Niedrige Löhne und viel Industrie im Westen sowie ländliche Regionen mit älterer Bevölkerung im Osten – diese Faktoren haben 2017 der AfD bei der Bundestagswahl geholfen. Das zeigt eine aktuelle Untersuchung der sozialen Lage in den Wahlkreisen. In östlichen Grenzregionen Sachsen und Bayerns zeigt sich eine ausländerfeindliche Grundeinstellung.
Sie leben häufiger auf dem Land und sind meist älter – das sind die typischen Wähler der Alternative für Deutschland (AfD) bei der Bundestagswahl 2017. Das hat das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) herausgefunden und in seinem neuesten Wochenbericht veröffentlicht. Es gebe aber regionale Unterschiede: „In Westdeutschland war die AfD in Wahlkreisen stark, in denen die Einkommen niedrig sind und viele Beschäftigte in der Industrie arbeiten“, erklärte das DIW am Mittwoch. „Im Osten in Wahlkreisen mit hohem Anteil an Älteren und mit hoher Dichte von Handwerksbetrieben.“
DIW-Präsident Marcel Fratzscher, Christian Franz und Alexander Kritikos haben die Wählersturkur untersucht. Dabei haben sie laut der Pressemitteilung das Wahlergebnis der AfD mit ökonomischen und soziodemografischen Faktoren der Wahlkreise verglichen. Eines der Ergebnisse: „Bestimmte Merkmale, zum Beispiel die Arbeitslosenquote oder der Anteil an nichtdeutschen Bürgerinnen und Bürgern im Wahlkreis, scheinen hierbei kaum eine Rolle zu spielen.“ Bestimmte ausgeprägte Muster seien dagegen in Westdeutschland anders als in Ostdeutschland.
AfD-Erfolg in dünn besiedelten und überalterten Wahlkreisen
„Im Westen ist die AfD in Wahlkreisen stark, in denen das verfügbare Haushaltseinkommen unter dem Bundesdurchschnitt liegt und der Anteil an Beschäftigten im verarbeitenden Gewerbe überproportional hoch ist“, stellt DIW-Forscher Kritikos fest. „Im Osten schneidet die AfD in Regionen mit einem überdurchschnittlich hohen Anteil an Menschen über 60 Jahren sowie in Regionen mit einer hohen Dichte an Handwerksbetrieben gut ab.“ Er verweist darauf, dass Landstriche mit anteilig überproportional vielen Handwerksbetrieben tendenziell dünner besiedelt seien. Das Fazit: Die AfD habe 2017 besonders gute Ergebnisse in dünn besiedelten und überalterten Wahlkreisen erreicht.
Für Mitautor Franz zeigt sich:
„Die AfD ist eben nicht die Partei der Arbeitslosen, der Einkommensschwachen oder der Ostdeutschen, die Realität ist vielschichtiger.“
Er betont laut Pressemitteilung, dass sich die Untersuchung hat sich mit sozialen und ökonomischen Strukturen beschäftigt habe, nicht mit individuellen Wahlentscheidungen und den Motivationen.
Laut DIW-Angaben können die untersuchten Faktoren in einigen Wahlkreisen das AfD-Ergebnis nicht abbilden, so besonders in den in östlichen Grenzregionen in Sachsen und in Bayern. Die Autoren hätten deshalb das Ergebnis der NPD bei der Bundestagswahl 2013 herangezogen, um diese Ausreißer in den AfD-Zweitstimmenergebnissen abzubilden: „Tatsächlich besteht ein bedingt positiver Zusammenhang zwischen dem Zuspruch für die NPD vor vier Jahren und höheren Stimmanteilen für die AfD im Jahr 2017.“ Das habe sich besonders im Osten Deutschlands gezeigt.
Politik soll Regionen lebenswerter machen
Bestimmte Faktoren würden im Zusammenhang mit dem sinkenden Zuspruch für die etablierten Parteien und mehr für Stimmen für die AfD stehen, meint DIW-Präsident Fratzscher. Er zählt dazu „niedrige Einkommen, ein starkes Gewicht der Industrie – hier könnte auch die Angst vor Jobverlusten durch Automatisierung und Digitalisierung eine Rolle spielen –, und eine überalterte Bevölkerung in dünn besiedelten Regionen“.
Der Politik raten die DIW-Forscher, etwas gegen die Ursachen der hohen AfD-Zustimmung zu tun:
„Gerade auf diese Landstriche im Osten der Republik, in denen viele Ältere leben und aus denen die Jüngeren wegziehen, muss die Politik ihr Augenmerk richten: Die soziale Teilhabe muss verbessert und mehr Gewicht auf öffentliche Investitionen gelegt werden, so dass die Grundversorgung aufrecht erhalten bleibt und diese Regionen wieder lebenswerter werden.“