Mit rund 400 Flughafentestern wird wöchentlich an zwei Tagen für den Flugbetrieb am neuen Hauptstadtflughafen Berlin-Brandenburg „Willy Brandt“ (BER) in Berlin-Schönefeld geübt. Es gibt keine großen Probleme mehr, ist sich Flughafenchef Engelbert Lütke Daldrup sicher. Er gab am Donnerstag ausländischen Medien Auskunft über den Stand der Dinge.
Der erste reguläre Start eines Passagierflugzeuges vom neuen Hauptstadtflughafen Berlin-Brandenburg „Willy Brandt“ (BER) in Berlin-Schönefeld soll am 31. Oktober dieses Jahres erfolgen. Der Termin ist aus Sicht des dafür Verantwortlichen, Engelbert Lütke Daldrup, sicher. Das erklärte er am Donnerstag gegenüber Korrespondenten ausländischer Medien. Daldrup ist seit 2017 Geschäftsführer der Betreibergesellschaft Flughafen Berlin Brandenburg Gmbh (FBB) und damit auch des BER.
Der 1996 geplante Flughafen hat eine Geschichte voller großer Pläne, ebensolcher Probleme und Skandale sowie mehrerer Startverschiebungen hinter sich. Mit Blick auf den 31. Oktober sagte Daldrup im Gespräch: „Wir sind uns sicher. Die Infrastruktur ist fertig. Das Gebäude wurde im April nach einem dreijährigen intensiven Prüfprozess von den Behörden final frei gegeben.“ Gegenwärtig werde das BER-Hauptgebäude, das Terminal 1, umfangreich getestet, in dem mit Komparsen der Passagierbetrieb geübt wird.
Das erste Flugzeug, das Ende Oktober als Erstes regulär in vom neuen Hauptstadtflughafen abheben soll, wird eines der Billigfluglinie Easy Jet sein. Dabei ist der BER kein Billigflughafen, sondern mit sechs Milliarden Euro inzwischen mehr als doppelt so teuer als geplant. Die Lufthansa, die größte deutsche Fluglinie, wird erst im November ihre Flugzeuge vom BER regulär abheben lassen, kündigte Daldrup an. Ab 8. November sollen dann alle Füge mit Startort Berlin nur noch vom BER aus erfolgen.
Freiwillige Flughafentester
Derzeit testen jeweils dienstags und donnerstags etwa 400 Freiwillige unentgeltlich den Normalbetrieb des Terminal 1. Sie gehen seit Anfang Juli alle Stationen von Check In bis zur Abfertigung am Gate durch – dort können sie aber mit ihren Flugkarten nicht in ein reales Flugzeug einsteigen. Damit sollen nicht nur das Gebäude mit seinen Räumen, Gängen, Schaltern und Kontrollen getestet, sondern ebenso die entsprechenden Prozesse einschließlich der Fehlersuche. Die Korrespondenten vom Verein der ausländischen Presse in Deutschland (VAP) hatten am Donnerstag die Möglichkeit, diesen testbetrieb zu beobachten und den BER von innen kennen zu lernen.
FBB-Geschäftsführer Daldrup ist sich sicher, dass keine großen Fehler mehr gefunden werden, die die mehrmals verschobene Premiere wieder verschieben könnten. „Wir sind jetzt dabei, einen fertigen Flughafen in Betrieb zu nehmen“, sagte er. Das erfolge in einem sechsmonatigen Prozess „sehr sorgfältig und auch sehr kleinteilig“. Es gehe um solche Fragen, ob die Wege genügend ausgeschildert seien, ob die Passagiere die Hinweisschilder verstehen und auch, ob alles wie vorgesehen läuft, wenn Sicherheitsprobleme im Normalbetrieb auftreten.
Angesprochen auf die vorherigen Probleme, Skandale und Startverschiebungen seit 2012, sagte Daldrup den Korrespondenten, er wolle kein Urteil über die Arbeit seiner Vorgänger abgeben. Er hatte 2017 die Aufgabe als FBB-Geschäftsführer übernommen und damals den endgültigen Start für 2020 angekündigt. Dass das eingehalten wird, wurde angesichts der Vorgeschichte lange Zeit nicht für möglich gehalten, von Kritikern wie von der Bevölkerung.
Erfolg durch Strenge
Gelungen sei es dank der „Strenge, mit der wir bestimmte Prinzipien im Projekt durchgesetzt haben“, verriet Daldrup den Korrespondenten dann doch. Dazu gehöre auch die „kleinteilige Arbeit“ an den vielen Einzelproblemen, wie er auch gegenüber Sputnik erklärte. Zuvor habe sich unter anderem als Problem erwiesen, dass während des Baus immer wieder Änderungen am BER-Projekt vorgenommen worden seien. Zugleich hätten sich die Verantwortlichen zu wenig Zeit für das Projekt genommen. Deshalb habe er dann als Geschäftsführer ab 2017 durchgesetzt, dass die Planungen wie beschlossen umgesetzt und nicht mehr verändert werden.
Für ihn sei die Dauer von den Planungen 1996 bis zum nunmehrigen Starttermin in diesem Jahr gar nicht so überraschend lang. Beim Münchner Großflughafen „Franz Josef Strauß“ seien es von 1962 bis 1992 30 Jahre gewesen. Zudem sei es innerhalb der Europäischen Union aufgrund der Vielzahl der betreffenden Regelungen immer schwerer, solche Großprojekte umzusetzen. Das sei in anderen Ländern mit zentralistisch geführten Gesellschaften anders. Das sagte Daldrup zu den immer wieder angestellten vergleichen mit Flughafenprojekten in China oder der Türkei.
Der FBB-Geschäftsführer ist stolz auf die Arbeit, die alle Beteiligten am BER seitdem geleistet haben. Auch Patrick Muller, Betriebsleiter Operations der FBB, ist sich sicher, dass der Start nun am 31. Oktober erfolgt, wie er sagte. Der gebürtige Franzose übernahm vor zwei Jahren diese Aufgabe und hatte zuvor schon andere internationale Flughafenprojekte an den Start gebracht.
Zusammenarbeit als Lösung
Auch beim BER sei das nun dadurch gelungen, dass alle Beteiligten nach vielen Problemen gemeinsame Lösungen gesucht hätten. Muller nannte gegenüber den Korrespondenten das Beispiel des Brandschutzsystems, das beim BER im Brandfall nicht über das Dach, sondern über die Seiten funktionieren soll. Das notwendige Zusammenspiel mit den anderen Sicherheitssystemen habe lange Zeit nicht funktioniert. Als er 2012 in anderer Funktion den BER gesehen habe, sei ihm klar gewesen, dass die damals bereits geplante Eröffnung nicht möglich sei.
„Ja, ich bin mir sicher, dass wir am 31. Oktober in Betrieb gehen können“, sagte Muller nun im Gespräch. Die Systeme des BER von der Türsteuerung bis zur Gepäckabfertigung würden alle wie gefordert funktionieren. Derzeit würden noch Probleme bei der Beschilderung und der Orientierung für die Fluggäste behoben, was mit Hilfe des Probetriebes erfolge. „Wir müssen noch an Servicepunkten arbeiten wie zum Beispiel Ladestationen für Handys und Endgeräte“, nannte er überschaubare Aufgaben.
Eine seiner größten Aufgaben sei vor zwei Jahren gewesen, es diesmal zu schaffen. Er sei von den Mitarbeitern immer wieder danach gefragt worden, erinnerte sich der BER-Betriebsleiter. Er habe zuvor bereits eine ähnliche Situation an einem anderen Flughafen erlebt. Dabei sei die Eröffnung nur wenige Stunden vor dem regulären Flugbetrieb abgesagt worden.
„Ich wusste also, wie es sein kann, wenn die Mitarbeiter so enttäuscht sind, weil sie so lange auf ein Ziel hingearbeitet haben, dass dann im letzten Moment abgesagt wurde.“ Deshalb habe er selbst auf Geduld und Taten durch schrittweises Vorgehen gesetzt.
Angesprochen auf die Verwunderung, dass ein solches Projekt gerade in Deutschland so lange dauert, sagte der gebürtige Franzose, dass das für ihn „eine merkwürdige Situation gewesen sei“. Er habe viele Jahre bereits in Deutschland gearbeitet, aber ebenso im Ausland. „Ich habe Berlin immer verfolgt und konnte nicht verstehen, was das Problem ist und weshalb dieser Flughafen nicht eröffnet wird.“
Corona-Krise als Gefahr
Er könne sich aber kein Urteil erlauben, da er erst seit zwei Jahren vor Ort sei. Er habe sich aber auch wegen seiner internationalen Reputation gut überlegt, ob er diese Aufgabe, den BER fertig zu stellen, übernimmt. Nach mehreren Gesprächen mit der Geschäftsführung sei er aber sicher gewesen, „dass es diesmal klappen würde. Einer der Gründe dafür ist, dass man ganz klar analysiert hat, was die Probleme sind und welche Fehler in der Vergangenheit gemacht wurden und die kann man die korrigieren. Es gab einen ganz klaren Plan.“ In diesen habe er dann seine Erfahrung eingebracht.
Die Pläne für den BER wurden durch die Corona-Krise erneut durcheinander gebracht. Das traf nicht nur den Probebetrieb, der erst verschoben und dann verringert werden musste, um die Hygienebestimmungen einhalten zu können. So dürfen die Testpassagiere nur mit Abstand und Masken die Stationen durchlaufen. Auch die einst geplanten Passagierzahlen von deutlich mehr als 20 Millionen werden nun nicht erreicht.
„Da die Fluggesellschaften derzeit ‚auf Sicht‘ fliegen, wissen wir derzeit nicht, für wie viele Fluggäste wir tatsächlich den Eröffnungstag planen müssen“, sagte Muller dazu. FBB-Chef Daldrup verwies auf Sputnik-Nachfrage darauf, dass der internationale Passagierluftverkehr fast zwei Monate lang lahm gelegt war. „Im Jahr 2019 hatten wir 35,6 Millionen Passagiere, exakt 100.000 Fluggäste pro Tag. Im April und Mai hatten wir 1.000 Gäste am Tag.“
Derzeit würden etwa wieder 25 Prozent des normalen Verkehrs im alten Flughafen Berlin-Schönefeld und in Berlin-Tegel erreicht. Daldrup rechnet damit, dass an diesem Wochenende erstmal wieder mehr als 30.000 Fluggäste in Berlin abfliegen und ankommen. „Alle in der Airline-Branche gehen davon aus, dass die Durststrecke bis zum Jahr 2023 reichen wird. Wir wären froh, wenn wir im nächsten Jahr zwei Drittel von Normal hätten.“
Folgen über Jahre
Zu den Folgen für die Berliner Flughäfen gehört, dass die Hälfte der Beschäftigten in Kurzarbeit ist und dass 400 der rund 2.170 Stellen in den nächsten Jahren abgebaut werden sollen. Daldrup hat von der Politik finanzielle Unterstützung für den BER gefordert. Er verwies dazu gegenüber Sputnik darauf, dass die Flughafengesellschaft derzeit kaum Einnahmen habe und die Lufthansa mit neun Milliarden Euro unterstützt werde.
So viel fordere er nicht, „aber wir werden auch in diesem Jahr einen Betrag zwischen 200 Millionen und 300 Millionen Euro benötigen, damit wir die Verluste halbwegs ausgleichen können. Wir haben uns selber ein strenges Sparprogramm auferlegt, mit Stellenabbau und Kurzarbeit. Wir schieben Investitionen und versuchen, Dienstleistungsverträge aufzulösen und Leistungen selber zu erbringen. Wir werden Jahre brauchen, um uns aus dem Tal wieder herauszuarbeiten.“
Somit dürfte der nunmehr für den 31. Oktober geplante Start des neuen Hauptstadtflughafens BER nicht der in eine rosige Zukunft sein. Wenn nun alles funktioniert, wird sich noch zeigen, ob er tatsächlich auf Dauer gebraucht wird. Einst hatte schon die DDR in den 1960er Jahren große Pläne für das „Luftkreuz Schönefeld“, samt eines Flughafens ähnlich dem jetzigen BER, auch mit unterirdischem S- und Fern-Bahnhof.
Daraus wurde damals nichts und der „Zentralflughafen Berlin-Schönefeld“ fiel deutlich spärlicher aus. Aber bis heute ist er in Betrieb, als Teil der FBB, und soll als Terminal 5 auch für den BER weiter genutzt werden. 2013 hatte der Siemens-Vorstandschef Joe Kaeser angesichts der zahlreichen Probleme des Flughafen-Projektes erklärt:
„Das ist kein Problem, den braucht im Augenblick eh keiner.“
Laut Süddeutscher Zeitung meinte Kaeser damals, es reiche durchaus, wenn der Airport erst in fünf bis zehn Jahren aufmachen würde. Das soll nun eher geschehen – ob der BER tatsächlich gebraucht wird, muss sich erneut zeigen.