Mehrheiten gegen Angriffe auf Syrien – Bundesregierung weiß von nichts

Berlin verweigert Angaben zu den angeblichen Erkenntnissen über den behaupteten Chemiewaffeneinsatz am 7. April in Syrien. Das hat eine Sprecherin der Regierung am Mittwoch erklärt. Sie kennt auch nicht die Umfragen, laut denen eine Mehrheit der Deutschen gegen Raketenangriffe auf Syrien ist. Dafür beharrt Berlin auf seinen Vorwürfen gegen Moskau.

Die Bundesregierung weiß nichts darüber, was die Bevölkerungsmehrheit in der Bundesrepublik von westlichen Angriffen auf Syrien hält. Über entsprechende Ergebnisse einer Umfrage dazu hatte das Onlinemagazin „Spiegel online“ am Sonntag berichtet. Laut „ZDF-Politbarometer“ vor dem jüngsten Angriff war mehr als die Hälfte der Deutschen dagegen. Auch die „Bild am Sonntag“ (BamS) veröffentlichte bereits 2017 ähnliche Daten.

„Ich kenne diese Umfrageergebnisse nicht und kann sie deswegen auch nicht kommentieren.“ Das erklärte Ulrike Demmer, stellvertretende Regierungssprecherin, am Mittwoch auf meine Nachfrage während der Regierungspressekonferenz.

Unbekannte Mehrheiten

Laut einer repräsentativen Umfrage von „Spiegel online“ und dem Meinungsforschungsinstitut Civey lehnen 59,9 Prozent der Deutschen das Vorgehen der amerikanischen, britischen und französischen Regierungen ab oder eher ab. Das hatte das Onlinemagazin berichtet. Nur 30,8 Prozent der Befragten hätten dem Vorgehen zugestimmt oder eher zugestimmt, hieß es. 9,3 Prozent wären unentschieden.

Das „ZDF-Politbarometer“ hatte am Freitag vor dem Angriff gemeldet, 58 Prozent der Befragten meinten, „dass ein stärkeres militärisches Eingreifen der USA und westlicher Verbündeter generell eher zu einer Verschärfung des Konflikts in Syrien führen würde“. Nur sieben Prozent würden erwarten, dass das helfe, den Konflikt zu lösen.

2017 hielten laut einer Emnid-Umfrage nur 26 Prozent der Deutschen den ersten US-Angriff im April des Jahres für richtig, wie damals die „BamS“ gemeldet hatte. 80 Prozent der Befragten waren damals der Meinung, dass der Angriff eine einmalige Aktion der USA bleiben sollte. Nur neun Prozent seien für weitere Luftschläge gewesen.

Ignorierte Fragen

Die erste Frage dazu, warum die Bundesregierung solche Mehrheitsmeinungen in der eigenen Bevölkerung übergeht, ignorierte die stellvertretende Regierungssprecherin anfangs. Erst auf Nachfrage gestand sie ihr Nichtwissen ein. Ähnlich verhielt es sich bei der Frage, warum die Bundesregierung in ihrer offiziellen Erklärung vom Sonntag zu dem jüngsten Angriff diesen als verantwortungsgerecht sowie als „erforderlich und angemessen“ bezeichnet hat. Sputnik wollte wissen, ob diese Einschätzung korrekt ist, wenn die abgefeuerten Raketen den Berichten zufolge gegen syrische Chemiewaffenlabore, -anlagen und -lager gerichtet waren. Ebenso, ob damit die Gefahr einer Umweltkatastrophe und entsprechender Folgen für die Menschen in der Umgebung in Kauf genommen worden sei.

„Ich teile schon die Ihren Fragen zugrundeliegenden Fakten nicht“, erklärte Demmer interessanterweise auf die Nachfrage dazu. Sie könne keine Details zu diesen offiziellen Angaben der Angriffsziele und „auf die konkrete Situation hin keine Analyse“ liefern.

Eigene Sichten

Bereits zuvor hatte die Sprecherin der Bundesregierung deren ganz eigene Sicht der Fakten und Realität, auf die sie sich gern beruft, bekräftigt. Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte Russland Meldungen zufolge am Dienstag sogar als mitverantwortlich für den angeblichen Giftgaseinsatz am 7. April bezeichnet. Eine Sputnik-Frage nach der entsprechenden Faktengrundlage dafür wurde nicht beantwortet. Stattdessen warf Demmer Moskau erneut vor, im UN-Sicherheitsrat beim Thema Syrien zu blockieren und eine frühzeitige Untersuchung des behaupteten Chemiewaffeneinsatzes im syrischen Duma verhindert zu haben.

Die Vize-Sprecherin wiederholte die Aussagen Merkels, „alle vorliegenden Erkenntnisse sprechen dafür, dass es sich am 7. April um einen Chemiewaffeneinsatz handelte und dass das syrische Regime für diesen Einsatz verantwortlich ist“. Warum diese angeblichen Erkenntnisse und Beweise nicht öffentlich gemacht werden, beantwortete Demmer so: „Wir teilen die Erkenntnisse, die wir teilen können.“ Sie ignorierte den Hinweis, dass sich Berlin dem Verdacht aussetzt, zu lügen. Sputnik wies dabei darauf hin, dass inzwischen selbst westliche Journalisten aus Duma berichten, dort keine Spuren und Opfer eines Chemiewaffeneinsatzes gefunden zu haben.

Ähnlich erging es dem freien Journalisten Tilo Jung, der von der Bundesregierung wissen wollte, ob sie ihre aus Paris übermittelten Erkenntnisse und „angeblichen Beweise“ des behaupteten Chemiewaffeneinsatzes der Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW) gemeldet habe. Außenamtssprecherin Maria Adebahr verwies lediglich auf „sehr ernstzunehmende Hinweise“, die die Bundesregierung habe, und wiederholte die Rede von angeblichen Erkenntnissen über den bisher unbewiesenen Chemiewaffenangriff.