Stoppt die Eskalation! Sorgt für Frieden in der Ukraine – und mit Russland!

Am 27. Februar 2022 soll der Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) im Bundestag eine „historische Rede“ gehalten haben, melden die bundesdeutschen Medien. Das, was ich davon mitbekommen habe, läßt für mich nur das Urteil zu, dass es eine Rede der Schande von historischem Ausmaß war.

Am 28. Februar 2022 am Deutschen Nationaltheater in Weimar, im Vordergrund das Goethe-Schiller-Denkmal

Da hat der bundesdeutsche Kanzler Oaf Scholz (SPD) laut dem Sender N-TV einen „großen Konflikt mit Russland“ angekündigt und darauf eingestimmt sowie der Bundeswehr deshalb zusätzliche 100 Milliarden Euro zugesagt. Diese verbale Kriegserklärung, diese Erklärung der Feindschaft an Russland ist wirklich historisch angesichts der deutschen Geschichte. Es ist eine Schande angesichts der besonderen deutschen Verantwortung gegenüber den Völkern der einstigen Sowjetunion mit ihren 27 Millionen Toten in Folge des faschistischen Vernichtungskrieges.

Laut N-TV brach Scholz mit „alten Gewissheiten“, weil Wladimir Putin ein „russisches Imperium“ errichten wolle. Das geschah, nachdem vor mehr als 50 Jahren mit Willy Brandt ein Vorgänger des heutigen Kanzlers aus derselben Partei gemeinsam mit anderen die „neue Ostpolitik“ auf den Weg brachte. Die hatte als Ziel die Verständigung mit der einstigen Sowjetunion und wollte einen „Wandel durch Annäherung“ erreichen, nicht durch Konfrontation und Eskalation. Nun beerdigt ausgerechnet ein SPD-Kanzler diese Ideen endgültig, an die in den letzten Jahren immer mal wieder erinnert wurde. Sie werden begraben – und Schuld soll „der Russe“ in Gestalt von Russlands Präsident Wladimir Putin selbst sein.

Scholz beerdigt nun diese alten und immer noch aktuellen Ideen. Er kappt alle noch vorhandenen, wenn auch schon massiv reduzierten Verbindungen nach Moskau, die einst aufgebaut und gepflegt wurden. Das begründet er damit, dass Putin „kaltblütig einen Angriffskrieg vom Zaun gebrochen hat“. Der Kanzler lässt dabei „kaltblütig“ die Rolle des Westens und auch der Bundesregierung bei der Entwicklung des Ukraine-Konfliktes und den Geschehnissen in der Ostukraine seit 2014 bis zum Einmarsch russischer Truppen am 24. Februar 2022 außer Acht. Ohne diese Politik, vor allem durch die führenden Kreise der USA durch- und umgesetzt, hätte es diesen Einmarsch nicht gegeben.

Diese Politik, einschließlich der bundesdeutschen, hat viel von einer friedlichen Lösung des Konflikts geredet, aber nichts dafür getan. Sie hat Kiew nicht dazu gebracht, die Forderungen der Minsker Abkommen zu erfüllen und die russischen Warnungen vor den Folgen ignoriert. Dagegen wurde Moskau noch für das Scheitern der von Kiew nicht erfüllten Vereinbarungen verantwortlich gemacht.

Scholz bekam für seine angeblich „historische Rede“ im Bundestag den Berichten nach viel Beifall. Das geschah an dem Ort, wo Putin 2001 dem Westen Kooperation, gemeinsame Sicherheit und wirtschaftliche Zusammenarbeit anbot. Das war nicht das erste Angebot dieser Art aus Moskau und auch nicht das Letzte – sie wurden alle ignoriert und ausgeschlagen. Auch das, das Putins kurzzeitiger Nachfolger Dimitri Medwedjew 2008 machte, als er den Raum der gemeinsamen Zusammenarbeit nicht nur von Wladiwostok bis nach Lissabon begrenzte, sondern bis nach Vancouver ausdehnte. Doch die so erneut ausgestreckte Hand Moskaus wurde ebenfalls geflissentlich übersehen. Immerhin hatte Putin 2007 auf der Münchner Sicherheitskonferenz erstmals deutlich vor den Folgen der westlichen Ignoranz und Arroganz gewarnt.

Der russische Einmarsch in die Ukraine soll endgültig verhindern, dass auch noch dieses Nachbar- und Bruderland in die Nato kommt oder dem westlichen Kriegsbündnis als Aufmarschgebiet gegen Russland zur Verfügung steht. Solches hatte der Kiewer Präsidentendarsteller Wolodymyr Selenskyj gewünscht und angekündigt wie zuvor sein Vorgänger im Amt, der Oligarch Petro Poroschenko. Die Rolle der Kiewer Führung seit 2014 in dem langjährigen Konflikt und dessen Zuspitzung wird von den kriegshetzenden bundesdeutschen Politikern und Medien nicht einmal erwähnt, geschweige denn kritisiert.

Stattdessen werden nun die seit dem Untergang der Sowjetunion 1991 geknüpften Verbindungen zwischen EUropa und Russland entkoppelt, wie es in der „Wiener Zeitung“ am 26. Februar 2022 beschrieben wurde. Die letzten Verbindungen werden abgebrochen, der tiefe Graben zwischen beiden Seiten weiter aufgerissen statt Brücken darüber zu bauen. Das ist nur der Höhepunkt einer negativen Entwicklung eben in diesen mehr als 30 Jahren. Manche Verbindung zwischen Ost und West im Kalten Krieg schien bei aller Konfrontation stabiler. Den Schaden hat nicht nur Russland, sondern auch der gesamte Kontinent vom Ural bis Lissabon, alle dort befindlichen Länder samt ihrer Menschen. Den Nutzen haben nur jene, die auf der anderen Seite des Atlantiks sitzen, in den Schaltzentralen der Macht in den USA.

Es gibt Hinweise darauf, dass die US-Führung sich wieder aus der Ukraine weitgehend zurückzog, in der sie seit 2014 in unheilvoller Weise mitgemischt hat – und so Russland signalisierte, dass es dort selbst die Lage klären könne. Das dürfte aber nicht aus Verständnis für die russischen Sicherheitsinteressen oder als Eingeständnis des eigenen Versagens geschehen sein. Stattdessen wurde das russische Vorgehen samt vorheriger ultimativer Verhandlungsforderungen gebraucht, um Russland und Putin als „Bösewicht“ und „Aggressor“ dastehen zu lassen – vor allem gegenüber den eigenen europäischen Vasallen und den Menschen in diesen Ländern, die auf einen neuen „Großen Konflikt“ eingestimmt werden sollen.

Längst meldeten die transatlantisch orientierten Medien, dass der Westen unter US-Führung eng wie nie zuvor wieder zusammenstehe: „Ohne Amerika ist alles nichts“, verkündete ein Kommentar in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (FAZ) am 27. Februar passend und offen. Die zwischenzeitlichen Zweifel mancher in Europa daran scheinen beseitigt.

Das wird jene in den USA erfreuen, die ihr langfristiges strategisches Ziel nie aufgegeben haben und nie aus den Augen verloren: Dass nach dem Untergang der Sowjetunion 1991 nie wieder ein ähnlicher Konkurrent der US-Vormachtstellung auch nur die Chancen einer Entwicklung haben darf. Und dass Europa und Russland niemals in Ruhe und in Frieden ihre Potenziale gemeinsam entwickeln und durch Zusammenarbeit eigene Unabhängigkeit eben von den USA erreichen können. Das gilt insbesondere für das deutsch-russische Verhältnis, wie der US-Geopolitik-Analytiker George Friedman 2015 in Chicago erklärte. Eine eurasische Zusammenarbeit soll verhindert werden, damit die USA die „einzige Weltmacht“ (Zbigniew Brzezinski) bleiben können.

Dazu darf die bundesdeutsche Politik fast 77 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs endlich jegliche echte und gespielte Rücksicht auf Russland und dessen Sicherheitsinteressen ablegen und auch wieder Waffen für den Kampf gegen die russische Armee liefern. Jetzt werden all die „Russland-Versteher“ und „Putin-Versteher“ beschimpft und beleidigt, die sich auf Brandts Ostpolitik berufen haben. Dabei wären gerade sie angesichts der aktuellen Eskalation notwendiger denn je, um den Konflikt wieder zu entschärfen. Aber schon ihre Warnungen wurden ignoriert. Einer der Architekten der Ostpolitik, Egon Bahr, erklärte 2015: „Ich bin alarmiert, weil nicht auszuschließen ist, dass wir mit den Trümmern der deutschen Ostpolitik konfrontiert werden könnten und bewährte Zusammenarbeit durch Konfrontation abgelöst wird.“ Ausgerechnet sein Parteigenosse, Ex-Jungsozialist Olaf Scholz, gibt nun den endgültigen Zerstörer der einstigen Ideen Brandts und Bahrs.

Die „Russland-Versteher“ und „Putin-Versteher“ stören nur, wie ihnen in bundesdeutschen „Leitmedien“ unverhohlen erklärt wird. Sie behindern nur die endgültige Korrektur der Ergebnisse des Zweiten Weltkrieges und insbesondere des Sieges der Sowjetarmee über das faschistische Deutschland im Mai 1945. Nachdem 1994 der letzte sowjetisch/russische Soldat deutschen Boden verließ, nach fast 50 Jahren, werden nun die letzten wirtschaftlichen, sozialen, gesellschaftlichen Verbindungen zerrissen. Russland wird endgültig wieder aus dem Teil Europas herausgeworfen, den es eigentlich nie betreten sollte. Dass ein deutsche Kanzler dabei eifrig voranmarschiert, wenn auch im US-Auftrag, wird manche hierzulande freuen, die den sowjetischen Sieg über die faschistischen Vernichter bis heute nicht den Siegern verziehen haben.

Nun patrouillieren nicht nur deutsche Kampfflugzeuge mit dem Balkenkreuz und vollbewaffnet an der russischen Grenze – während Deutschland historisch erstmalig nur noch von Freunden umgeben ist, die einst von ihm überfallen wurden. Nun liefert auch die Bundeswehr Waffen an die Feinde Russlands in der Ukraine, jene extremistischen und zum Teil offen faschistischen Kräfte, die nichts wissen wollen von den tiefen historischen Verbindungen beider Länder und Völker. Sie wollen diese am liebsten ausmerzen und vernichten, wie die Schlimmsten von ihnen immer wieder offen kundtun.

Nun führt wieder eine SPD-geführte Bundesregierung verbal Krieg, der zu einem realen werden kann. 1999 hatte eine SPD-geführte Bundesregierung das Nachkriegstabu gebrochen und die erste deutsche Kriegsbeteiligung nach 1945 beschlossen, gegen Restjugoslawien, auch so ein Überbleibsel des Sozialismus. Nun werden alle Brücken zu Russland abgerissen und gesprengt, anstatt neue zu bauen, die Moskau beweisen könnten, dass seine historisch begründeten Sicherheitsinteressen ernst genommen werden und seine Ängste tatsächlich unbegründet sind. Für solche historische Schandtaten lassen sich anscheinend immer wieder ausgerechnet Sozialdemokraten missbrauchen.

Das ist nicht mein Kanzler, der da im Bundestag auf einen „großen Konflikt“ mit Russland einstimmte, sekundiert von einer bündnisgrünen Außenministerin, die ebenfalls von Geschichte keine Ahnung zu haben scheint. Für mich ist dieser Auftritt, diese Rede von Scholz eine Beleidigung des gesunden Menschenverstandes. Und ich sehe das als Schande auch deshalb an, weil mein Großvater mütterlicherseits als deutscher Soldat am 22. Juni 1941 beim faschistischen deutschen Überfall mit in die Sowjetunion einmarschierte. Ich habe ihn nie kennen gelernt – weil er seit Januar 1944 als vermisst gilt, in der Nähe von Kriwoj Rog, auf dem Gebiet der heutigen Ukraine.

Die Menschen in dem konflikt- und kriegsgeschundenen Land, auf die sich nun seit Tagen die bundesdeutschen und westlichen Politikdarsteller und Medien berufen, werden wie alle anderen Opfer dieser Politik nur benutzt. Sie sind nur als Opfer nützlich für die vorgefertigte Anklage gegen Putin und Russland. Für diese Menschen haben sich die selben westlichen Politikdarsteller und Medien in den letzten Jahren kaum interessiert, auch nicht für die Folgen des korrupten Handelns der von ihnen geförderten Kräfte in der Ukraine, einem der ärmsten Länder in Europa. Wenn es um die Menschen dort gehen würde, wäre diese Eskalation des Konflikts, die wir jetzt erleben, vermieden worden.

Angesichts all der deutschen und westlichen Verlogenheit und Demagogie fällt mir wieder ein, was der Maler Max Liebermann im Januar 1933 anlässlich der Machtübergabe an die deutschen Faschisten gesagt haben soll: „Ich kann gar nicht so viel fressen, wie ich kotzen möchte.“ Damals wie heute ist der Anlass weit gefährlicher als nur ein Auslöser für Brechreiz zu sein.

Und wer für Frieden in der Ukraine auf die Straße geht, sollte auch ein Ende der westlichen Konfrontationspolitik gegenüber Russland fordern, die schon viel zu lange geht und nur den Weltmachinteressen der herrschenden Kreise in den USA nutzt. Wer für Frieden demonstriert, sollte sich auch klar gegen die westlichen Waffenlieferungen an die Ukraine wenden, die ihts zu einer Friedenslösung beitragen.

Stoppt die Eskalation! Stoppt die Konfrontation! Sorgt für Frieden in der Ukraine – und mit Russland!

aktualisiert am 28.2.22; 18:30 Uhr