Händewaschen wichtiger als Masken – Minister und Experten über Virus-Gefahr

Das neue Corona-Virus Sars-Cov-2 breitet sich weltweit weiter aus und hat auch längst Deutschland erreicht. Hierzulande scheint die Lage noch überschaubar. Über den aktuellen Stand hat Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) am Montag gemeinsam mit Experten informiert. Dabei ging es auch darum, was getan wird und werden kann, um das Virus einzudämmen.

Wer sich mit dem Corona-Virus Sars-Cov-2 ansteckt, erleidet meist nur eine milde Erkrankung. Das bundesdeutsche Gesundheitssystem ist gut darauf vorbereitet, falls das Virus sich weiter ausbreitet. Diese Aussagen machten am Montag in Berlin Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und sechs Experten aus Wissenschaft und Medizin. Sie sprachen sich auf einer gemeinsamen Pressekonferenz gegen Panikmache aus. Sie versprachen, die Bevölkerung erhalte alle Informationen, die notwendig sind, damit sich das Virus langsamer ausbreitet und gar gestoppt werden kann.

Gründliches Händewaschen und Abstand zu Mitmenschen bezeichnete Petra Gastmeier als weiterhin wichtigste Schutzmaßnahmen für die Einzelnen und als „völlig ausreichend“. Sie ist  Direktorin des Instituts für Hygiene und Umweltmedizin an der Berliner Charité. Bei Reisen könnten Desinfektionsmittel hilfreich sein. Diese sollten aber zuerst dem medizinischen Personal zur Verfügung stehen, wandte sie sich gegen Hamsterkäufe.

„Es hat keinen Sinn, wenn wir alle hier mit Masken rumlaufen“, sagte die Expertin. „Das hilft nicht. Das hat sich ja auch in Japan und China gezeigt.“

Gastmeier empfahl, bei der Begrüßung nicht wie hierzulande üblich die Hand zu geben und seine Mitmenschen weniger zu umarmen. Das solle aber so geschehen, dass die anderen das nicht missverstehen, fügte sie hinzu.

Mäßiges Ansteckungsrisiko

Laut Lothar Wieler vom Robert Koch-Institut (RKI) gab es mit Stand Montag 8 Uhr 150 laborbestätigte Fälle von Corona-Infizierten in Deutschland. Angesichts der schnellen Entwicklung werde die Zahl weiter ansteigen. Zehn Bundesländer seien betroffen, sagte der Präsident des RKI, am stärksten Nordrhein-Westfalen mit derzeit 86 Fällen. Die Patienten hätten ein Alter zwischen zwei und 68 Jahren und durchschnittlich von 36 Jahren. Mehr als die Hälfte der Patienten seien männlich.

Wieler sagte, dass jeden Tag neue Fälle hinzukämen. Im Landkreis Hensberg habe sich der Virus am weitesten ausgebreitet, die Ursache dafür sei noch nicht bekannt. „Wir haben für eine abschließende Beurteilung der Schwere der neuen Atemwegserkrankung nicht genügend Daten“, gestand der RKI-Präsident ein. „Wir können die Schwere nicht genügend einschätzen.“ Das Risiko für die deutsche Bevölkerung, sich anzustecken, sei aber auf mäßig eingestuft worden.

Der Virologe Christian Drosten

Die Dramatisierung, wie sie zum Teil in den Sozialen Medien zu erleben, hält der Virologe Christian Drosten für „nicht gut“. Es könne derzeit noch nicht gesagt werden, wie gefährlich das Corona-Virus tatsächlich ist. Seine bisherige Ausbreitungsrate liegt laut Drosten unterhalb der von Influenza-Pandemien in der Vergangenheit. Wie der Wissenschaftler von der Berliner Charité machten auch Spahn und die anderen Experten darauf aufmerksam, dass vieles im Zusammenhang mit dem Virus noch unbekannt sei.

Milde Erkrankung

Drosten sieht derzeit kein „hohes Risiko“ durch das neue Corona-Virus, wie er betonte. Dafür gebe es „keine Fakten und Zahlen“, so der Charité-Experte. Zu den Spekulationen, wie viele Infizierte sterben könnten, erklärte er und setzte die derzeitige Fallsterblichkeit durch das Virus bei 0,3 bis 0,7 Prozent dagegen.

„Ich erwarte, dass das in nächste Zeit wieder geringer wird, bis sich das Virus ganz normal frei in der Bevölkerung bewegt.“

Die Geschwindigkeit, mit der sich das Corona-Virus ausbreitet, sei ganz schwierig einzuschätzen, sagte Drosten. Derzeit stecke ein Infizierter in der Regel drei Personen an.

„Diese Erkrankung ist eine milde Erkrankung. Die ist im Prinzip für den Einzelnen gar kein Problem.“

Sie verlaufe wie eine normale Erkrankung, die am Ende sogar zur Immunisierung führen könne. Die Sorgen über die Folgen betreffen aus Sicht des Virologen vor allem die Gesellschaft.

Er wandte sich gegen Horrorszenarien aufgrund von Modellrechnungen. Gegen Panikmache sprach sich auch Stephan Hofmeister, Vizevorsitzender der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), aus. Der Arzt empfahl, sich bei leichten Erkältungen nicht gleich auf das neue Corona-Virus testen zu lassen. Zugleich betonte Hofmeister, dass die entsprechenden Tests, die ausreichend zur Verfügung stünden, von den Gesundheitskassen bezahlt werden. Die KBV informiere alle Arztpraxen über das Geschehen um das Virus und die neuesten Erkenntnisse.

Beherrschbare Pandemie

Die Tests auf das neue Corona-Virus seien zu 100 Prozent sicher, erklärte Egbert Tannich. Der Vorstandsvorsitzende des Bernard-Nocht-Instituts für Tropenmedizin hob hervor, dass die Erkrankung keine speziellen Symptome zeige. Die oberen Luftwege seien davon betroffen, während die meisten Infizierten aber keine Symptome zeigen würden. Auch Tannich schätzt, dass die Fälle hierzulande zunehmen werden, hält das aber ebenso für beherrschbar.

Ähnlich äußerte sich René Gottschalk, Leiter des Gesundheitsamtes der Stadt Frankfurt/Main. Er erinnerte an die Sars-Pandemie 2002/2003, die wie alle anderen Pandemien vom öffentlichen Gesundheitswesen bewältigt worden sei. Dafür sei damals wie jetzt ein Corona-Virus verantwortlich gewesen.

„Die gute Nachricht dabei ist, dass es jetzt nicht so gefährlich ist wie das damalige Sars-Virus. Die Sterblichkeit liegt jetzt eher bei der einer Grippe-Welle.“

Gottschalks Zuständigkeitsbereich umfasst auch den Flughafen Frankfurt/Main, einen der größten in Deutschland. Nach seinen Worten haben die 250 Mitarbeiter und 50 Ärzte des Gesundheitsamtes die Situation im Griff. Er zeigte sich zuversichtlich, dass die Verbreitung des Corona-Virus Sars-Cov-2 eingedämmt werden kann. Laut Gottschalk liegt die Ansteckungsrate durch jeweils einen Infizierten, die mit der Basis-Reproduktionszahl R0 angegeben wird, zum Beispiel bei Masern bei R18 liege.

Strategisches Vorgehen

Der Gesundheitsamtsleiter zeigte sich ebenso wie Mediziner-Vertreter Hofmeister zuversichtlich, dass das bundesdeutsche Gesundheitswesen mit den Folgen des Virus auf Dauer zurecht kommt. RKI-Präsident Wieler erklärte, es werde nach einem strategischen Plan vorgegangen. Auf allen Ebenen, vom Bund über die Länder bis zu den Kommunen und selbst in vielen Firmen gebe es Pandemie-Pläne, die helfen würden, die richtigen Entscheidungen zu treffen. Diese Pläne würden jeden Tag neu aufgrund der jeweils aktuellen Lage angepasst.

Das RKI veröffentlicht jeden Tag auf seiner Website die aktuellsten Informationen zum Corona-Virus Sars-Cov-2. Dazu gehörten auch alle verfügbaren Zahlen, die bekannt seien und von denen keine verschwiegen werde, wie Wieler auf eine entsprechende Frage sagte. Es gebe aber eine Dunkelziffer bei den Infizierten, da sich nicht alle Betroffenen beim Arzt melden, da die Erkrankung in den meisten Fällen mild verlaufe. „Wir spekulieren nicht gern“, sagte der Instituts-Chef.

„Der öffentliche Gesundheitsdienst ist in der Tat nicht optimal ausgestattet“, gestand Amtsleiter Gottschalk ein. Aber er sei „guter Dinge“, dass auch eine Pandemie durch den neuen Corona-Virus von den bundesweit etwa 400 kommunalen Gesundheitsämtern bewältigt werde. „Es wird unser Gesundheitssystem unter Stress setzen“, sagte Gesundheitsminister Spahn dazu, was sich im betroffenen Landkreis Heinsberg bereits zeige.

Optimistischer Minister

Kritiker verweisen um Zusammenhang mit dem neuen Corona-Virus darauf, dass das bundesdeutsche Gesundheitswesen schon im Normalbetrieb Probleme habe. Das liege an Privatisierungen und Sparmaßnahmen wie massivem Personalabbau in den letzten Jahrzehnten. Darauf von mir angesprochen erklärte Spahn, dass es in den letzten Jahren keine Einsparungen, sondern mehr Ausgaben im Gesundheitswesen gegeben habe, weil sich die wirtschaftliche Lage verbessert habe.

„Im Moment ist nicht Geld das Hauptthema, sondern der leergefegte Arbeitsmarkt“, so der Minister zum Thema fehlendes Personal. „Es dürfte weniger Länder auf der Welt geben, wo die Zahl der Ärzte und Pflegekräfte in Relation zur Bevölkerung so gut ist wie in Deutschland“, widersprach Spahn den Kritikern.

Er ist sich sicher, dass das medizinische Personal trotz aller bisherigen Belastungen bereit sei, „mit anzupacken“, falls die Situation durch das neue Virus das erfordere. Der Minister gab sich „ein Stück optimistisch“ und erklärte, dass das bundesdeutsche Gesundheitssystem mit dem Corona-Virus umgehen könne. Das schließe zeitweilige besondere Belastungen und Einschränkungen nicht aus.

Grundsätzliche Gedanken

Der Gesundheitsminister äußerte bei der Pressekonferenz zugleich, dass die Folgen des sich in China ausbreitenden Virus zeigen, dass über „das richtige Maß der Globalisierung“ geredet werden müsse. Das zeige sich daran, dass inzwischen bei bestimmten Arzneimitteln der einzige Produzent der Wirkstoffe eine chinesische Firma sei. Deshalb gebe es derzeit bereits Lieferengpässe.

„Ich bin sehr für ökonomische und effiziente Arbeitsteilung auf der Welt“, sagte Spahn und fügte hinzu: „Aber an bestimmten Stellen geht Sicherheit vor Effizienz.“ Deshalb müsse darüber gesprochen werden, wo bestimmte Wirkstoffe und Sicherheitsprodukte hergestellt werden. In den letzten Tagen sei ihm klar geworden, „dass das jetzt vielleicht ein Zeitpunkt ist, wo wir die starke Abhängigkeit Deutschlands von einem großen Markt in der Perspektive miteinander diskutieren sollten“.

Dem Bundesgesundheitsminister zufolge war die gemeinsame Pressekonferenz von ihm mit den Experten der Beginn einer verstärkten Kommunikationsoffensive. Mit dieser solle die Bevölkerung sachlich informieren und über die Lage um das neue Corona-Virus aufklären. Es gehe darum, die Gefahren realistisch einzuschätzen. Dem dienen nach seinen Worten ebenso Anzeigenkampagnen, Hotlines der Ministerien sowie digitale Informationen über das Internet und die sogenannten Sozialen Medien sowie Radio-Spots.

Spahn forderte von den Medien, nicht mit Überschriften und einzelnen Bildern Stimmung zu machen und stattdessen die Bevölkerung verantwortungsvoll zu informieren. Das wünschten sich ebenso die anwesenden Experten. Angesprochen auf weitere mögliche Absagen von Großveranstaltungen erklärte der Minister, dass das die jeweils vor Ort zuständigen Behörden mit den Veranstaltern zu entscheiden hätten.