Bewegende Begegnungen in Wolgograd

Achim Kessler, Bundestagsabgeordneter der Partei Die Linke, hat mit drei Fraktionskollegen an den Gedenk-Feierlichkeiten aus Anlass des 75. Jahrestages des Sieges bei Stalingrad im heutigen Wolgograd teilgenommen. Im Interview berichtet er von seinen Eindrücken und kritisiert die Haltung der Bundesregierung als „politischen Skandal“.

Dr. Achim Kessler gedachte der toten sowjetischen Soldaten in Wolgograd (Foto: Linksfraktion)

Dr. Kessler, Sie waren in der letzten Woche mit anderen Abgeordneten Ihrer Partei aus dem Bundestag in Wolgograd. Was haben Sie dort konkret gemacht und welche Eindrücke haben Sie mitgebracht?

Gemeinsam mit meinen Fraktionskollegen Heike Hänsel, Stefan Liebich und Zaklin Nastic habe ich an den offiziellen Gedenkveranstaltungen zum 75. Jahrestages des Sieges der Roten Armee in der Schlacht um Stalingrad teilgenommen. Dabei standen ein Treffen mit Andrej Kossolapow, dem Oberbürgermeister von Wolgograd, die Teilnahme an der Militärparade, ein Besuch des Mamai-Hügels sowie eine Kranzniederlegung auf dem Soldatenfriedhof Rossoschka auf dem Programm.

Tief bewegt haben mich die Begegnungen mit Veteranen der Schlacht von Stalingrad. Ihnen sind wir zutiefst dankbar, denn sie haben mit ihrem Sieg das Ende der Nazi-Schreckensherrschaft eingeleitet. Für mich war es eine große Ehre diesen geschichtsträchtigen Tag mit den Menschen teilen zu können, die vor einem dreiviertel Jahrhundert zur Befreiung vom Faschismus beigetragen haben.

Gab es Kontakte zu offiziellen Vertretern der Bundesrepublik wie dem Botschafter in Russland, Rüdiger von Fritsch, und dem bundesdeutschen Militärattaché, die an den Gedenk-Feierlichkeiten teilgenommen haben?

Ich habe mich gefreut, dass der deutsche Botschafter an den Gedenkveranstaltungen teilgenommen hat. Ich empfinde es als beschämend, dass die deutsche Bundesregierung selbst nicht bei den Gedenkveranstaltungen vertreten war. Verwunderlich ist dies jedoch leider nicht, da die Bundesregierung als Antwort auf  eine Kleinen Anfrage unserer Fraktion im Dezember vergangenen Jahren mitteilte, dass sie zwar „grundsätzlich Kenntnis von Gedenkfeierlichkeiten in Wolgograd“ besitze, allerdings keine Teilnahme oder eigene Veranstaltungen plane.

Wie beurteilen Sie diese offizielle Haltung der Bundesregierung, kein offizielles Gedenken für die Opfer von Stalingrad zu veranstalten und den Krieg der faschistischen Wehrmacht gegen die UdSSR nicht grundsätzlich als Verbrechen einzustufen?

Gänzlich unverständlich und ein politischer Skandal ist die Tatsache, dass die Bundesregierung den Angriffs- und Vernichtungskrieg der deutschen Wehrmacht gegen die Sowjetunion nicht als Verbrechen einstuft. Stattdessen sagt die Bundesregierung, dass „die Einordnung damaliger militärischer Handlungen der Wehrmacht als verbrecherisch im strafrechtlichen Sinne […] einzelfallbezogen vorzunehmen“ sei. Diese Haltung ist für uns als Linke nicht akzeptabel. Wir werden weiter über Stalingrad reden als Symbol für deutsche Schuld und deutsche Verantwortung im Vernichtungskrieg gegen die Völker der Sowjetunion.