Sigmund Jähn: „Zeitgemäß ist es vor allem, die Erde zu beschützen“

Der erste deutsche Raumfahrer, der Kosmonaut Sigmund Jähn, sieht als Aufgabe für die Raumfahrt, die Erde zu beschützen und zu helfen, sie wieder in Ordnung zu bringen. Jähn hat sich nach seinem Raumflug 1978 wissenschaftlich mit der Erdbeobachtung beschäftigt. Einen Flug zum Mars hält er für „nicht zeitgemäß“.

Sigmund Jähn war der erste Deutsche im All. Mit dem Raumschiff  Sojus 31 startete er am 26. August 1978 gemeinsam mit dem sowjetischen Kosmonauten Waleri Bykowski ins All und arbeitete eine Woche lang an Bord der Raumstation Salut 6. Er führte vor allem Experimente zur Erderkundung aus. Am 12. April 2017 eröffnete er gemeinsam mit dem sowjetisch/russischen Kosmonauten Alexej Jelissejew und dem deutschen Astronauten Thomas Reiter eine Ausstellung zu Ehren des ersten Fluges eines Menschen ins All am 12. April 1961. Bei dieser Gelegenheit gab er ein kurzes Interview.

April 2017: Sigmund Jähn im Interview im Russischen Haus in Berlin

Herr Jähn, vor 56 Jahren startete mit Juri Gagarin der erste Mensch ins All. Wie sehen Sie als erster deutscher Raumfahrer die Bilanz der Raumfahrt?

Er hat eindeutig den Weg geöffnet. Es gab viele Erfolge. Ich finde aber auch, wenn wir so weitermachen und uns die Basis wegfressen oder kaputtschießen, sieht es schlecht aus für die Zukunft. Das ist eigentlich das Ziel der Raumfahrt: Zu verstehen, dass die Dummheiten oder Verbrechen, die wir mit dieser kleinen Erde betreiben, nicht endlos unbestraft bleiben. Wenn die Raumfahrt in die Richtung geht – das würde ich mir wünschen. Was man manchmal so hört und denkt und verbreitet, dass wir zum Mars fliegen als wenn das übermorgen wäre oder in zehn Jahren, da müsste man erstmal einen Startplatz bauen da oben, damit man auch zurückkommen kann. Das wird ja überhaupt nicht ins Visier genommen. Es ist auch nicht zeitgemäß. Zeitgemäß ist es vor allem, die Erde zu beschützen.

Briefmarken zum Raumflug von Sigmund Jähn mit Waleri Bykowski 1978 sowie zu anderen Interkosmos-Flügen

Sie haben mir vor 20 Jahren in einem Interview gesagt, dass die Daten Ihres Raumfluges von 1978 noch gar nicht vollständig ausgewertet worden sind, und die bemannte Raumfahrt als kulturelle oder philosophische Aufgabe der Menschheit bezeichnet. Sind die Daten inzwischen ausgewertet?

Ja, doch. Es sind ja viele und bessere Daten hinzugekommen. Ich habe Hochachtung vor dem, was Alexander Gerst (2014 auf der internationalen Raumstation ISS – Anm. d. Red.) zum Beispiel gemacht hat. Er hat natürlich modernere Technik und auch mehr Zeit gehabt. Wenn man sich auf die Ergebnisse, wirklich verlassen würde und  anfangen würde, die Natur in Ordnung zu bringen oder nicht weiter kaputt zu machen, dann wäre alles nützlich gewesen, was wir gemacht haben. So denke ich manchmal: Für die Leute, die reich sind, ist es kein Traum, wenn man sagt, bald werden wir für eine Million oder für zehn Millionen Dollar einen All-Spaziergang machen. Für wen soll denn das zutreffen?

In der kommenden Woche soll die erste deutsche Astronautin vorgestellt werden. Was würden Sie ihr mit auf den Weg ins All geben?

Sie soll mit ihren Experimenten, die sie zweifellos mit Leidenschaft durchführen wird, auch die Welt nicht vergessen, bei dem, was sie sehen wird und was sie denken wird und was sie uns übermitteln kann.