden eine zunehmend ungleiche Verteilung von Einkommen und eine höhere Armutsrisikoquote die inklusive Wohlstandsverteilung, das heißt breite Schichten der Bevölkerung haben weder über steigende Arbeitseinkommen noch Vermögenserträge einen Anteil am jährlich wachsenden Wohlstand.“

Reiche werden reicher und Arme ärmer

Die ZEW-Wissenschaftler haben nach eigenen Angaben Wirtschaftswachstum, Ungleichheit der Einkommens- und Vermögensverteilung, Chancengerechtigkeit und Armutsrisiken seit Gründung der Bundesrepublik Deutschland analysiert. „Ein Treiber der wachsenden Ungleichheit sind die starken Zugewinne der höheren Einkommensschichten“, stellten sie fest.

„Im Gegensatz dazu profitieren die unteren Einkommensschichten kaum vom Wirtschaftswachstum. Das Einkommenswachstum der unteren 40 Prozent der Bevölkerung bleibt seit Ende der 1990er Jahre deutlich hinter dem Wachstum der durchschnittlichen Einkommen zurück.“

Hinzu komme als wichtiger Faktor die unterschiedliche Entwicklung einzelner Regionen in der Bundesrepublik.

Die Studie zeichnet ein differenziertes Bild: „Während wir positive Entwicklungen mit Blick auf die Verringerung der Einkommensunterschiede zwischen Männern und Frauen feststellen, besteht auch mehr als 25 Jahre nach der Wiedervereinigung ein großer Einkommensunterschied zwischen Menschen aus Ost- und Westdeutschland“, erklärte Martin Ungerer, Wissenschaftler in der ZEW-Forschungsgruppe „Internationale Verteilungsanalysen“ und Mitautor des Gutachtens. Ein Faktor, der sich ebenfalls in zunehmendem Maße auf die Ungleichheit auswirke, sei die sozioökonomische Stellung des Elternhauses.

Ostdeutsche öfter von Armut betroffen und bedroht

Das bundesweit höchste Armutsrisiko weist der Stadtstaat Bremen mit 22,6 Prozent auf, gefolgt von Sachsen-Anhalt mit 21,4 Prozent und Mecklenburg-Vorpommern mit 20,4 Prozent. Das teilte das Statistische Bundesamt am Dienstag mit. Die Die Armutsgefährdungsquote ist ein Indikator, um die relative Einkommensarmut zu messen. Sie beschreibt den Anteil der Personen, deren Durchschnittseinkommen weniger als 60 Prozent des Bevölkerungsdurchschnittseinkommens  beträgt. Der entsprechende Wert wird derzeit für einen Einpersonenhaushalt mit 1050 Euro im Monat angegeben. Deutliche Unterschiede gab es laut dem Statistischen Bundesamt 2016 zwischen Ost- und Westdeutschland:

„Im früheren Bundesgebiet (ohne Berlin) hatten 15 Prozent der Bevölkerung ein erhöhtes Armutsrisiko, in den neuen Ländern (einschließlich Berlin) waren 18,4 Prozent der Menschen armutsgefährdet.“

Besonders Erwerbslose seien betroffen. Mehr als die Hälfte (52,9 Prozent) von ihnen im früheren Bundesgebiet und mehr als zwei Drittel der Erwerbslosen in den ostdeutschen Ländern (66,9 Prozent) waren den Angaben zufolge 2016 armutsgefährdet. Im Vergleich der Bundesländer gebe es noch größere Unterschiede, so die amtlichen Statistiker.

„Während 2016 in Baden-Württemberg 43,4 Prozent der Erwerbslosen armutsgefährdet waren, waren es in Sachsen-Anhalt 75,6 Prozent.“

Auch Alleinerziehende und ihre Kinder seien „überdurchschnittlich“ von Armut bedroht und betroffen.

„42,4 Prozent der Alleinerziehenden-Haushalte im früheren Bundesgebiet und 46,9 Prozent dieser Haushalte in den neuen Ländern waren 2016 armutsgefährdet. Während in Berlin 34,5 Prozent der Alleinerziehenden-Haushalte von Armut bedroht waren, traf dies in Sachsen-Anhalt auf 60 Prozent der Alleinerziehenden-Haushalte zu.“