»Jedenfalls habe ich bei Russen keinen Argwohn gegenüber Deutschland gespürt. Man kann dafür nur dankbar sein. Schon deshalb steht es uns nicht zu, antirussische Gefühle zu hegen. Wenn jemand uns dazu verleiten will, sollten wir ihm die kalte Schulter zeigen.«
Helmut Schmidt 2008
Liebe Leserinnen und Leser
Heute habe ich wieder eine Empfehlung für Sie. Aber diesmal ist es kein Gedicht, kein Lied und auch kein Buch. Es handelt sich um ein ganzes Land, das ich dringend empfehle.
Reisen Sie nach Russland – so lange das noch geht! Es ist immer noch möglich, auch wenn viele es nicht glauben beziehungsweise es nicht wissen.
Selbst ein Bewohner der polnischen Grenzregion zu Russland staunte, als er am Dienstag auf eine Gruppe Deutscher traf, die gerade aus Russland kam. Er wusste nicht, dass die Grenzübergänge immer noch offen sind, da der sogenannte kleine Grenzverkehr tot ist.
Ich gehörte zu der Gruppe, die gerade von einem zehntätigen Aufenthalt in Kaliningrad und St. Petersburg zurückkam. Die in ihren Koffern viele Erinnerungsstücke hatte, von russischem Speck und einer Lenin-Büste bis zu Büchern und CDs.
Das Wichtigste, das sie mitbrachten, waren die Eindrücke und Erlebnisse, die Erfahrungen und die Erinnerungen an die Begegnungen mit den Menschen in den beiden russischen Städten. Dazu gehörte das, was eine der Reiseteilnehmerinnen, die Schauspielerin Christa Weber, so beschrieb:
«Wir haben wunderbare Menschen kennengelernt, die uns ohne Ressentiments entgegengekommen sind. Stolze, aufrechte, hilfsbereite, humorvolle, aufgeschlossene Menschen, die sich bei uns bedankten, dass wir sie besuchten. Sie bei uns! Oftmals beschämte mich ihre große Gastfreundschaft, wenn ich an die Russophobie dachte, die derzeit bei uns zu Hause herrscht.»
Ich kann das nur bestätigen und empfand die Begegnungen mit den Menschen genauso beeindruckend wie die Vielfalt der großen Stadt St. Petersburg von Kultur bis Architektur und die Lebendigkeit von Kaliningrad. Letzterer, dem ehemaligen deutschen Königsberg, sind die Zerstörungen in Folge des deutschen Wahns im 2. Weltkrieg anzusehen.
Vieles wurde in der sowjetischen Zeit neu gebaut, manches nicht zu Ende gebracht und für manches reichte offensichtlich das Geld nicht aus, um es entsprechend zu pflegen. Trotzdem macht die Stadt an der Ostsee nicht den Eindruck eines untergehenden Schiffes.
Viele junge Menschen waren auf den Straßen unterwegs, gemeinsam, allein, kamen von der Schule oder gingen feiern oder trafen sich einfach mit Freunden. Einer von ihnen kam uns am letzten Abend auf einem elektrischen Einrad entgegen und machte Halt, als er das Georgs-Band an meiner Jacke sah.
Es folgte etwas wie ein Vortrag über die Geschichte des Bandes, über den Sieg der sowjetischen Armee über die deutschen faschisten, der nicht nur ein russischer Sieg, sondern einer aller Völker der Sowjetunion war, über die Politik und Demokratie und noch manches mehr. Der 2. Weltkrieg sei ein Krieg zwischen Kapitalismus und Sozialismus gewesen, erklärte er mir.
Und er, der sich als «Komsomoljez» (Kosmomolze) bezeichnete, zeigte, dass er auch die Gegenwart richtig versteht. So erklärte er auch, dass die Corona-Politik half, den Pharma-Unternehmen die Profite zu sichern, indem sie die Menschen zwang, sich unbekannte Stoffe spritzen zu lassen, was er selbst für sich ablehnte.
Als wir uns dann kurz danach noch einmal sahen und ich ihm sagte, dass ich aus Deutschland komme und seine Sicht auf die Welt teile, freute er sich. Er sagte noch, dass er sich «Che Guevara» nenne und wandte sich dann wieder der Gruppe zu, mit der er sich auf dem Platz des Sieges getroffen hatte.
Diese kleine Begegnung zeigte mir nicht nur, dass die Ideen aus der Zeit der Sowjetunion lebendig geblieben sind. Es war auch ein Beispiel für die Offenheit der Menschen in Russland, wie sie die Reiseteilnehmer mehrfach erlebten.
Es war auf spezielle Weise auch ein Moment der Aufklärung in der Stadt Immanuel Kants, die den 300. Geburtstag des deutschen Philosophen feierte. Das war überall zu sehen neben all den Fahnen, Fotos und Transparenten aus Anlass des 9. Mai, des «Tages des Sieges» über den Faschismus.
Über diese Erlebnisse erfahren Sie in einem ersten Bericht von mir über die Reise etwas mehr. In Kürze werde ich eine längere Reportage über die zehn Tage in den beiden russischen Städten veröffentlichen.
Also: Reisen Sie nach Russland – es lohnt sich in mehrfacher Hinsicht. Es ist auch ein gutes und bildendes Mittel gegen die grassierende Russophobie, gegen politisch und medial verbreiteten Hass und Hetze gegenüber diesem Land. Und hören Sie auf Helmut Schmidt!
Dieser Beitrag erschien zuerst als Begleittext zum Newsletter von Transition News am 18. Mai 2024.