Der Kommunikationswissenschaftler Claus Eurich hat sich in seinem 1991 erschienenen Buch „Die Megamaschine“ mit dem „Sturm der Technik auf das Leben und Möglichkeiten des Widerstandes“ beschäftigt. Was er vor 30 Jahren analysierte, beschrieb und schlußfolgerte ist heute so aktuell wie damals. Eurich beschreibt gesellschaftliche Grundprozesse, die sich auch in der politisch motivierten Covid-19-Pandemie zeigen.
„Die herrschende Politik hastet ratlos durch den Urwald der Bedrohung und mit einem Unverständnis, das nicht allein mit den Schranken instrumenteller Vernunft zu erklären ist. Allerdings muß gesehen werden: die heutigen Parlamente und vor allem die Parlamentarier sind hoffnungslos überfordert. Über alles entscheiden zu müssen und dabei über vieles, das selbst die Experten nicht verstehen, auch das endet schnell in Abgebrühtheit, Ignoranz und natürlich in einer alles überdeckenden, ungeheuren Geschäftigkeit. …
Funktioniert selbst die Verdrängung nicht mehr, werden Sündenböcke gesucht: Menschen und Menschengruppen, manchmal ganze Staaten und Regierungen werden mit dem Problem identifiziert. Aus einer extremen Problemlage werden auf diese Weise Extremisten konstruiert, die man mit Schuld belegen kann und die sich im Gegensatz zum Problem selbst mit den Mitteln der ‘klassischen’ Politik, insbesondere denen des Innenministers, bekämpfen lassen. Schließlich gefährden Extremlagen immer die Stabilität von Herrschaft, dürfen deshalb nicht sein, bzw. den Beherrschten nicht bewußt werden. Und noch immer war in der Geschichte der Erhalt der Herrschaft wichtiger als das Wohl der Menschen.
Politik und Politikfähigkeit im traditionellen Sinne funktionieren also nicht mehr. Mit dem eindimensionalen Machbarkeitsverständnis des 19. Jahrhunderts, daß durch Technik Verursachtes auch mit Technik zu steuern und zu kontrollieren sei, und mit der Problemlösungsmentalität des mittelalterlichen Handwerks läßt sich keine der Bedrohungen verstehen, geschweige denn bekämpfen.“
Aus: Claus Eurich „Die Megamaschine. Vom Sturm der Technik auf das Leben und Möglichkeiten des Widerstands“ Frankfurt am Main 1991; S. 14f.