SPD-Konzept: Kleiner Schritt für mehr Rente, aber kein großer für eine sichere Rente

Die SPD versucht, mit einem Rentenkonzept im Wahlkampf zu punkten. Der Sozialverband Deutschland (SoVD) hält das für einen „Schritt in die richtige Richtung“, sieht aber noch viele offene Fragen. Der Verband fordert unter anderem ein höheres Rentenniveau als die SPD und will mehr als diese die gesetzliche Rente stärken.

Als „solides und glaubwürdiges Konzept, das sich realisieren lässt“ schätzt der Sozialverband Deutschland (SoVD) das am Mittwoch vorgestellte Rentenkonzept der SPD für den Bundestagswahlkampf ein. Das erklärte Verbandspressesprecher Benedikt Dederichs gegenüber Sputniknews. Es handele sich bei dem von Bundesarbeitsministerin Andreas Nahles und SPD-Chef Martin Schulz präsentierten Papier zwar nicht um einen „großen Wurf“ für mehr soziale Gerechtigkeit, aber immerhin um einen „Schritt in die richtige Richtung“. Es zwinge die anderen Parteien, sich zu dem zentralen Thema Rente zu äußern.

Die SPD fordert in dem Wahlkampfpapier, das Rentenniveau bei „mindestens 48 Prozent“ und den Beitragssatz für die Gesetzliche Rentenversicherung (GRV) bei 22 Prozent festzuschreiben. Letzteres soll geschehen, „um Überlastungen von Arbeitnehmern und Arbeitgebern zu vermeiden“, wie Nahles und Schulz erklärten. Beide kündigten zudem einen „Dialog für einen neuen Generationenvertrag“ an, um die Grundlagen für eine stabile Rente zu sichern. Außerdem soll eine „Solidarrente“ für Niedrigverdiener, die 35 Jahre oder länger Beiträge gezahlt „und/oder Zeiten für Kindererziehung und Pflege angerechnet“ bekommen haben, vor Altersarmut schützen. Weiterhin will die SPD bisher nicht versicherte Selbständige in die GRV einbeziehen und die sogenannte Erwerbsminderungsrente erhöhen. Das Renteneintrittsalter, das derzeit schrittweise bis 2009 von 65 auf 67 Jahre angehoben wird, soll nicht weiter steigen. Die Sozialdemokraten wollen sich mit ihrem Konzept auch für eine attraktivere betriebliche Altersvorsorge und eine einfachere private Absicherung zusätzlich zur gesetzlichen Rente stark machen. Das alles werde „es nur mit einer sozialdemokratisch geführten Bundesregierung geben“, hieß es am Mittwoch.

Rentenniveau muss steigen

SoVD-Sprecher Dederichs bezeichnete es als „großen Fortschritt“, dass die SPD nun ein Rentenniveau von 48 Prozent bis 2030 anstrebt, nachdem Bundesarbeitsministerin Nahles zuvor 46 Prozent als Ziel ausgab. Der Verband bleibe aber bei den von ihm geforderten 53 Prozent als langfristige Perspektive. Das Rentenniveau beschreibt das Verhältnis des aktuellen Durchschnittseinkommens zu der Rente, die ein Durchschnittsverdiener nach 45 Arbeitsjahren erhält. Aktuell liegt es laut SoVD bei 48 Prozent. Die derzeitige Politik zielt auf ein Niveau von 43 Prozent im Jahr 2030 ab.

Im SPD-Konzept ist das von SoVD und anderen Sozialverbänden angestrebte Ziel, dass die gesetzliche Rente wieder den Lebensstandard im Alter sichern muss, nicht zu finden. Laut Dederichs gibt es in dem Papier noch „zahlreichen unbeantwortete Fragen“, wie die, was genau unter der angekündigten „Solidarrente“ zu verstehen ist. Der SoVD-Sprecher bezeichnete es gegenüber Sputnik als „wichtig, dass der Weg zur lebensstandardsichernden Rente zurückführen muss“. Das sei notwendig, um „das Vertrauen in die gesetzliche Rentenversicherung wiederherzustellen, das die Versicherten aufgrund der Rentenpolitik der vergangenen Jahre verloren haben“. Davon sprechen auch die Sozialdemokraten in ihrem Papier, ohne auf ihre eigene Rolle beim Abbau der Leistungen der gesetzlichen Rente in den letzten Jahren einzugehen.

Während das SPD-Konzept die betriebliche Altersvorsorge attraktiver machen und die private Altersvorsorge vereinfachen will, bleibt der SoVD laut seines Sprechers bei der Kritik an diesen beiden „Säulen“ der Alterssicherung in Deutschland.  „Aktuelle Zahlen zeigen, dass zum Beispiel die private Rente nicht funktioniert und dass das Konzept, diese dritte Säule zu stärken, nicht aufgeht. Die jüngste Entwicklung hat vielmehr gezeigt, dass die gesetzliche Rentenversicherung die verlässlichste Altersversorgung nach wie vor ist.“ Die gesetzliche Rente müsse auch in Zukunft armutsfest, solidarisch finanziert und generationengerecht gesichert werden, hob Dederichs hervor. Und fügte hinzu: „Der Lebensstandard im Alter muss künftig auch ohne zusätzliche Leistungen der betrieblichen und privaten Altersvorsorge gesichert sein.“

Altersarmut droht jüngeren Generationen

Der Verband hat Ende 2016 die Kampagne „Lieber NICHT arm dran“ gegen die zunehmende Altersarmut gestartet. Im Vergleich dazu gehe das SPD-Konzept in „die richtige Richtung“, reiche aber nicht aus für ein notwendiges umfassendes Konzept gegen Altersarmut. Die droht in Folge der deutschen Rentenpolitik gerade den jüngeren Generationen, die in den kommenden Jahren in Rente gehen werden. Doch ausgerechnet auf diese berufen sich jene, die nun das SPD-Konzept kritisieren, ob aus der Union oder in den Medien. Sie behaupten, wer mehr für die gesetzliche Rente tun will, belaste die Jüngeren damit.

Dagegen stellte SoVD-Sprecher Dederichs klar: „Was im Jahr 2030 sein wird, ist sehr schwer zu beantworten. Das sind Fragen, die in der Zukunft liegen. Niemand weiß heute verbindlich, wie die demografische Entwicklung in einigen Jahren sein wird. Niemand von diesen Kritikern spricht davon, inwieweit sich die Digitalisierung oder auch die Pro-Kopf-Produktivität in Zukunft auswirken wird. Die Argumentation allein mit der Demografie, zu sagen, es sind weniger Menschen da, um die Rente der Älteren finanzieren zu können, ist sehr hypothetisch. Sie war auch in der Vergangenheit immer ein Angst-Argument.“  

Dederichs verwies auf die Verbandskampagne „Lieber NICHT arm dran“, die über diese Angst-Argumente aufkläre und sie entkräfte. Zugleich zeige der SoVD, wie Probleme auch in Zukunft gelöst und die Rente weiter gerecht finanziert werden können. „Feststeht: Eine generationengerecht und zukunftssichernde armutsfeste Rente wird möglich sein, wenn die Politik das will“, stellte der Sprecher klar.

Der SoVD ist mit rund 560.000 Mitgliedern einer der großen Sozialverbände in Deutschland und vertritt insbesondere die Interessen der Rentner, der Patienten und gesetzlich Krankenversicherten sowie der pflegebedürftigen und behinderten Menschen. Er beging unlängst sein 100. Gründungsjubiläum.