Gojko Mitic 2006: „Ich wollte nie ein Indianer sein“

Gojko Mitic im März 2006 im Gespräch (Foto: Mario Zeidler)

2006 hatte ich die Möglichkeit, mit dem Schauspieler Gojko Mitic zu sprechen. Er war Hauptdarsteller in allen Defa-Indianerfilmen, die auch mich als Kind begeisterten. Für das Verbandsjournal der Volkssolidarität konnte ich mit ihm ein Interview führen. Der Beitrag war in Heft 3/2006 von „Volkssolidarität – Ihr Journal“ erschienen.

Gojko Mitic spielte von 1966 bis 1984 in zwölf Defa-Filmen als Indianer mit. Er war in „Die Söhne der großen Bärin“ der Häuptling Tokei-ihto. Als Ulzana, Tecumseh oder Osceola kämpfte er gegen räuberische Weiße und für die Rechte der nordamerikanischen Ureinwohner. Der beliebteste Schauspieler des DDR-Kinopublikums spielte auch in anderen Filmen mit und inszenierte selber Filme.

Doch in der Erinnerung vieler bleibt er der heldenhafte Indianerhäuptling. Diese Rolle hat ihn nie losgelassen. Seit 15 Jahren spielt er den Karl-May-Häuptling Winnetou in Bad Seegeberg. Voriges Jahr wurde Gojko Mitic 65. In diesem Jahr, am 10. September, wird er sich von der Freilichtbühne in Bad Seegeberg verabschieden. Vor seiner letzten Saison als Winnetou nahm er sich Zeit für ein Gespräch mit dem Journal der Volkssolidarität.

„Ich wollte nie ein Indianer sein“, gesteht er dabei. Als Kind habe er die US-Western gesehen. Da waren die Indianer die Bösen. „Ich wollte immer ein Cowboy sein, das waren die Guten“, verrät Gojko Mitic. Doch spätestens mit seinen ersten Rollen selber als Indianer wandelte sich seine Haltung. Als Sportstudent, in Jugoslawien geboren und groß geworden, spielte er in den ersten Karl-May-Filmen mit.

Mehr als nur Indianer-Darsteller

Dann entdeckte ihn die Defa für ihren ersten Indianerfilm, „Die Söhne der großen Bärin“. Weil der so gut ankam, wurde er wieder engagiert und der Defa-Chefindianer. Am Ende zog er nicht nur in die DDR. Gojko Mitic begann sich für die Indianer zu interessieren, las die Bücher von Liselotte Welskopf-Henrich und anderen. Heute sagt der Schauspieler:

„Die Indianer lassen mich nicht los. Ich habe dieses Volk schätzen gelernt, lieb gewonnen. Dieses Gedankengut der Indianer hat mich immer fasziniert. Das ist bis heute geblieben.“

Das führte ihn auch zweimal in den vergangenen Jahren zu den heutigen Indianern. Gojko Mitic flog Ende der 90er Jahre das erste Mal zu denen, die er so lange gespielt hatte. In Seattle wurde von einem Indianer empfangen, der die Defa-Filme gesehen hatte: „Der kam auf mich zu, umarmte mich und sagte: ‚My brother!’.“ Er habe viele bewegende Erlebnisse und Begegnungen mit den nordamerikanischen Ureinwohnern gehabt. Sie luden ihn zu traditionellen Zeremonien ein.

Gojko Mitic durfte ihre traditionellen Tänze mittanzen. Indianer überreichten ihm ganz persönliche Geschenke, die er zuhause aufbewahrt. Er sei aufgenommen worden wie einer von ihnen.

„Ich merkte, wie sie sich bestätigt gefühlt haben durch meine Filme. Sie haben darin ihre eigene Geschichte entdeckt.“

Gojko Mitic ist anzumerken, wie ihn das bewegt, wenn er davon spricht. „Ich war total froh und dachte: ‚Das ist gut, dass Du das machst.’“

Nachdenkliche Sicht auf das Leben

Wenn Gojko Mitic erzählt, scheint es, dass er selber ein Indianer geworden ist. Nicht äußerlich, aber in seiner Haltung zum Leben, zur Natur und dem, was er in der Gesellschaft um ihn herum erlebt. „Wir können viel aus der Geschichte dieses Volkes lernen“, sagt er. So würden die Indianer die Erde als ihre Mutter ansehen.

„Doch wir versuchen Raubbau zu betreiben, wir versuchen, sie zu vernichten. Wir vernichten uns doch selbst dabei. Wir begreifen wir gar nicht, was wir machen in dieser Gier nach Besitzen.“

Wir würden erst nachdenken, wenn es zu spät ist, wundert sich Gojko Mitic. Er ist kein politischer Mensch. Aber ihn beschäftigt das, was in dem Land passiert, in dem er seit fast 40 Jahren lebt. „Man beobachtet und sieht, was geschieht.“

Und so bezeichnet er manches als „Schande“. So die Tatsache, dass in einem reichen Land wie diesem Menschen auf Nahrungsspenden einer „Tafel“ oder auf Suppenküchen angewiesen sind. Dass Menschen ohne Dach über dem Kopf leben müssen, damit kommt er nicht klar. „Das sind Sachen, die ein Mensch braucht.“ Gojko Mitic spendet für Obdachlosenprojekte der Volkssolidarität.

Doch er fände es besser, wenn das nicht notwendig wäre, gesteht er. „Das ist eine Sackgasse, das ist kein Weg“, beschreibt er seine Sicht auf die gesellschaftliche Entwicklung.

Bewegung als „Geheimrezept“

Der Schauspieler findet bedauerlich, wie sich hierzulande die Generationen zueinander verhalten. „Die Alten stören uns heutzutage.“ Auch das sei bei den Indianern anders, kommt er wieder auf die Vorbilder für seine Rollen zurück.

65 ist für Gojko Mitic kein Alter, um sich zur Ruhe zu setzen. „Das interessiert mich nicht. Das ist nur ein Datum. Man fängt wieder von vorn an. So geht es mir jetzt.“ Er fühle sich fit wie vor 30 Jahren. Sein „Geheimrezept“:

„Bewegung ist wichtig. Das ist wirklich das A und O.“

Wichtig sei, sich im Alltag bewegen. „Zum Beispiel zum Einkaufen fahre ich nicht mit dem Auto, sondern mit dem Fahrrad. Das ist schon eine Bewegung, da habe ich schon etwas getan. Der Mensch braucht das.“ Gojko Mitic weiß: „Diesen Alterungsprozess kann keiner von uns aufhalten.“ Aber mit Bewegung ließe er sich „ein bisschen verschieben“.

Hörtip: Gojko Mitic Was ist das Leben? Indianische Texte und Gedanken“ – Hör-CD mit 16 Texten über indianische Ansichten und Weisheiten.