Ist die Maskenpflicht noch sinnvoll und hilfreich? War die Panikmache wegen des Virus Sars-Cov-2 berechtigt? Ist das Virus, das laut Weltgesundheitsorganisation WHO die Krankheit Covid-19 auslöst, wirklich neu? Der Schweizer Immunologe Beda Stadler hat sich zu diesen und weiteren Fragen geäußert und gängigen Antworten darauf widersprochen.
Deutliche Zweifel an den Anti-Corona-Maßnahmen in der Schweiz äußert mit Beda Stadler einer der renommierten Immunologen des Landes. „Warum wurde die Maskenpflicht zu einem Zeitpunkt eingeführt, als kein Anstieg an Corona-Fällen ersichtlich war?“, fragt er in der aktuellen Ausgabe der Schweizer Wochenzeitung „Die Weltwoche“. Ebenso will er wissen, warum kurz vor den eingeführten Gratistests mehr getestet wurde, so dass der Eindruck eines Anstieges entstand. Und er fragt, warum den Medien nicht widersprochen wird, die aus jedem Corona-Fall eine „Ansteckung“ machen.
Stadler zweifelt nicht nur an der seit 9. Juli in der Schweiz wieder geltenden Maskenpflicht, sondern auch an der Test-Strategie der Schweizer Behörden. Die Verunsicherung sei groß, stellt er fest. Das könne „noch ewig so weitergehen. Falls man nämlich weiter so intensiv testet, wird es kaum je weniger positive Resultate geben.“
Der Immunologe betont:
„Es gehört zwar zum Lehrbuchwissen, dass ein positiver Test nicht gleichbedeutend ist mit einer Ansteckung. Aber Wissen hilft nur, wenn man es auch nutzt.“
Er macht darauf aufmerksam, dass die meisten PCR-Tests zum Nachweis des Virus Sars-Cov-2 eine Fehlerquote von mehr als einem Prozent haben. Das habe unter anderem ein Ringversuch ergeben, an dem zahlreiche Labore beteiligt waren.
Maskentragen als Glaubensbekenntnis
Das hat laut Stadler konkrete Folgen:
„Wir müssen demnach davon ausgehen, dass die Mehrzahl der sogenannten Corona-Fälle seit dem 24. Juni ‚falsch positiv‘ sind. Denn auf 158.075 Tests kamen 1461 positive Resultate – was ziemlich genau der Fehlerquote von einem Prozent entspricht.“
Statt die Ergebnisse zu überprüfen, habe der herbeigeredete Anstieg angeblicher Infektionen dazu geführt, „dass anscheinend über 70 Prozent der Bevölkerung eine Maskenpflicht im ÖV befürworten. Die frühere Maskenskepsis ist aus unerfindlichen Gründen verflogen“.
Stadler ist sich aber sicher, dass diese nüchterne Betrachtungsweise die Maskenpflicht nicht aushebeln kann.
„Die Gesichtsverhüllung ist längst eine Art Glaubensbekenntnis. Selbst die Ungläubigen werden weiterhin ihre Masken überziehen, da schließlich niemand als Asozialer gebrandmarkt und aus dem Zug geschmissen werden will.“
Schon zuvor hatte er eigene Aussagen aus den ersten Wochen der Covid-19-Pandemie korrigiert. Diese war am 11. März von der Weltgesundheitsorganisation WHO ausgerufen worden. Der Schweizer Bundesrat hatte am 16. März die „außerordentliche Lage“ gemäß Epidemiengesetz erklärt und damit den sogenannten Lockdown des gesellschaftlichen Lebens eingeleitet. Ab 11. Mai wurden einzelne Maßnahmen schrittwiese gelockert.
Panik als Nährboden für Irrtümer
Immunologe Stadler zog bereits am 10. Juni in der „Weltwoche“ eine „schonungslose Bilanz“ und erklärte „Warum alle falsch lagen“. Darin gestand er ein:
„Ich könnte mich selber ohrfeigen, weil ich das Virus Sars-Cov-2 viel zu lange mit Panik im Nacken betrachtet habe.“
Er ärgere sich auch etwas über viele seiner Fachkollegen, „die bislang die Diskussion rund um Covid-19 den Virologen und Epidemiologen überlassen haben“.
In dem Text kritisierte Stadler „einige der hauptsächlichen und komplett falschen Aussagen rund um dieses Virus“ deutlich: So sei es falsch, zu behaupten, Sars-Cov-2 sei ein neues Virus.
„Noch falscher war es, zu behaupten, es bestehe in der Bevölkerung keine Immunität gegen dieses Virus.“
Als „Krönung der Dummheit“ bezeichnete er Aussagen, Menschen könnten symptomlos an Covid-19 erkranken und ohne Symptome andere anstecken.
So war unter anderem bei „Zeit online“ Ende März zu lesen: „Es reicht für eine Ansteckung, dass Leute in einem Raum sitzen und reden oder sich draußen im Gespräch direkt gegenüberstehen. Und das, ohne dass einer von beiden überhaupt Symptome hätte.“ Eine Forschergruppe um den Berliner Virologen Christian Dorsten hatte in einer umstrittenen Studie zur Frage, ob Kinder ansteckend seien, behauptet: „Wir schlussfolgern, dass ein erheblicher Anteil infizierter Personen aller Altersgruppen – auch unter denen mit keinen oder milden Symptomen – eine Viruslast trägt, die wahrscheinlich Infektiosität bedeutet.“
Sars-Cov-2 als saisonales Erkältungsvirus
Der Schweizer Immunologe Stadler widerlegt solche Aussagen. So schreibt er, die bei dem Ende 2019 in China angeblich erstmals aufgetauchten Virus Sars-Cov-2 gefundene Gensequenz habe dessen Verwandtschaft mit den bisher bekannten Corona-Viren gezeigt. In der aktuellen Suche nach einem Impfstoff gegen Covid-19 gebe es wissenschaftliche Arbeiten, „die aufzeigen, dass dieses sogenannte neue Virus stark verwandt ist mit Sars-1 sowie mit anderen Betacoronaviren, unter denen wir jedes Jahr in der Form von Erkältungen leiden.“
Sars-Cov-2 sei also gar nicht so neu, stellte Stadler fest, „sondern eben ein saisonales Erkältungsvirus, das mutiert hat und wie alle anderen Erkältungsviren im Sommer verschwindet – was jetzt auch fast überall auf der Welt beobachtbar ist“. In einem Interview mit der Schweizer „Sonntagszeitung“ hatte er Ende Mai erklärt, dass Covid-19 für den „ganz großen Teil der Bevölkerung eine harmlose Krankheit“ und „nur für ganz wenige eine echte Gefahr“ sei.
Vielen käme zugute, dass sie sich bereits früher mit älteren Corona-Viren angesteckt hätten, was sie nun gegen Sars-Cov-2 schütze. Das sagt seit langem nicht nur der deutsche Lungenarzt Wolfgang Wodarg, der dafür angefeindet wurde. Wodarg habe mit seinen Aussagen zur Immunität Recht, sagte Stadler gegenüber der „Sonntagszeitung“, auch wenn er „definitiv“ kein Wodarg-Anhänger sei.
Unbeachteter Fakt und verärgerte Tierärzte
Auf einen bis heute kaum beachteten Aspekt in dem Zusammenhang machte der österreichische Virologe Christoph Steininger von der Med-Uni Wien Anfang Februar gegenüber der Zeitung „Der Standard“ aufmerksam: In China kursierte nicht nur das Wuhan-Virus, sondern auch die Influenza, beides Infektionen mit ähnlichen Symptomen.
Steininger habe anhand der Daten des Flu-Net der Weltgesundheitsorganisation WHO festgestellt, dass die saisonale Influenza in China zufälligerweise „genau zeitgleich“ mit der von dem vermeintlich neuen Virus ausgelösten Covid-19 Mitte Dezember vorigen Jahres ausgebrochen zu sein scheint. Der Virologe meinte gegenüber dem Blatt:
„Zwei Wochen, um zu erkennen, dass es sich um verschiedene Erkrankungen handeln könnte, ist sehr kurz.“
Er äußerte aber keine Zweifel an den Angaben aus China.
Der Immunologe Stadler schrieb, dass sich viele Tierärzte über die Behauptung von einem völlig neuen Virus geärgert hätten. Sie würden schon seit Jahren Impfstoffe gegen Corona-Viren bei Katzen, Hunden, Schweinen und Rindern verwenden. Das widerspreche auch der von WHO und Virologen verkündeten besonderen Gefährlichkeit von Sars-Cov-2, was mit der angeblich fehlenden Immunität bei Menschen begründet wurde.
Virus wird vom Immunsystem erkannt
Er selbst habe das anfangs auch geglaubt, auch weil er unter anderem dem US-Regierungsberater Anthony Fauci dabei vertraut habe.
„Der Groschen fiel bei mir erst, als ich realisierte, dass der erste kommerzielle Antikörpertest aus einem alten Antikörper bestand, der eigentlich Sars-1 erkannte.“
Selbst aus einem Lama seien Antikörper isoliert worden, „die gleichermassen Sars-1, Sars-CoV-2 und das Mers-Virus erkennen. Zudem wurde bekannt, dass in China an Orten, wo Sars-1 gewütet hatte, Sars-CoV-2 weniger Unheil anrichtete.“
Das seien „klare Befunde, die zwingend nahelegen, dass unser Immunsystem zumindest Sars-1 und Sars-CoV-2 als teilweise identisch betrachtet“. In diese Richtung weist auch eine Studie, von der die österreichische Nachrichtenagentur APA kürzlich berichtete:
„Körpereigene Immunabwehrzellen – sogenannte T-Zellen – können erstaunlich weite Teile des neuen Sars-Cov-2-Virus erkennen. Das fand ein internationales Wissenschaftlerteam um die Tiroler Forscherin Daniela Weiskopf vom La Jolla Institute for Immunology (LJI) in Kalifornien heraus.“
Stadler weist auf ähnliche Erkenntnisse eines Teams von der Charité in Berlin von Mitte April hin. Danach hätten bei 34 Prozent der Berliner, die nie Kontakt gehabt hatten mit dem Sars-Cov-2-Virus, die sogenannten T-Zellen – ein Bestandteil des Immunsystems – auf das angeblich neue Virus reagiert.
„Das heisst, unsere T-Zellen, also weisse Blutkörperchen, erkennen gemeinsame Strukturen auf Sars-CoV-2 und den normalen Erkältungsviren und bekämpfen somit beide.“
„Immunitätsleugner“ ignorieren Erkenntnisse
Der Schweizer Immunologe kritisierte in der „Weltwoche“ Epidemiologen, weil sie der These von der fehlenden Immunität geglaubt haben. Sie hätten ebenso, dass Corona-Viren saisonale Erkältungsviren sind und im Sommer verschwinden.
„Nachdem die anfänglichen Worst-Case-Szenarien nirgendwo aufgetreten sind, klammern sich manche nun noch an Modelle, die das Auftreten einer zweiten Welle voraussagen. Lassen wir ihnen diese Hoffnung – ich habe noch nie einen Wissenschaftszweig gesehen, der sich selber derart ins Abseits manövriert hat.“
Er vertraue „einem natürlichen Modell, nämlich dem menschlichen Organismus, der ein erprobtes und lernfähiges Immunsystem ausgebildet hat“. Dagegen sei den „Immunitätsleugnern“ der gesunde Menschenverstand abhandengekommen. Sie würden ignorieren, dass die meisten derjenigen, die positiv auf Sars-Cov-2 getestet wurden, nicht krank wurden. Deshalb sei behauptet worden, Menschen könnten infiziert und als „stille Träger“ das Virus in sich haben und weitergeben, ohne selbst krank zu werden.
„Der nächste Witz, den gewisse Virologen verbreitet haben, war die Behauptung, dass diese symptomlos Kranken trotzdem andere Menschen anstecken könnten. Diese ‚gesunden‘ Kranken würden im Rachenraum so viele Viren beherbergen, dass bei einer normalen Unterhaltung zwischen zwei Menschen der eine ‚Gesunde‘ den anderen Gesunden anstecke.“
Gegen Panikmache mit „gesunden“ Kranken
Stadler beschrieb, dass Viren im menschlichen Körper sich reproduzieren, wobei sie menschliche Zellen zerstören. Dadurch werde das Immunsystem des Körpers alarmiert, was sich in einer Entzündung äußere. Zu deren Grundsymptomen gehöre der Schmerz, erinnerte der Immunologe. Allerdings sei es verständlich, wenn sich leidende Covid-19-Patienten nicht an das erste Kratzen im Hals erinnern könnten und glaubten, sie hätten anfangs keine Symptome gehabt.
„Daraus als Arzt oder Virologe eine Story von ‚gesunden‘ Kranken zu machen, die Panik verursacht und oft ein Grund war für strengere Lockdown-Maßnahmen, zeigt, wie schlecht der Witz in Wirklichkeit war. Wenigstens hat die WHO die Behauptung der asymptomatischen Ansteckung nicht übernommen und zweifelt diese Behauptung sogar auf ihrer Website an.“
Die von Drosten mitentwickelten und weltweit eingesetzten PCR-Tests könnten aber selbst bei immunen Menschen Bestandteile von Sars-Cov-2 nachweisen. „Der Test wird so lange positiv sein, bis keine Trümmer des Virus mehr vorhanden sind.“ Zudem werde durch die PCR-Methode „ein kleines Stück des viralen Genmaterials im Test genügend vervielfältigt“. Stadler schrieb, dass mutmaßlich eine große Zahl der täglich gemeldeten Infizierten auf dem Aufspüren von Virustrümmern beruhen.
„Das Virus ist erstmal weg“
Aus seiner Sicht sorgt die vorhandene sogenannte Grundimmunität gegenüber Sars-Cov-2 dafür, dass die normalerweise zu erwartenden Vorgänge bei Erkrankten anders ablaufen. Bei Menschen mit einem schwachen Immunsystem, zum Beispiel Ältere oder durch die soziale Situation Geschwächte, könnten die körpereigenen T-Zellen zu einer überschießenden Immunreaktion führen. Dieser von Stadler beschriebene Effekt wurde bereits mehrfach von Ärzten berichtet, die Covid-19-Patienten behandeln.
Gegenüber der „Sonntagszeitung“ hatte er mit Blick auf andere Länder erklärt, „dass das Virus nur dort hart zuschlägt, wo schlechte soziale Voraussetzungen herrschen und das Gesundheitssystem marode ist“. In Ländern wie Brasilien und USA treffe das Virus insbesondere Schwache vor allem in Gebieten, „wo viele Menschen falsch ernährt oder unterernährt sind und keinen Zugang zur Medizin haben“. Auch in Norditalien gebe es entsprechende schlechte Voraussetzungen.
Der Schweizer Immunologe meinte in seinem „Weltwoche“-Beitrag im Juni, das Virus Sars-Cov-2 sei in Europa „erst mal weg“. Auch französische und italienische Mediziner, die Covid-19-Erkrankte behandelt hatten, äußerten bereits, das Virus spiele klinisch keine Rolle mehr.
„Wahrscheinlich wird es im Winter zurückkommen, das wird aber keine zweite Welle sein, sondern eben eine Erkältung.“
Entschuldigung für Panikmache gefordert
Er fügte hinzu:
„Wer als gesunder junger Mensch derzeit mit einer Maske herumläuft, sollte deshalb gescheiter einen Helm tragen, da das Risiko, dass einem etwas auf den Kopf fallen könnte, grösser ist als eine schwere Erkrankung an Covid-19.“
In seinem jüngsten „Weltwoche“-Beitrag empfiehlt er, die Maskenpflicht schnell wieder abzuschaffen: „Es war eine gute Trockenübung. Taucht mal wieder ein gefährliches Virus auf, kann jeder sein Lieblings-Lümpchen hervorholen, um etwas gegen die eigene Panik zu unternehmen.“
Im Mai hatte er sich bereits dafür ausgesprochen, probeweise Großveranstaltungen wie Open-Air-Konzerte oder Sportveranstaltungen im Freien wieder zuzulassen: „Im Freien ist die Ansteckungsgefahr fast null, solange man sich nicht berührt“, so der Immunologe. Die Daten würden zeigen, dass die Krise nicht nur in der Schweiz, sondern in ganz Europa vorbeisei.
Um die Pandemie unter Kontrolle zu halten, reiche eine Strategie aus, die über 65-jährigen Risikopersonen vernünftig zu schützen, schrieb Stadler in der „Weltwoche“ im Juni. Ein erneuter Lockdown sei nicht notwendig:
„Zurück auf dem Weg zur Normalität, würde es uns Bürgern jetzt guttun, wenn sich einige Panikmacher entschuldigen würden.“