Ein Gespenst geht um in Europa: Der rechte „Populist“ Steve Bannon aus den USA. Er gilt als Mann hinter dem Wahlsieg des US-Präsidenten Donald Trump 2016. Seit diesem sind vor allem die westeuropäischen transatlantisch orientierten Eliten verunsichert. Bannon ist derzeit in Europa unterwegs und hat am Dienstag in Zürich gesprochen.
Ein „Mann von hoher rhetorischer Feuerkraft, aber recht beschränktem intellektuellem Kaliber“ – so beschrieb die „Neue Zürcher Zeitung“ (NZZ) am Mittwoch Steve Bannon. Der Ex-Trump-Berater ist bei seiner aktuellen Europa-Tour am Dienstag in Zürich aufgetreten. Eingeladen hatte ihn die Schweizer Wochen-Zeitschrift „Weltwoche“.
Etwa 1500 Zuhörende erlebten Berichten zufolge im Züricher Stadtteil Oerlikon eine anderthalbstündige Veranstaltung aus Vortrag und Scheingespräch mit „Weltwoche“-Chefredakteur Roger Köppel als Stichwortgeber. Dabei gab Bannon „Parolen wie vor konservativen US-Wählern auf dem Land“ zum Besten, berichtete das Schweizer Onlinemagazin „Watson“ am Dienstag. Allerdings habe das sympathisierende Publikum nicht alle Ansichten des ehemaligen Trump-Wahlberaters geteilt, habe eine Umfrage ergeben.
Publikum in feinem Zwirn
Laut dem Magazin saßen in der großen Halle in Oerlikon vor allem Männer – „keine ‚blue collar workers‘ oder ‚rednecks‘ aus Alabama“. „Die meisten waren in feinem Zwirn gekleidet. Beliebtes Accessoire war das Einstecktuch in der Jackett-Brusttasche.“ Bannon nehme jedoch keine Rücksicht darauf, wer ihm zuhört. Er habe wenig Überraschendes geboten: „Die Mainstream-Medien sind böse, die Migration schädlich, die Chinesen eine Gefahr und die Agenda der ‚Globalisten‘ schadet der Arbeiterklasse und Mittelschicht.“ Die Kernbotschaft von Bannon lautet „Watson“ zufolge: „Das ‚Volk‘ erhebe sich überall und wolle seine Souveränität wieder zurückgewinnen. So zuletzt in Italien, wo Bannon am Wochenende den Ausgang der Wahlen freudig mitverfolgt hatte.“
Beifall bekam Bannon laut Berichten vor allem, als er die Clintons als korrupt und Viktor Orbàn in Ungarn als „Held“ bezeichnete und erklärte, die EU in Brüssel sei zu weit weg von Europas Völkern. Aber: „Dort, wo es um die US-Strafzölle für Stahl ging, war ihm der Saal weniger hold.“ Und: „Als Bannon Angela Merkel erwähnte – ‚Donald Trump respects her‘ – gab es Buh-Rufe aus dem Publikum.“
Angst vor Marxismus
FAZ-Berichterstatter Oliver Kühn schien angetan von Bannons Auftritt in zerknautschten Hosen, ausgebeultem Jackett und mit unrasiertem Gesicht: „Was wirklich in ihm steckt, eröffnet sich dem Zuhörer, wenn er spricht. Sympathisch, humorvoll, einnehmend redet er rund dreißig Minuten auf diesem ‚Free Speech Summit‘.“ Dessen Botschaft sei in Zürich auf fruchtbaren Boden gefallen: „Das ‚System‘, wie es jetzt sei, könne so nicht fortbestehen. Es werde eine populistische nationalistische Revolte geben und auch Unruhen. Das liege daran, dass die arbeitende Bevölkerung, verunglimpft als ‚deplorables‘, nicht mehr dazu bereit sei, sich von der ‚permanenten politischen Klasse‘ unterbuttern zu lassen.“
In Bannons düsterer Weltsicht sei diese Revolte dringend notwendig, so Kühn, „ansonsten drohe ein ‚Marxismus‘, der alles zerstören werde, wofür die Mittelschicht geschuftet habe“. Letztere Angst ist eines der Elemente, die die vermeintlichen populistischen Demagogen vom Schlage Bannons und der AfD mit jenen verbindet, denen sie am meisten nützen. Und so rief der Ex-Trump-Berater laut NZZ dann auch aus: „Die populistische Welle ist nicht vorbei, sie steht erst am Anfang. Die Geschichte ist auf unserer Seite.“
„Wirre Ideen und krude Theorien“
In Bannons Vorstellungswelt existieren laut der Zeitung „nur zwei antagonistische Gruppen“: „die Arbeiterklasse und das Establishment, das er gerne als die ‚Davos-Partei‘ verunglimpft – eine vaterlandslose Elite von Bankern, Lobbyisten, Wirtschaftsberatern und Parteifinanciers“. Und „wie es für Demagogen seines Schlages typisch ist“, behauptete Bannon dem Blatt aus Zürich zufolge: „Um die kleinen Leute aus den Klauen dieser ausbeuterischen Schicht zu befreien, brauche es eine Rebellion an den Urnen.“
Viele seiner Ideen würden „wirr wirken“, meinte die NZZ: „Im Zentrum seines ‚Lösungskonzept‘ steht die Forderung, eine dreifache ‚Erniedrigung‘ des Menschen – durch Notenbanken, zentralistische Regierungen und datensammelnde Konzerne – zu beenden. Dabei sieht er das Heil unter anderem in Kryptowährungen.“ Bannon habe sich in Zürich „als Anhänger einer kruden historischen Theorie“ geoutet. Nach dieser verlaufe die Geschichte in regelmäßigen Zyklen. „Entsprechend werde in den nächsten zehn bis zwanzig Jahren eine große Umwälzung erfolgen, für die sich Amerika wappnen müsse“, zitierte ihn die NZZ, die feststellte: „Das ist politische Scharlatanerie.“
AfD-Politikerin traf Bannon
„Watson“-Berichterstatter Christoph Bernet macht darauf aufmerksam, dass im Publikum „zahlreiche Vertreter eben jener ‚Globalisten‘“ saßen, die Bannon verbal angriff. „Die Tribüne des Saals war den Mitgliedern des ‚Efficiency Clubs‘ vorbehalten, dessen Claim ‚Wirtschaft im Dialog‘ lautet. Er hat seinen Sitz am noblen Zürcher Rennweg und hat der ‚Weltwoche‘ dabei geholfen, die Kosten für die Saalmiete und die Gage des Anti-Globalisten Steve Bannon finanziell zu stemmen.“
Dieser scheinbare Widerspruch zwischen dem selbsternannten Kämpfer für die „einfachen Menschen“ Bannon und jenen, die das Geld für seine Auftritte geben, ist allerdings kein Widerspruch. Er zeigt, wem der rechte Populismus tatsächlich am meisten nützt. Dazu passt, dass sich die Vorsitzende der AfD-Fraktion im Bundestag, Alice Weidel, vor der Veranstaltung in Zürich mit Bannon traf. Das meldete unter anderem die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ (FAZ) unter Berufung auf die Nachrichtenagentur DPA.
„Aus Weidels Büro hieß es, für sie seien besonders Bannons Erfahrungen mit politischer Kommunikation und alternativen Medien interessant gewesen“, so die FAZ am Dienstag. Was dabei nicht erwähnt wurde: Weidel ist Mitglied der Friedrich A. von Hayek-Gesellschaft. „Die Hayek-Gesellschaft spielt eine führende Rolle bei der ideologischen Ausrichtung und Koordinierung einer Vielzahl neoliberaler Denkfabriken und Netzwerke“, schreibt die Organisation „Lobby Control“. Wer redet noch darüber, dass hinter Steve Bannon, Donald Trump und der rechtsorientierten Internet-Plattform „Breitbart News“ gleichermaßen solche wie der Hedgefonds-Manager Robert Mercer und seine Tochter Rebekah stecken? Auf dieses „Geflecht aus Macht und Geld“ hatte die FAZ im Januar immerhin hingewiesen.
Deutsche Besucher – wenig Gegendemonstranten
Solche Informationen zeigen, was von dem vermeintlichen Populismus eines Bannon und von Organisationen wie der AfD zu halten ist, die sich angeblich für das von den Eliten beherrschte Volk einsetzen. Das Etikett „national-konservativ“ passt wohl besser: Die Machtstrukturen und Besitzverhältnisse sollen erhalten bleiben, also konserviert werden. Gleichzeitig soll der Unmut der Menschen über die von den Eliten verursachte soziale Spaltung in Nationalismus und völkischen Chauvinismus umgelenkt werden.
„Im Saal waren nicht nur Schweiz-Fans, sondern auch Besucher aus Deutschland“, berichtete „Watson“. „Im Foyer war ein Kamerateam der ‚Jungen Freiheit‘ unterwegs, einer Publikation der Neuen Rechten. Angereist waren auch Anhänger der AfD.“ Den Berichten nach demonstrierten etwa 100 Menschen vor der Halle in Zürich-Oerlikon gegen den Auftritt Bannons. Die FAZ entdeckte nur einen seiner Gegner: „Der Einzige, der mit Bannon nicht übereinstimmte, schien im Nieselregen vor der Halle zu stehen: Ein einsamer Demonstrant mit einem Schild – ‚Nazi go Home‘.“