Mit einem Tarnkappenkampfflugzeug aus den USA, das auch Atombomben tragen kann, will die Schweiz ihren Luftraum schützen. Der Bundesrat hat sich für die F-35 entscheiden, doch eine Initiative will das noch verhindern. Sie stützt sich auch auf den jederzeit möglichen Zugriff aus den USA auf die Systeme des Kampfjets.
Der Tarnkappen-Jet F-35 des US-Rüstungskonzerns Lockheed Martin wird künftig auch das Schweizer Kreuz auf seinen Flügeln tragen. Das hatte der Bundesrat der Alpenrepublik Ende Juni entschieden. Danach sollen 36 Exemplare des Kampfflugzeuges in den USA gekauft werden.
Dafür sollen etwas über fünf Milliarden Franken ausgegeben werden, hieß es nach der Entscheidung. Doch die Schweizer Regierung wird noch eine Milliarde drauflegen müssen, wie die Zeitung Tages-Anzeiger Ende September berichtete. Als Grund wird die Teuerungsrate in den USA genannt, die bis zum Zahlungszeitpunkt im Jahr 2029 auflaufen werde.
Verteidigungsministerin Viola Amherd (Partei Die Mitte) hatte den Kauf unter anderem damit begründet, dass die F-35 nicht nur das beste Flugzeug in der Auswahl mit Eurofighter von Airbus (BRD), F/A-18 Super Hornet von Boeing (USA) und Rafale von Dassault (Frankreich) sei. Der Jet solle auch der günstigste sein, behauptete die Bundesrätin. Sie ist verantwortlich für das Eidgenössische Department für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS), wie das Schweizer Verteidigungsministerium heißt.
Die Entscheidung fiel im Sommer dieses Jahres nach einem mehrmonatigen Auswahlverfahren, in dem die vier Kampfjet-Modelle in den Schweizer Alpen präsentiert und getestet wurden. „Der Bundesrat ist überzeugt, dass sich die beiden Systeme am besten eignen, die Schweizer Bevölkerung auch in Zukunft vor Bedrohungen aus der Luft zu schützen“, hieß es dazu. Die Schweizer Luftwaffe fliegt derzeit noch F/A-18 C/D Hornet von Boeing und F-5 E/F Tiger II des US-Konzerns Northrop. Sie sollen von dem Tarnkappen-Jet abgelöst werden.
Volksabstimmung soll Kauf verhindern
Der Kauf wurde von deutlicher Kritik begleitet, ausgehend von der Frage, wozu die Alpenrepublik mit ihrer Größe von etwas über 41.000 Quadratkilometern ein solches Kampfflugzeug braucht. Dabei ging es auch um die Frage des Preises. Inzwischen gibt es die Kampagne „Stop F-35“, die den Kauf mit einer Volksabstimmung noch stoppen will.
Ein Komitee aus der Gruppe für eine Schweiz ohne Armee (Gsoa), der sozialdemokratischen SP, Grüne und Junge Grüne hat Ende August diese Initiative gestartet Die F-35 sei ein Angriffsbomber und für die Schweiz nicht geeignet, sagte Grünen-Nationalrätin Marionna Schlatter laut Aargauer Zeitung auf einer Pressekonferenz in Bern. Außerdem sei der US-amerikanische Fighter viel zu teuer.
Auf der Webseite der Kampagne heißt es unter anderem:
„Der F-35 wurde einzig und allein für Angriffskriege entwickelt. Für luftpolizeiliche Einsätze ist der Tarnkappenbomber massiv überdimensioniert und ungeeignet. Er weist zahlreiche technische Mängel auf und seine Einsatztauglichkeit ist fragwürdig. Zudem sitzen bei diesem Flugzeug die US-Geheimdienste immer mit im Cockpit – demokratiepolitisch skandalös.“
Auf die entsprechenden Aspekte der F-35 hat der Journalist Roger Näbig bereits im September 2018 auf dem Schweizer Online-Militär-Portal offiziere.ch aufmerksam gemacht. In seinem Beitrag „F-35: Hightech Kampfjet oder 1,5 Billionen US-Dollar-Desaster?“ verweist er nicht nur auf unzählige technische Probleme mit dem High-Tech-Jet. Die Kontrollbehörde des US-Verteidigungsministeriums Pentagon, „Director Operational Test & Evaluation“ (DOT&E), habe mehrfache, zum Teil „schwerwiegende Mängel“ festgestellt.
Missionsdaten gehen in die USA
Die Mängel hätten dazu geführt, dass landesweite Verfügbarkeitsrate der F-35-Flotte der USA seit Oktober 2014 „bei inakzeptablen 50 Prozent“ verharre, „obwohl seitdem immer mehr Maschinen in Dienst gestellt wurden“. Interessant ist, was Näbig zum „Autonomic Logistics Information System“ (ALIS) der F-35 schreibt. Das bleibe bei allen Maschinen im Besitz des US-Herstellers Lockheed Martin.
„Alle F-35, auch die von Partnerländern bzw. Käufern außerhalb der USA, müssen ihre Missionsdateien nebst ALIS-Profilen vor und nach jedem Flug auf den neuesten Stand bringen. Hierfür werden die Daten aus jeder F-35 ausgelesen, danach über das Internet zunächst zum ALIS Mainframe nach Fort Worth in Texas geschickt, der diese dann u.a. an das USRL und Lockheed Martin weiterleitet.“
Das System übermittle selbst nach Auffassung einiger Partnerländer „zu viele operative Daten nach jedem Flug einer F-35 an die U.S. Army sowie an die nichtstaatliche Herstellerfirma Lockheed-Martin und verletzt damit die Souveränität der am Projekt beteiligten Länder“. Italien, Norwegen und Australien würden deshalb die Datenmenge, die übermittelt wird, einschränken, während F-35-Nutzer Israel eigene Elektronik und Software einbauen dürfe.
Software als „Trojanisches Pferd“
Das ALIS-Netzwerk gewähre den USA „bei Bedarf aber auch eine aktive Kontrolle über die bei den Partnerländern stationierten F-35 mit Hilfe der Verteilung von Updates und Patches der internen wie externen F-35 Software“, so Näbig. ALIS könnte von den USA zukünftig zudem als „trojanisches Pferd“ genutzt werden, um darüber Schadsoftware in die F-35 von unter Umständen missliebig gewordenen Partnerländern einzuspielen und diese über die Software lahmzulegen.
Die Schweizer Initiative gegen den Kauf des Jets meint dazu:
„In Zukunft wird der US-Geheimdienst immer mit im F-35-Cockpit sitzen: Mit der stark ausgebauten Kommunikation zwischen verschiedenen militärischen Systemen besteht die Gefahr, dass die Schweizer Flugzeuge in Zukunft nicht nur zum Schutz des Schweizer Luftraums eingesetzt würden. Aus Perspektive der Neutralität ist dies äußerst problematisch.“
Doch auch diese bereits zuvor geäußerte Kritik verhinderte die Entscheidung des Schweizer Bundesrates nicht. Angeblich seien die technologischen Abhängigkeiten von Hersteller und Herstellerland berücksichtigt worden, erklärte die Regierung am 30. Juni dieses Jahres. Und: „Abhängigkeiten können nicht ganz ausgeschlossen werden, wenn Systeme beschafft werden.“ Die Schweiz bestimme selbst, „welche Daten sie über Datenlinkverbindungen mit anderen Luftwaffen austauscht oder welche logistischen Daten an den Hersteller zurückgemeldet werden“, hieß es. Betrieb und Instandhaltung des Flugzeuges würden in der Schweiz durch die Luftwaffe und die RUAG Schweiz erfolgen.
Kosten sprengen den Rahmen
„Die Schweiz verzichtet durch den F-35-Entscheid auf Milliarden“, behauptete das Onlineportal 20 Minuten am 9. August dieses Jahres. Die vom US-Konzern Lockheed Martin zugesagten Investitionen seien nur vage, während die europäischen Konkurrenten wie Airbus oder Dassault Milliarden in der Schweiz investiert hätten. Das wäre nach dem Konzept sogenannter Gegengeschäfte, „Offsetgeschäfte“, bei denen Hersteller im Gegenzug für einen Kaufentscheid Investitionen im Käuferland versprechen.
Bereits im Juli hatte der Tages-Anzeiger gemeldet, dass in den USA die Kosten der F-35 den geplanten Rahmen sprengen. Aus anderen europäischen Ländern wie Belgien oder Dänemark, die den US-Jet schon haben, gebe es Berichte über Kostenüberschreitungen und Probleme damit.
Am 7. Juli, genau eine Woche nach dem Schweizer Bundesratsentscheid, habe der parteipolitisch unabhängige US-Rechnungshof GAO einen neuen Bericht über aktuelle und künftig erwartete Probleme im F-35-Programm der USA vorgelegt. Danach seien im Jahr 2020 die F-35 A-Jets der US-Armee nur zu 54 Prozent voll einsatzfähig gewesen – statt der geforderten 72 Prozent. Zudem würden bei dem Programm mit zunehmender Dauer immer mehr aus dem Ruder laufen.
Die Initiative „Stop F-35!“ warnt, dass die Schweiz sich „in die Abhängigkeit des Pentagons begibt und Milliarden an Steuergeldern für 36 militärische Luxusspielzeuge aus dem Fenster wirft“. Der Bundesrat ignoriere die Meinung der Mehrheit der Bevölkerung, die den US-Kampfjet nicht wolle. Verteidigungsministerin Amherd behauptete, bei einem Stopp des Kaufes stünde die Schweiz ohne Schutz ihres Luftraumes da. Dagegen erklärten die Gegner, dass sie nicht gegen den Kauf eines kostengünstigeren europäischen Kampfjets seien.
zuerst veröffentlicht bei RT DE