„Karl Marx, die Liebe und das Kapital“ – nicht mehr und nicht weniger verspricht ein Roman, den Klaus Gietinger passend zum 200. Geburtstag des großen deutschen Wirtschaftswissenschaftlers vorgelegt hat. Im Interview spricht Gietinger über das Buch und die widersprüchliche Persönlichkeit Marx.
Seit Jahren beschäftige er sich mit Karl Marx, sagt Klaus Gietinger im Sputnik-Interview. Er ist Drehbuchautor, Filmregisseur und Soziologe. Einer seiner jüngsten Filme ist die in der ARD gezeigte Dokumentation über die Saarländerin Helena („Lenchen“) Demuth, die als Hausmädchen bei der Familie Marx arbeitete und sie ins Londoner Exil begleitete. Mit dieser habe der große Denker ein uneheliches Kind gezeugt, erzählt der Regisseur.
Nach seinem Studium der Werke von Marx habe er sich in den letzten Jahren mit dessen Privatleben beschäftigt. Eigentlich sollte ein Film daraus werden, der aber aus Geldmangel nicht zustande kam. So schrieb Gietinger einen Roman. „Das Allermeiste ist nicht erfunden, sondern tatsächlich passiert“, erklärt er dazu. „Ich habe die Werke studiert. Ich habe die Briefe von ihm, von Friedrich Engels, von seiner Frau und seinen Kindern studiert. Also das Meiste ist nicht erfunden.“ Nur einige Dialoge habe er sich ausgedacht.
Widersprüchliche Persönlichkeit
Angesprochen auf die Widersprüchlichkeiten der Person Karl Marx, verweist der Regisseur auf dessen Theorien über das Geld und die Bewegungsgesetze des Kapitals.
„Er selber konnte aber nicht mit Geld umgehen. Bei ihm hat es nie gereicht. Als er mit seiner Familie nach England, nach London fliehen musste, ist er erst in bitterste Armut gekommen. Aber dann hat er doch durch Zeitungsartikel und hauptsächlich seinen Freund Engels Geld bekommen, aber mit diesem Geld dann nicht wirtschaften können.“
Widersprüchlich an Marx sei ebenso gewesen, dass er laut Gietinger „sehr treu“ gegenüber seiner Frau Jenny war – „das war seine große Liebe“. Doch dann habe er eine Affäre mit seinem Hausmädchen Lenchen Demuth gehabt und mit ihr ein uneheliches Kind gezeugt. Das sei nicht nur gegenüber seiner Frau vertuscht worden, sondern auch von jenen, die sich später politisch auf Marx beriefen.
Treuer Ehemann mit unehelichem Kind
In der kommunistischen Bewegung wurde später oft gegen die bürgerliche Ehe und für die freie Liebe geschrieben und geredet. Marx‘ Freund Engels sei genau dieser Meinung gewesen, so Gietinger. „Der wollte nie heiraten und hat die Ehe als Zwang bezeichnet. Der war das, was heute als ‚Womanizer‘ genannt wird.“
Marx habe die bürgerliche Ehe ebenfalls nicht als ideal angesehen, sei aber dennoch ein „sehr treuer Ehemann“ gewesen. Seine Frau, eine ehemalige adlige von Westphalen, habe ihn sehr stark unterstützt. „Die zwei hatten eine lebenslange Liebe zueinander.“ Er sei ein Mann des 19. Jahrhunderts gewesen, sagt der Regisseur über den berühmten Deutschen. Marx sei für die Gleichberechtigung der Frau gewesen, „aber im Privaten war er in seinen Ansichten, was heute als chauvinistisch bezeichnet wird“. Doch bei seinem Blick in die Zukunft sei für ihn klar gewesen, dass die Emanzipation notwendig ist.
Vorausgesagte Globalisierung und ausgebliebenes Ende
Für Gietinger ist vieles von dem, was Marx geschrieben hat, heute weiter aktuell. Das gelte vor allem für das „Kommunistische Manifest“. Das sei einfacher zu lesen als beispielsweise das Hauptwerk „Das Kapital“. Im Manifest hätten Marx und Engels die Globalisierung vorausgesagt, und dass der Kapitalismus die Welt beherrschen wird. Auch, dass dessen einziges Ziel der Profit ist. „So ist es im Moment in der Welt“, meint Gietinger.
„Er hat auch gesagt, dass der Kapitalismus an eine Grenze kommen wird. Manche haben das so interpretiert, als würde das sehr schnell gehen. Auch Marx war wohl der Ansicht, dass es relativ schnell gehen wird. Aber er hat auch immer gesagt: Man braucht dazu eine bewusste Proletarierklasse, eine klassenbewusste Arbeiterschaft, die als Totengräber das Kapitalismus diesen beseitigt. Das ist nicht eingetreten.“
Gietinger will seinen Film über das Hausmädchen der Familie Marx erweitern. Deshalb fuhr er am Freitag nach Trier, der Geburtsstadt von Marx. Dort treffen sich am Samstag zum ersten Mal die Nachfahren der Familie Marx und der Familie Demuth, so der Regisseur. Von der Marx-Statue aus China, die am Samstag in Trier enthüllt wird, halte er wenig, nicht nur aus ästhetischen Gründen. Das Reich der Mitte, das sich kommunistisch nennt, sieht er eher als „extrem kapitalistisch“. Gietinger bezweifelt, ob in Peking die Lehren von Marx tatsächlich vertreten und weiterentwickelt werden.
Klaus Gietinger: „Karl Marx, die Liebe und das Kapital“
Westend Verlag 2018; 352 Seiten Hardcover; ISBN 978-3-86489-204-2; 22 Euro