Regimewechsel in Damaskus weiter Ziel für Berlin

Die Bundesregierung weiß, was Syrien und seine Bevölkerung brauchen: Eine Zukunft ohne Präsident Assad. Das haben Regierungssprecher am Montag nach dem westlichen Angriff auf Syrien vom Wochenende klargestellt. Der Regimewechsel ist nach ihren Worten das langfristige Ziel der nun von Paris und Berlin angekündigten politischen Initiativen.

Die Bundesregierung hält „langfristig“ an dem Ziel eines Regimewechsels in Damaskus fest. Sie begründet das unter anderem mit dem Willen der syrischen Bevölkerung. Das erklärte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag auf der Regierungspressekonferenz in Berlin. Der Sprecher wörtlich:

„Das Ziel eines Syriens mit einer Regierung, der die Menschen dort vertrauen können, das heißt automatisch, dass das nicht ein Syrien, jedenfalls langfristig nicht, unter der Führung des derzeitigen Präsidenten ist.“

Zuvor hatte Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) in Brüssel laut Nachrichtenagenturen gesagt, den Konflikt in Syrien dauerhaft beizulegen, sei nur ohne Präsident Baschar al-Assad möglich. Angestrebt werde zunächst eine Lösung „mit all denen, die in der Region Einfluss haben“, sagte Maas beim Treffen der EU-Außenminister am Montag in Luxemburg. „Dass jemand, der Chemiewaffen gegen seine Bevölkerung einsetzt, ein Teil dieser Lösung sein kann, das kann sich wohl niemand vorstellen.“ Beweise gegen Assad legte der Außenminister auch nach dem westlichen Angriff nicht vor.

Fehlende Beweise

Auch Seibert und seine Kollegen auf der Regierungspressekonferenz konnten keine Beweise vorlegen. Dennoch rechtfertigten sie mehrfach die Stellungnahme von Bundeskanzlerin Angela Merkel zum westlichen Angriff auf Syrien in der Nacht zum Samstag. Die Kanzlerin, der Außenminister und Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) hätten an dem Tag „sehr klar“ gesagt, wo die Bundesregierung dabei stehe, so Seibert: „An der Seite all derjenigen, die entsetzt sind über den erneuten Einsatz von C-Waffen durch das Regime Assad und die dafür ein wichtiges Zeichen setzen wollen, dass die C-Waffen-Konvention nicht erodiert, dass es keine Gewöhnung gibt und keine Straflosigkeit für den Einsatz von C-Waffen.“

Sputnik fragte auf der Konferenz, warum die am Samstag begonnenen Untersuchungen der Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW) des angeblichen Chemiewaffeneinsatzes am 7. April in Duma nicht abgewartet wurden. Der Regierungssprecher berief sich dazu erneut auf westlichen „Erkenntnisse“. Für die Bundesregierung sei klar, dass stimme, was die USA, Großbritannien und Frankreich dazu erklärten. „Alle vorliegenden Erkenntnisse, und das sind zahlreiche, sprechen dafür, dass es nicht nur ein Chemiewaffeneinsatz war und dass auch das syrische Regime erneut für diesen Einsatz verantwortlich ist.“

Ignoriertes Völkerrecht

FAZ-Reporter Eckhard Jesse machte darauf aufmerksam, dass mit dem westlichen Angriff ohne UN-Mandat die Souveränität Syriens gebrochen worden sei. Er wollte von Seibert wissen, ob dieser tatsächliche Völkerrechtsbruch durch die Bundesregierung mit dem angeblichen Bruch des Völkerrechts durch den behaupteten Chemiewaffeneinsatz gerechtfertigt werde. Zuvor hatte bereits Journalist Tilo Jung wissen wollen, ob der deutschen Regierung das Völkerrecht egal sei. Darauf antwortete der Regierungssprecher nicht konkret, sondern warf Russland vor, mehrere Resolutionen des UN-Sicherheitsrates zu Syrien blockiert zu haben. Er plädierte an „Russland und andere, wirklich den Sicherheitsrat seine Arbeit machen zu lassen“. Dass die von westlichen Staaten vorgelegten Resolutionsentwürfe oftmals unter anderem das Gewaltverbot der UN-Charta ignorierten und deshalb abgelehnt wurden, fügte der Sprecher nicht hinzu.

Dafür erklärten er und seine Kollegin vom Auswärtigen Amt, Maria Adebahr, dass die von Berlin und Paris angekündigten Initiativen für eine politische Lösung in Syrien „neuen Schwung“ in die Suche danach bringen sollen. Das begründete Seibert unter anderem so: „Unser Urteil über Präsident Assad ist klar. Er gibt täglich neue Proben seines brutalen und rücksichtlosen Vorgehens gegen all die Syrer, die er als Gegner seines Regimes betrachtet.“ Gleichzeitig müsse die Außenpolitik „mit Realitäten umgehen“. Die selbst von bundesdeutschen Medien inzwischen bemerkte Tatsache, dass der syrische Präsident weiterhin großen Rückhalt bei der Bevölkerung des Landes hat, erwähnte er nicht.

Sputnik fragte auch nach, ob der Westen nicht die selbst von UN-Generalsekretär António Guterres begrüßten russischen Initiativen für eine politische Regelung in Syrien und den innersyrischen Dialog aufgreifen und unterstützen sollte. Die Bundesregierung werde bei ihren Initiativen die Bemühungen der UNO und ihres Gesandten für Syrien, Staffan de Mistura, unterstützen, erklärte dazu Außenamtssprecherin Adebahr. Um „neuen Schub“ in die Genfer Gespräche zu bringen, würden die „wichtigen einflussreichen Staaten“ auch mit Russland, dem Iran und anderen Akteuren vor Ort sprechen.

Deutsche Aktivitäten

Es gehe um einen langfristigen politischen Prozess, der jetzt beginne, hieß es mehrmals. Adebahr verwies auf die westlichen Aktivitäten nach dem Angriff in der Nacht zum Samstag wie das EU-Außenministertreffen am Montag, eine EU-Konferenz zu Syrien im Ende April und einen neuen westlichen Resolutionsentwurf im UN-Sicherheitsrat. Sputnik wollte wissen, wie realistische die Initiativen seien. Dazu sagte der Regierungssprecher, sie seien „so realistisch wie der Einsatz stark ist all derjenigen in der Region, die dort Verantwortung und Einfluss haben, eben auch Iran und Russland, zunächst einmal ernst zu machen mit der Umsetzung des landesweiten Waffenstillstandes und mit den Friedensbemühungen für Syrien“. Notwendig sei dafür ein „wirklicher Friedenswillen“, den Damaskus und Moskau mit Angriffen auf die Zivilbevölkerung bisher nicht gezeigt hätten, behauptete Seibert.

Sputnik wollte zudem wissen, ob die bekanntgewordenen deutschen Aktivitäten seit 2012 gegen die syrische Regierung fortgesetzt werden. Das reichte von einer ressortübergreifenden „Task Force Syrien“ für „Planungen für den Tag nach einem Übergang“ und einer Arbeitsgruppe zum Umbau der Wirtschaft nach dem Sturz Assads unter gemeinsamer Leitung mit den Vereinigten Arabischen Emiraten über das Projekt „Day After“ mit syrischen Exil-Oppositionsgruppen bis zur Spionage von Bundeswehr und BND vor der syrischen Küste samt Weitergabe der Daten an „Rebellen“. Die Ministeriums- und Regierungssprecher konnten dazu am Montag nichts sagen.