Verbraucherschützer: Politik hofiert Unternehmen

Internationale Verbraucherschützer fordern mehr Schutz der Privatsphäre und persönlicher Daten. Das haben sie auf einem Kongress mit Politik und Wirtschaft am 15. März in Berlin erklärt. Geheimdienstaktivitäten wie die der CIA wurden am Rand diskutiert. Auch für das Bundesjustizministerium geht es derzeit mehr um Verbraucher- als um Bürgerrechte.

Online werden zu viele persönliche Daten gesammelt. Das besorgt fast drei Viertel der für eine internationale Studie befragten Menschen. Was ein Kommentar zu den von Wikileaks jüngst enthüllten mutmaßlichen Aktivitäten des US-Geheimdienstes CIA sein könnte, wurde aber bereits davor ermittelt. Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) hatte dazu mehr als 6.600 Menschen in sechs G20-Mitgliedsstaaten, in Argentinien, Frankreich, Deutschland, China, Südafrika und den USA befragt.

Die Studie wurde am Vortag des internationalen Kongresses „G20 Consumer Summit“ in Berlin veröffentlicht. Zu diesem trafen sich am 15. März, dem Weltverbrauchertag, rund 300 Vertreterinnen und Vertreter von Verbraucherschutzorganisationen, Regierungen, Aufsichtsbehörden, Wirtschaft und Wissenschaften aus mehr als 20 Ländern.

Misstrauen und Schieflage

Der Studie zufolge befürchten fast 70 Prozent der Befragten, dass ihre Online-Zahlungen nicht sicher sind. Fast zwei Drittel von ihnen halten danach ebenso neue digitale Produkte, zum Beispiel die als „Smart Home“ durchdigitalisierte Wohnung oder fahrerlose Autos für nicht sicher. Vertrauen in die vielgepriesene digitale Zukunft dürfte anders aussehen. Das stellten auch vzbv-Vorstand Klaus Müller und Amanda Long von der internationalen Organisation Consumers International (CI) bei einer Pressekonferenz zu dem Kongress  fest.

Müller beschrieb die „Schieflage“, bei der zum Beispiel Unternehmen alles über die Verbraucher wissen, die aber umgekehrt nicht annährend genug über die Produkte und deren Anbieter. Das werde durch weltweit agierende Unternehmen wie Facebook, Google oder Amazon erschwert, betonte er gegenüber Sputnik. Die Unternehmen würden von der Politik „hofiert“, kritisierte Müller und wünschte sich das auch für die Verbraucherseite. Das viel beschworene „Internet der Dinge“ setze Vertrauen bei den Nutzern voraus, machte CI-Vertreterin Long klar. Es gebe nur geringe Akzeptanz für neue Entwicklungen wie eine digitale Währung.

Bundesjustizministerium will nicht über CIA reden

Knapp die Hälfte der Befragten misstrauen dem Schutz ihrer digitalen Rechte durch die Regierungen, so die vzbv-Studie. Die Bundesregierung will für Cybersicherheit, Vertrauen und „fairen Umgang mit den Verbrauchern“ sorgen. Das sagte Gerd Billen, Staatssekretär im Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV),  am Mittwoch auf der Pressekonferenz. Der Schutz personenbezogener Daten und der Privatsphäre seien wichtig.

Er ging dabei von sich aus nicht auf das hochaktuelle Gegenbeispiel dafür ein, die mutmaßlichen Cyperspionage-Aktivitäten der CIA auch in Deutschland gegen alle und jeden selbst mit Hilfe von TV-Geräten. Für den Staatssekretär gibt es noch „großen Diskussionsbedarf“, weil es weltweit unterschiedliche Sichten auf den Datenschutz gebe. Produktsicherheit sei immer mehr auch eine Frage der Software, die einbezogen werde müsse.

Auf den Diskussionsbedarf verwies er auch auf Sputnik-Nachfrage zu den Enthüllungen zu den mutmaßlichen CIA-Aktivitäten. Sein Ministerium könne dazu wenig sagen, erklärte Billen und verwies auf das Bundesinnenministerium. Für ihn gibt es zwei Debatten: Eine um den Verbraucherschutz und die andere um die Frage, was Geheimdienste alles dürfen. Der Datenschutzexperte Dr. Thilo Weichert hatte einige Tage zuvor von der Bundesregierung rechtliche Schritte und „mehr Klarheit und insbesondere für die Zukunft auch Rechtssicherheit“ gefordert.

Verbraucherschützer Müller meinte im Gespräch, dass sich der Schutz von Verbraucher- und Bürgerrechten nicht mehr trennen lasse. „In dem Moment, in dem meine Daten irgendwo kursieren, ist es fast egal, wer nachher Schaden damit anrichtet, wer mir das Misstrauen beschert.“ Einen guten Standard gegenüber Unternehmen hält er für „hilfreich gegenüber allen anderen Akteuren“. Regierungen seien zuallererst gefordert, weil sie den Rahmen setzten.

Zehn Empfehlungen für weltweiten digitalen Verbraucherschutz

Müller stellte gemeinsam mit CI-Vorstandsmitglied Long auf der Pressekonferenz zehn Empfehlungen der internationalen Verbraucherschützer vor. Dazu gehören gleiche Verbraucherrechte online und offline, die Haftung digitaler Dienstleister und der „bezahlbare und gute Zugang zum Internet für alle“. Ebenso werden weltweit leicht zugängliche und gut verständliche Informationen über digitale Produkte und Dienste gefordert. Die Verbraucherschützer wollen außerdem „klare und faire Vertragsbedingungen“ für die Kunden, die digitale Bildung stärken, ebenso mehr „Schutz vor Betrug und Missbrauch“. „Selbstbestimmung über Privatsphäre und persönliche Daten“ soll ermöglicht werden wie auch Verbraucherrechte durchzusetzen bis hin zum Schadenersatz online, wie das offline der Fall ist.

Nicht fehlen durfte die „Förderung des Wettbewerbs …, damit Verbraucher eine sinnvolle Auswahl an digitalen Anbietern, Produkten und Diensten haben.“ CI-Vertreterin Long bezeichnete es als „Herausforderung“, dafür zu sorgen, dass die bei digitalen Produkten eingesetzten Algorithmen nicht zu noch weniger Vertrauen der Verbraucher führen dürfen.

Die Empfehlungen der internationalen Verbraucherschützer online