Deutsche Sorgen 2: USA größere Gefahr als Russland

Ungewöhnliches hat der „Sicherheitsreport 2018“ ergeben: Russland wird von den Deutschen als geringere Gefahr für den Frieden angesehen als die USA. Das hat es laut den Autoren seit Jahrzehnten nicht gegeben und liegt für sie in der Politik von Donald Trump begründet. Der Report zeigt auch: Das Vertrauen in die Bundeswehr ist gesunken.

Die Bundesbürger sehen die sicherheitspolitische Lage des Landes anders als die Regierenden. Das zeigt der „Sicherheitsreport 2018“, der am Mittwoch in Berlin vorgestellt wurde. Das gilt für die Reden der bundesdeutschen Politik von „neuer deutscher Verantwortung in der Welt“ ebenso wie für die Frage, wer den Frieden in der Welt bedroht. Die Bundesbürger sehen von den USA eine deutlich größere Gefahr ausgehen als von Russland.

Klaus Schweinsberg vom „glh – Centrum für Strategie und höhere Führung“, das den Sicherheitsreport mitherausgibt, erinnerte an die Rede des damaligen Bundespräsidenten Joachim Gauck auf der Münchner Sicherheitskonferenz (MSK) im Februar 2014. Dort hatte dieser angekündigt, Deutschland müsse und wolle „neue Verantwortung“ in der Welt übernehmen. Die Sicht der Bevölkerung darauf weiche „deutlich von dem ab, was damals als Ziel der damaligen Bundesregierung ausgegeben wurde“, stellte Schweinsberg fest.

„Islamischer Staat“ größte Gefahr für Deutschland

Er stellte gemeinsam mit Renate Köcher, Geschäftsführerin des Instituts für Demoskopie Allensbach (IfD), den Report vor. Mit diesem wird seit sieben Jahren versucht, herauszufinden und zu beschreiben, wie sicher sich die Deutschen nach innen und nach außen fühlen. Für die neueste Ausgabe wurden im Januar mehr als 1200 Bundesbürger ab 16 Jahren befragt.

von links: M. Föderl, Prof. Dr. R. Köcher, Prof. Dr. K. Schweinsberg

Auch bei der äußeren Sicherheit mache der Terrorismus den Bundesbürgern die größte Sorge, so Schweinsberg. Das Vorgehen der Terrororganisation „Islamischer Staat“ (IS) und ähnlicher Gruppierungen sei von den meisten Befragten als Gefahr für Deutschland benannt worden (74 Prozent). Dem folgen laut Report mit Abstand der Nordkorea-Konflikt (48 Prozent) und der „Konflikt zwischen der Ukraine und Russland“ (37 Prozent).

USA zweitgrößte Gefahr für den Weltfrieden

Die Autoren wunderten sich, dass die Bundesbürger Nordkorea als größte Gefahr für den Weltfrieden ansehen (73 Prozent). Als „wirklich erstaunlich und bemerkenswert“ bezeichnete Schweinsberg jedoch das Ergebnis, dass die USA auf Platz zwei der Gefahren-Rangliste landeten –„noch vor dem Iran, der Türkei, Syrien und Russland“. Er sieht ebenso wie Meinungsforscherin Köcher die Ursache dafür in der Politik des derzeitigen US-Präsidenten Donald Trump.

Auf Sputnik-Nachfrage erklärte Schweinsberg diesen Befund mit dem „übersichtlichen Wissen“ der Bevölkerung in außen- und sicherheitspolitischen Fragen. Nach der Abschaffung der Wehrpflicht werde das „klassische Feindbild“ Russland nicht mehr so stark in die Bevölkerung getragen. Dagegen würde die mediale Berichterstattung umso stärker prägen: „Da hatten wir 2017 eine gehörige Dominanz des Themas USA gegenüber Russland. Das war medial ein USA-Jahr.“

Verändertes Bild der USA durch Trump

Zwar gelten die USA immer noch als wichtigster Bündnispartner (41 Prozent), knapp gefolgt von Frankreich (37 Prozent). Aber lediglich 24 Prozent der Deutschen sehen laut Report die USA noch als „verlässlichen Bündnispartner“. Mit 49 Prozent sieht das fast die Hälfte anders.

„Das Bild der USA hat sich in den letzten anderthalb Jahren sehr stark verändert“, sagte dazu Meinungsforscherin Köcher gegenüber Sputnik und verwies auf das Agieren Trumps. Sie bestätigte: „Die Risiken, die von Russland ausgehen, werden zur Zeit von der Bevölkerung wesentlich geringer eingeschätzt als die Gefahren für den Weltfrieden, die von den USA ausgehen. Das ist ein ganz ungewöhnliches Ergebnis, wie wir es über Jahrzehnte nicht hatten.“ Wie die bundesdeutsche Politik auf solche Erkenntnisse reagiert, wird sich zeigen.

Angst vor Krieg gesunken

Das gilt auch dafür, dass dem Report zufolge die Angst der Deutschen vor einem Krieg zurückgegangen ist und die Bundeswehr für weniger wichtig gehalten wird, als es sich die Politik wünscht. Nur 18 Prozent der Befragten gaben an, sie würden sich große Sorgen über einen Krieg machen, in den Deutschland verwickelt werde (2016: 24 Prozent). Vor allem Ältere und Menschen aus vermeintlich „geringeren Bildungsschichten“ würden das so sehen.

„Das hat Auswirkung auf die Bedeutung, die den Streitkräften zugemessen wird“, erklärte Schweinsberg. Die Bundeswehr werde für weniger wichtig gehalten als die Polizei. Sie habe mit einem Bedeutungs- und Image-Verlust zu kämpfen. So landen Ausgaben fürs Militär auch abgeschlagen auf Platz 11 der Rangliste staatlicher Investitionen, die die Bundesbürger für notwendig halten – und damit noch hinter den Maßnahmen zur Integration und Eingliederung von Ausländern.

Der Strategie-Ausbilder machte darauf aufmerksam, dass sich in diesem Punkt die schwammigen Aussagen des neuen Koalitionsvertrages von Union und SPD zu Rüstungsfragen mit der Sicht der Bevölkerung decken würden. Es gebe zudem „verbreiteten Zweifel an der Einsatzfähigkeit der Bundeswehr“.

Kein Vertrauen in die Nato

Auch das Vertrauen der Bevölkerung in Bundeswehr und Nato ist Thema des „Sicherheitsreports“. Die Bundeswehr habe früher traditionell ein hohes Vertrauen genossen, sagte Schweinsberg. Doch das haben inzwischen dem Report zufolge nur noch 45 Prozent der Bevölkerung – ein „großer Absturz“ in den letzten Jahren.

Dagegen stellte der Stratege fest: „Das Vertrauen in die Nato hat zugenommen.“ Das sei vor allem in Ostdeutschland der Fall. Insgesamt 45 Prozent der Bevölkerung gaben an, „großes Vertrauen“ in das westliche Bündnis zu haben (2007: 34 Prozent). Schweinsberg erklärte das so: Die Bundesbürger würden erkennen, dass nationale Alleingänge im militärischen Bereich nicht sinnvoll seien. Und: Er habe den Eindruck, dass „gerade in den östlichen Bundesländern Nato-Missionen wie jetzt im Baltikum durchaus die Bedeutung direkt fühlbarer gemacht haben.“ Unerwähnt blieb dabei allerdings, dass mehr als die Hälfte der Deutschen kein Vertrauen in die Nato haben.