Ausgerechnet jene, die mitverantwortlich sind für zunehmende Konflikte in der Welt, sollen helfen, diese zu lösen und den Frieden zu sichern. Das war am Freitag bei der Eröffnung der Münchner Sicherheitskonferenz zu hören. Ebenso wurde die Aufrüstung innerhalb der EU gelobt und als notwendig bezeichnet für mehr eigene Interventionen.
Die nach dem 2. Weltkrieg aufgebaute internationale Ordnung ist bedroht. Das hat der Vorsitzende der Münchner Sicherheitskonferenz (MSK), Wolfgang Ischinger, am Freitag bei der Eröffnung der dreitägigen Veranstaltung gesagt. „Die Warnsignale stehen auf Rot“, erklärte er. Deshalb sei das Konferenzmotto auch „Bis zum Abgrund – und zurück?“
Der Weg müsse wieder weg vom Abgrund führen, forderte Ischinger und sagte zu den Teilnehmenden im vollen Saal des Müncher Hotels „Bayrischer Hof“: „Nur sie können das wahr werden lassen!“ Darunter über 20 Staats- und Regierungschefs, Uno-Generalsekretär António Guterres, EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, und NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg, Ex-US-Außenminister John Kerry,Verteidigungsminister zahlreicher Staaten und Rüstungsindustrievertreter.
Die Konferenz müsse Frieden und Sicherheit fördern, „so gut wir können“, erklärte ihr Vorsitzender. Ausgerechnet an diese Publikum, das zum Teil mitverantwortlich ist für die von ihm beklagten „vielen ungelösten Konflikte und Instabilitäten“ derzeit, richtete er die Warnung: „Wenn sie nicht einen persönlichen Beitrag leisten, wird es nicht gelingen.“
Westen fühlt sich immer mehr bedroht
Die Welt hat sich weiterentwickelt, stellte Ischinger fest: „Mehr Menschen leben in Würde als vor 20, 40 Jahren.“ Aber Demokratie und Freiheit seien in Gefahr, westliche Werte bedroht, westliche Gesellschaften geschwächt und die internationale Ordnung bedroht sowie die Zahl der Binnenflüchtlinge erschreckend gestiegen.
Der Konferenzchef sagte, es sei kein Zufall, dass die Verteidigungsministerinnen Deutschlands und Frankreichs, Ursula von der Leyen und Florence Parly, mit ihren Statements die Veranstaltung eröffneten. Dass Frauen ein solches Amt inne haben und mehr Rüstung fordern, sieht er als Zeichen für Fortschritt. Laut Ischinger muss die EU ein globaler Akteur werden. Er fragte:
„Sind wir stolz genug, mitzugestalten, statt nur gestaltet zu werden?“
EU soll militärisches Gewicht bekommen
Von der Leyen und Parly erfüllten die in sie gesetzten Erwartungen. Die deutsche Ministerin erinnerte daran, dass sie 2014 in München gemeinsam mit dem damaligen Bundespräsidenten Joachim Gauck und dessen Nachfolger Frank-Walter Steinmeier eine „neue Verantwortung Deutschlands“ eingefordert habe. „Und wir haben Verantwortung übernommen“, verkündete sie vier Jahre später am selben Ort stolz und verwies unter anderem auf den deutschen Einsatz in Mali.
Deutschland wolle „transatlantisch bleiben, aber europäischer werden“. Dazu gehört laut der Ministerin auch „mehr militärisches Gewicht in der Nato“ und die „Armee der Europäer“, an der gearbeitet werde. Von der Leyen sprach sich für den Willen aus, das militärische Gewicht der EU auch einzusetzen. Zugleich meinte sie, dass nicht nur das Militär für eine stabile Friedensordnung sorgen könne. Dazu gehöre auch mehr Einsatz für Entwicklung und Aufbau in unsicheren Ländern.
Frankreich geht voran
Ihre französische Amtskollegin Parly betonte das Ziel, bei Militär und Rüstung mehr zusammenzuarbeiten. Nicht nur gemeinsame Werte und Geschichte bringe Nationen zusammen, sondern auch Bedrohungen, von denen es viele gebe. In einer langen Liste nannte Parly auch die Ukraine-Krise und wiederholte Behauptungen, dass westliche Wahlen in den letzten Jahren von außen beeinflusst worden seien.
Die französische Ministerin bezeichnete das Bündnis mit den USA als unverzichtbar „in der neuen Welt, die jetzt entsteht“. Sie lobte das von Präsident Emmanuel Macron ausgegebene Ziel, die französischen Rüstungsausgaben auf zwei Prozent des Brutto-Inlandsproduktes anzuheben. Dafür sollen bis 2015 300 Milliarden Euro ausgegeben werden. Das zeuge auch von „europäischen Ehrgeiz“.
Mehr europäische Kriegseinsätze
Parly hob zudem die europäische Initiative für mehr militärische Interventionen hervor. Die europäischen Staaten müssten fähiger werden, einzugreifen, wo sie es für nötig halte, wo die USA und die Nato das nicht wollten. Das solle vor allem „im Süden“ erfolgen, so die Ministerin. Die Initiative sei zwar unabhängig von Nato und EU, solle aber beiden nutzen. Sie erklärte zudem:
„Es genügt nicht, die Kriege von Morgen vorzubereiten.“
Ob das ein Übersetzungsfehler der Dolmetscherin war, ist nicht bekannt. Parly fügte hinzu, dass es auch darum gehe, sich auf die Kriege von übermorgen zum Beispiel in Folge von Naturkatastrophen einzustellen – „Frankreich steht bereit“.
Die deutsche Ministerin dankte den USA nicht nur für den Marshall-Plan und die Nato nach dem 2. Weltkrieg. „Nach der russischen Aggression in der Ukraine“ hätten die USA ihre Truppenstärke in Osteuropa erhöht. Dafür seien die Europäer „unendlich dankbar“ behauptete Von der Leyen an ihren US-Amtskollegen James Mattis gerichtet, der in München dabei ist.
Sie erklärte in München auch, Deutschland wolle die Uno als „Schirm einer regelbasierten internationalen Ordnung“.
„Die Uno ist nur so stark wie wir sie machen.“
Zugleich erklärte sie, dass Deutschland sich nicht mehr hinter seiner Geschichte verstecken müsse und seine Soldaten bei weltweiten Einsätzen die Freiheit verteidigen würden. Die Münchner Sicherheitskonferenz wurde am Freitag zum 54. Mal eröffnet und läuft noch bis Sonntag. Daran nehmen mehr als 600 Vertreter von Staaten, Organisationen und Konzernen teil, die sich oft auch zu nichtöffentlichen Gesprächen treffen.