Einsam, aber zufrieden und ohne Angst um Gesundheit – Studie über psychische Lage in Corona-Krise

Wie wirken sich die Corona-Krise und die Beschränkungen des öffentlichen Lebens für die Psyche der Menschen aus? Nehmen Ängste und Depressionen zu und wie steht es um die Sorge um die eigene Gesundheit? Eine erste Auswertung vorhandener Daten bringt erstaunliche Ergebnisse für den ersten Monat der Beschränkungen und Kontaktsperren.

Die Bundesbürger haben den ersten Monat des Anti-Corona-Lockdowns, den April dieses Jahres, psychisch besser verkraftet als erwartet. Sie fühlen sich einer Studie zufolge zwar mehr einsam als vorher, aber waren wie vorher weitgehend mit ihrem Leben zufrieden und machten sich eher wenig Sorgen um ihre Gesundheit. Das meldet das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) Berlin am Dienstag. Die Wirtschaftsforscher berufen sich auf erste Ergebnisse der SOEP-CoV-Studie, die seit dem 30. März Bundesbürger zu ihrer beruflichen und familiären Situation sowie ihrer Gesundheit im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie befragt.

„Die Eindämmungsmaßnahmen im Zuge der Corona-Ausbreitung haben das Leben vieler Menschen in Deutschland grundlegend geändert“, heißt es im DIW-Material. Aber das habe sich im April, nach den ab 23. März geltenden massiven Beschränkungen des gesellschaftlichen Lebens, „nicht so negativ auf das Wohlbefinden und die psychische Gesundheit der in Deutschland lebenden Menschen ausgewirkt hat wie bisher angenommen“. Die in Deutschland lebenden Menschen würden „eine beachtliche Resilienz gegenüber dem Lockdown“ zeigen: „Ihre Lebenszufriedenheit und ihr Wohlbefinden ändern sich kaum.“

Die Resilienz beschreibt die psychische Widerstandsfähigkeit in Krisensituationen. Allerdings würden sich infolge der Anti-Corona-Maßnahmen immer mehr Menschen einsam fühlen, so die DIW-Forscher. Das sei eine Folge der Beschränkungen des öffentlichen Lebens und der Kontaktsperren, die im April den ersten vollen Monat galten. Mit dem Begriff Einsamkeit werde der Unterschied zwischen gewünschten und tatsächlich vorhandenen sozialen Beziehungen beschrieben, wird im DIW-Papier erklärt.

Frauen und junge Menschen als soziale Risikogruppen

Besonders Frauen und junge Menschen seien davon betroffen, heißt es:

„Zwar sind sowohl Frauen als auch Männer während des Lockdowns im April 2020 einsamer als in den Vorjahren, bei Frauen nimmt die Einsamkeit jedoch deutlich stärker zu als bei Männern. Betrachtet man die unterschiedlichen Altersgruppen, zeigt sich: Fast alle sind während des Lockdowns einsamer als in den Vorjahren. Aber besonders einsam sind die jüngsten, also die Menschen unter 30 Jahren.“

Andererseits würden der Studie nach die Bundesbürger in allen Altersgruppen und sozialen Schichten unverändert weitgehend zufrieden mit ihrem Leben sei. Der entsprechende Wert von 7,4 (in einer Skala von 4 bis 20) halte sich auf dem Niveau des Jahres 2019. Ähnlich sei es beim emotionalen Wohlbefinden, während die Werte für Depressions- und Angstsymptome deutlich zugenommen hätten.

Die DIW-Forscher machen auf den erstaunlichen Umstand aufmerksam, dass den Untersuchungen zufolge Personen mit niedrigerem Einkommen sich im April als zufriedener mit ihrem Leben zeigten als solche mit hohem Einkommen. Und:

„Überraschenderweise zeigt sich außerdem, dass sich die in Deutschland lebenden Menschen während des Lockdowns seltener große Sorgen um ihre Gesundheit machen und insgesamt zufriedener mit ihrer Gesundheit sind als in den Jahren zuvor.“

Der Anteil derjenigen, die sich große Sorgen um die eigene Gesundheit macht, sei im April dieses Jahres deutlich gesunken, von 19 Prozent 2019 auf zehn Prozent.

Dauer der Krise entscheidend für Folgen

Die Wissenschaftler vom DIW deuten das so, dass die Menschen ihre eigene Lage im Zusammenhang der Pandemie und einer möglichen eigenen Erkrankung besser bewerten und „damit relativ gesehen zufriedener sind beziehungsweise sich weniger Sorgen um ihre Gesundheit machen“. Sie betonen aber zugleich, dass die Folgen der Maßnahmen weiter beobachtet werden müssen, da anhaltende Einsamkeit Ursache vieler psychischer Erkrankungen sei. Es sei denkbar, dass die gestiegene Einsamkeit sich langfristig auf das Wohlergehen und die psychische Gesundheit der in Deutschland lebenden Menschen auswirke.

„Obwohl es also im April 2020 weniger Grund zur Sorge gibt als bisher angenommen, sollten Wohlbefinden und psychische Gesundheit der in Deutschland lebenden Menschen aufgrund der unklaren zukünftigen Entwicklung der Krise und ihrer unsicheren Auswirkungen auf die soziale und wirtschaftliche Situation der in Deutschland lebenden Menschen weiter beobachtet werden“, heißt es in dem DIW-Papier.

Die psychischen Folgen der Corona-Krise und der politisch verordneten Maßnahmen könnten sich erst verzögert zeigen, warnen die Autoren. Im April seien viele Arbeitsplätze durch Kurzarbeit und Hilfspakete des Bundes und der Länder gesichert worden, sodass für viele Menschen kein akuter Arbeitsplatzverlust gedroht habe.

Unterstützung für Frauen und Jüngere notwendig

Die Wissenschaftler befürchten: „Sollten zukünftig trotz der verschiedenen Maßnahmenpakete viele Arbeitsplätze durch die Krise verloren gehen, könnten auch die wirtschaftlichen Sorgen und Ängste in der Bevölkerung steigen – und mit ihnen möglicherweise auch die psychischen Belastungen, das Wohlbefinden und die Lebenszufriedenheit.“

Sie verweisen auf entsprechende Folgen der Finanz- und Wirtschaftskrise Mitte der 2000er Jahre. Aus Sicht der DIW-Forscher müssen in der Corona-Krise soziale Risikogruppen wie Frauen und Jüngere besser unterstützt werden.

„Insbesondere müssen die Perspektiven für junge Menschen in und nach der Krise im Auge behalten werden. Die vorliegenden Ergebnisse zeigen deutlich, dass es sich bei ihnen zwar nicht in Bezug auf die Krankheit Covid-19, sehr wohl aber in Bezug auf die sozialen Folgen der Pandemie um eine Risikogruppe handelt.“