Der Westen hat als vermeintlicher Sieger des Kalten Krieges Moskaus „tolle Signale“ seit 2001 nicht aufgegriffen. Das kritisiert Bayerns Ex-Ministerpräsident Edmund Stoiber nach seinem Besuch mit seinem Nachfolger Horst Seehofer bei Wladimir Putin. Nach seiner Rede beim Deutsch-Russischen Forum am Montag in Berlin sprach er darüber mit Sputniknews.
Herr Stoiber, Sie waren ja gerade mit dem bayrischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer in Moskau. Wie schätzen Sie den heutigen Stand der Beziehungen mit Russland ein?
Ja, die waren natürlich schon viel, viel besser. Wir haben natürlich eine schwierige Großwetterlage, die vor allem in der deutschen Öffentlichkeit zum Beispiel durch Krim, Syrien und Ukraine bestimmt ist, um nur ein paar Schlagwörter zu nennen. Aber wie auch immer man das im Einzelnen beurteilen will: Es führt kein Weg vorbei, beieinander zu bleiben. Das heißt: Miteinander zu reden, den anderen versuchen zu verstehen und nicht – wie man das im Kalten Krieg getan hat – mit vorgefertigten Meinungen aufeinander zu prallen. Das ist das Schlimmste. Ich hoffe, dass der Besuch von Seehofer jetzt als erster Schritt wirkt, dann am 2. Mai die Bundeskanzlerin.
Und dann hoffe ich natürlich, dass sich in diesem Prozess etwas mit Amerika tut, wie auch immer. Für mich war wirklich neu, dass Putin in dem Gespräch zum ersten Mal gesagt hat: Es wäre hilfreich, wenn die USA sich in den Minsker Prozess in irgendeiner Weise einbringen würden, vor allen Dingen manche Dinge mit Kiew versucht zu bereden. Was Russland anscheinend gegenwärtig nicht gelingt und was auch uns nicht gelingt.
Die USA haben meines Erachtens eine Chance, wenn man in der Tat zu einem neuen Kapitel der amerikanisch-russischen Verhältnisse kommt, was man ja jetzt bzw. heute nicht weiß. Gewisse Signale sieht man, aber dann gibt es wieder gegenteilige Signale. Das wäre heute eine Chance, weil ich das so von Putin nie gehört habe, dass er es als hilfreich empfinden würde, wenn Amerika den Minsk-Prozess mit seinen politischen Mitteln ein Stück gestalten würde, und nicht darauf drängt, Waffen an die Ukraine zu liefern. Was ja Gottseidank wir verhindert haben, die Deutschen verhindert haben, Merkel verhindert hat. Das wäre das Allerschlimmste, die ukrainische Armee noch aufzurüsten.
Sie haben vorhin in Ihrer Festrede kurz an Ihre eigene Zeit als „Kalter Krieger“ erinnert. Warum sind die Hoffnungen nach 1989/90 auf ein besseres Verhältnis zwischen Ost und West, zwischen Europa und Russland, Deutschland und Russland, nicht wahr geworden?
Ich sage das heute selbstkritisch: Weil, wenn ich an die Rede von Putin von 2001 denke, an die durchaus tollen Signale, die da zu hören waren, die man dann aber im Grunde genommen nicht richtig aufgegriffen hat. Weil, wenn ich das mal ganz brutal sage, wir den Kalten Krieg gewonnen haben und wir doch sehr stark als Sieger dieses Krieges aufgetreten sind. Das ist das Problem des Westens.
Eine kurze Frage zum Seehofer-Besuch in Moskau: es gibt Vorwürfe, er hätte das aus Wahlkampfgründen gemacht. Was sagen Sie dazu?
Da ist absoluter Quatsch. Er ist natürlich Parteivorsitzender der CSU und zweitens bayrischer Ministerpräsident. Seit Strauß und nach meiner Zeit – wir haben ja die Partnerschaft zwischen Bayern und Moskau entwickelt – gilt: Das ist der Nukleus, der Kern insgesamt der guten Entwicklung zwischen Deutschland und Russland gewesen. Das muss fortgesetzt werden, entwickelt werden, mit neuem Leben erfüllt werden. Das Wissenschaftsabkommen kommt jetzt. Die Agrarpolitik muss gemeinsame Wege gehen, trotz der Sanktionen. Man muss daran arbeiten, dass diese Sanktionen überflüssig werden. Das ist ein wichtiger Schritt. Und dass Putin sich fast zwei Stunden Zeit genommen hat, zeigt ja, wie wertvoll er anscheinend dieses Gespräch mit Seehofer und auch mit mir gefunden hat.