„Tag des Sieges“ in Berlin – Ein Tag des ehrenden Gedenkens und friedlichen Feierns

Beitrag gemeinsam mit Armin Siebert

Offizielle Kranzniederlegungen an den Ehrenmälern in Berlin, der große Empfang in der Botschaft Russlands und ein Volksfest in Berlin-Treptow – das und mehr hat den „Tag des Sieges“ in der bundesdeutschen Hauptstadt geprägt. Menschen aller Generationen, aus Deutschland, Russland und anderen Ländern haben den Sieg gefeiert und der Opfer gedacht.

Der russische Botschafter Sergej Netschajew vorne rechts mit Amtskollegen aus den ehemaligen Sowjetrepubliken

Still wirkte der Treptower Park mit dem Sowjetischen Ehrenmal am Mittwochmorgen, dem „Tag des Sieges“, in diesem Jahr, 73 Jahre nach dem Sieg der Roten Armee über die deutschen Faschisten. „Im Morgengrauen war es noch still“ – so lautet der Titel des Buches von Boris Wassiljew. Es erzählt die Geschichte vom Schicksal von fünf Frauen in der Roten Armee im Großen Vaterländischen Krieg.

Nach und nach wurde es am Mittwoch um das Ehrenmal mit dem Soldaten mit dem Fuß auf dem zerschlagenen Hakenkreuz und dem geretteten Kind auf dem Arm lauter – vom friedlichen Gewimmel der Menschen, die an diesem Tag kamen, um der gefallenen Soldaten zu gedenken und den Frieden zu feiern. Auch Schüler und Lehrer der Deutsch-Russischen Schule in Berlin-Mitte kamen, um am Tag des Sieges zu gedenken und zu erinnern.

Veteranen und Diplomaten

Wladimir Swatikow hat im Großen Vaterländischen Krieg von Anfang an als Soldat der Roten Armee gekämpft und kam bis Prag. Am Mittwoch gehörte der heute 97jährige zu den sowjetischen bzw. russischen Veteranen, die am sowjetischen Ehrenmal in Berlin-Tiergarten der Gefallenen gedachte und den Tag des Sieges begingen. Begleitet von seiner Familie legte er Blumen nieder und gab kurze Interviews. Russlands Botschafter Sergej Netschajew begrüßte ihn persönlich und dankte ihm.

Der russische Diplomat legte im Stadtbezirk Tiergarten und am sowjetischen Ehrenmal in Berlin-Treptow Kränze nieder. Das geschah gemeinsam mit seinen Amtskollegen aus den ehemaligen Sowjetrepubliken und heutigen GUS-Staaten und diplomatischen Vertretern anderer Staaten wie Mongolei, Serbien, Venezuela und Indien. Neben ihren Kränzen lagen an den beiden Ehrenmälern auch die der USA und Großbritanniens, des Landes Berlin, der Jüdischen Gemeinde und der Partei Die Linke, ebenso einer des AfD-Bundestagsabgeordneten Robby Schlund.

Kränze und Bedauern

Auch die Bundesregierung ließ einen Kranz am Ehrenmal in Treptow niederlegen. Brigitte Queck vom Verein „Mütter gegen den Krieg Berlin-Brandenburg“ würde ein persönliches Erscheinen der Bundeskanzlerin Angela Merkel allerdings mit gemischten Gefühlen sehen:

„Auf der einen Seite wäre das ein schönes Zeichen. Auf der anderen Seite wäre das aber ein bisschen heuchlerisch, da ja die Bundeskanzlerin noch nicht einmal zum 70 Jahrestag des Sieges über den Faschismus in Moskau war.“

Sigmund Jähn, DDR-Kosmonaut und erster Deutscher im Weltall, ist jedes Jahr zum 9. Mai im Treptower Park, wie er Sputnik verriet. Aus seiner Sicht hat der Kontakt mit sowjetischen Menschen die Ostdeutschen geprägt hat:

„Diejenigen, die zusammen mit russischen Soldaten Kartoffeln ausgebuddelt und bei der Ernte geholfen haben und mit Sowjetmenschen einen guten Umgang pflegten, für die ist es traurig zu erleben, wie sich das Verhältnis Deutschlands zu Russland verschlechtert hat.“

Erinnerungen und Fragen

Neben Jähn, der seinen Orden als „Held der Sowjetunion“ an der Brust trug, schritt Hans Modrow, die Stufen zum imposanten Sowjetischen Ehrenmal in Treptow empor. Der vorletzte DDR-Ministerpräsident und heutige Vorsitzende des Ältestenrates der Linkspartei sagte:

„Gerade in dieser Zeit, wo die Kriegsgefahr wieder wächst, erinnert uns der 9. Mai daran, dass Europa erst 1945 durch den Sieg der Sowjetarmee zusammen mit den Alliierten Kräften vom Faschismus befreit wurde. Und zweitens bin ich hier, um wieder zu fragen: ‚Meinst du, die Russen wollen Krieg?‘ Ich meine, sie wollen keinen.“

Menschen aller Generationen und verschiedener Herkunft waren vor allem wieder nach Treptow gekommen, um am Gedenken teilzunehmen und den Tag des Sieges zu feiern. Mit einem stimmgewaltigen dreifachen „Urrrrrraaaa“ machten die „Nachtwölfe“ aus mehreren Ländern auf sich aufmerksam. Die russischen Biker waren gemeinsam mit Freunden aus Serbien, Polen, Tschechien und auch aus Deutschland wieder wie in den letzten Jahren zu den Ehrenmalen in Berlin gekommen, um der Gefallenen zu gedenken und den Sieg vor 73 Jahren zu feiern.

Biker und Reservisten

Die „Nachtwölfe“, die von deutschen Medien gern als gefährlich dargestellt werden, zeigten in Treptow vor wem sie Respekt haben: Bereitwillig machten sie auf der Treppe zum sowjetischen Ehrenmal Platz für die Veteranen der sowjetischen Armee. Als diese wieder herunterkamen begleitete sie ein lautes „Spasibo“ (deutsch: Danke) der Biker in ihren Lederklüften und mit ihren Fahnen.

Auf Einladung der Russischen Botschaft hatte der Reservistenverband der Bundeswehr eine Delegation zu den Ehrenmälern in Treptow und Tiergarten entsandt. Mit der militärischen Ehrenbezeigung ehrten sie die Gefallenen der Roten Armee. Oberstleutnant Ralph Göhlert bedauerte gegenüber Sputnik, dass der 9. Mai in Deutschland kein Feiertag  ist: „Ich denke, dann würden wir diesem besonderen Tag besser Rechnung tragen können, als das im Moment der Fall ist, denn wir alle müssen hierfür einen Tag Urlaub nehmen.“

Priester und Fahnen

An der feierlichen Kranzniederlegung am Ehrenmal im Tiergarten nahm eine Delegation der Russischen Orthodoxen Kirche in Deutschland teil. Deren Erzpriester Andrej Sikojev schließt in sein Gedenken an  diesem Tag nicht nur die gefallenen Soldaten ein:

„Es ist Tradition, heute der gefallenen Krieger zu gedenken, derjenigen, die für ihr Volk und ihr Vaterland ihr Leben gegeben haben. Wir schließen an diesem Tag aber auch diejenigen ein, die in den Zwangsarbeiter- und Konzentrationslagern in Deutschland und ganz Europa ermordet wurden – allein in Deutschland wurden zwei Millionen Sowjetbürger zu Tode gequält. Und wir gedenken auch derjenigen, die in diesen Jahren unschuldig in den Gulag verbracht wurden und dort zu Tode kamen.“

Das „unsterbliche Regiment“, das an die Veteranen des Krieges, an all jene Soldaten, die starben oder den Krieg überlebten, erinnert, zog auch in diesem Jahr durch das Brandenburger Tor im Herzen Berlins.  Es zog an einem renovierten PKW der sowjetischen Marke „Pobjeda“ (deutsch: Sieg) vorbei zum Ehrenmal im Tiergarten. Die Teilnehmenden trugen russische und sowjetische Fahnen und erinnerten mit Fotos an die Veteranen, oft Familienmitglieder.

Botschaftsempfang und Volksfest

Nach dem offiziellen Gedenken an den beiden Ehrenmälern lud Russlands Botschaft zum großen Empfang aus Anlass des Tages des Sieges in ihr Gebäude Unter den Linden ein. Dem folgten zahlreiche Persönlichkeiten auch der bundesdeutschen Gesellschaft. Zu den Gästen gehörte Egon Krenz, der vor letzte DDR-Staatsratsvorsitzende und SED-Generalsekretär. Er kritisierte gegenüber Sputnik den aktuellen Russlandkurs der Bundesregierung:

„Ich bedaure sehr, dass die deutsche Außenpolitik eine nicht freundliche Politik gegenüber Russland betreibt. Schon Bismarck meinte, Deutschland ging es immer am besten, wenn es sich gut mit Russland stand. Der deutsche Außenminister wäre gut beraten, nach diesem Grundsatz zu verfahren. Ich hoffe sehr, dass der anstehende Besuch der Bundeskanzlerin in Russland wieder etwas Befriedung in die deutsch-russischen Beziehungen bringt.“

Am Nachmittag gab es am Ehrenmal in Berlin-Treptow die „Demonstration des Friedens – Gegen das Vergessen“. Bei dieser, veranstaltet von der Berliner Unterstützergruppen der „NachDenkSeiten“, traten unter anderem die Journalisten Ken Jebsen, Wolfgang Bittner und Gaby Weber als Redner statt. Kurz zuvor begann im Treptower Park nahe dem Sowjetischen Ehrenmal das inzwischen traditionelle Volksfest „Wer nicht feiert, hat verloren!“. Das wird seit Jahren von der Basisorganisation 8. Mai der Berliner Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA) seit vielen Jahren gemeinsam mit anderen antifaschistischen Gruppen organisiert. Ein deutsch-russisches Kulturprogramm mit Bühne zählt ebenso dazu wie Informations- und Bücherstände, russische Küche und russisches Bier.

Es seien in diesem Jahr deutlich mehr Menschen schon bei den offiziellen Gedenkfeierlichkeiten dabei gewesen, berichtete ein Mitarbeiter der russischen Botschaft. Ebenso hätten sich mehr ausländische Medien angemeldet, um über den „Tag des Sieges“ in Berlin zu berichten. Das Fest in Berlin-Treptow wurde gleichfalls stärker besucht, so dass es lange gedauert haben wird, bis es wieder still wurde im Park mit dem Ehrenmal.