„Zusammenarbeit mit Russland der einzig sinnvolle und zukunftsweisende Weg“

Kooperation statt Konfrontation gegenüber Russland fordern zwei ehemalige hochrangige deutsche Politiker ein. Ex-Kohl-Berater Horst Teltschik und Ex-Genscher-Mitarbeiter Frank Elbe warnen den Westen vor den Folgen der aktuellen Politik gegenüber Moskau. Berlin muss aus ihrer Sicht für einen Ruck sorgen, um die Chancen der Zusammenarbeit zu nutzen.

Der Westen hätte offensiver auf russische Vorschläge und Überlegungen eingehen müssen. Das erklärte Horst Teltschik, außenpolitischer Berater des früheren Bundeskanzlers Helmut Kohl, am Montag in Berlin gegenüber Sputniknews. „Es wäre nicht unsere Aufgabe gewesen, sie eins zu eins zu übernehmen, sondern einfach auszuloten: Wo bieten sich Möglichkeiten der Kooperation? Wo können wir Schritte weiterentwickeln? Das ist leider nicht genutzt worden.“

Teltschik hatte zuvor an einer Podiumsdiskussion im Deutschen Historischen Museum (DHM) in Berlin zur Schieflage des deutsch-russischen Verhältnisses  teilgenommen. Zu dem Thema hatte er neben Ex-WDR-Intendant Fritz Pleitgen und Ex-Verteidigungsminister Volker Rühe mit dem früheren Botschafter Frank Elbe gesprochen. Der war Mitarbeiter des einstigen Bundesaußenministers Hans-Dietrich-Genscher als über die deutsche Wiedereinigung verhandelt wurde.

Frank Elbe am 4. Dezember 2017 im Deutschen Historischen Museum in Berlin

Elbe warnte den Westen vor vertanen Chancen „nicht nur politisch und sicherheitspolitisch, sondern auch wirtschaftlich, wenn er auf die Zusammenarbeit mit Russland verzichten will“. Gegenüber Sputniknews schätzte er das aktuelle Verhältnis zu Russland zumindest als „nicht dramatisch“ ein, weil es regelmäßige Kontakte zwischen der Kanzlerin Angela Merkel und Russlands Präsident Wladimir Putin gebe.

Deutschland und Frankreich als Achse für Kooperation?

Ex-Kanzler-Berater Teltschik sieht die gegenwärtigen Beziehungen im Stillstand, auch weil derzeit in Berlin eine entscheidungsfähige Bundesregierung fehle. Der französische Präsident Emmanuel Macron, der die Beziehungen zu Russland neu gestalten wolle, brauche dafür  einen Partner – „und das sind naturgemäß nur die Deutschen. Solang hier diese Achse nicht funktioniert, bewegt sich wenig oder gar nichts.“ Die Instrumente der Zusammenarbeit und gemeinsame Sicherheit, wie sie bereits 1990 in der „Charta von Paris“ vereinbart wurden, seien seitdem nicht genutzt worden, beklagte der Ex-Kohl-Berater.

Horst Teltschik am 4. Dezember 2017 im Deutschen Historischen Museum in Berlin

Auch der Vorschlag des damaligen russischen Präsidenten Dmitri Medwedew vom Juni 2008, die Pariser Charta zu einem neuen euro-atlantischen Sicherheitsvertrag weiterzuentwickeln, sei im Westen nicht aufgenommen worden. Das zähle zu den „Entwicklungen, die leider dazu geführt haben, dass auf allen Seiten, glaube ich, der Mut fehlt, die Kraft fehlt, neue Initiativen zu entwickeln. So ruht still der See, wie wir in Deutschland sagen.“

Aktuell seien auch die USA ein Problem, meinte Teltschik, weil mit Donald Trump ein „Irrlicht“ US-Präsident sei, „von dem man nicht weiß, was er überhaupt will. Im Augenblick ist deutlich, dass seine Priorität die Innenpolitik ist. Ich meine, die Steuerreform ist für ihn allemal wichtiger als Russland oder China oder Nordkorea. Das findet er alles nicht gut, aber die Steuerreform hat absolute Priorität. Das heißt, dieser Partner fällt aus.“

Weg zurück zur Zusammenarbeit finden

Ex-Diplomat Elbe bedauerte im Interview den „Paradigmenwechsel in der amerikanischen Einschätzung Russlands“, der in den Jahren nach Ende des Kalten Krieges erfolgt sei. Diese Politik habe zur Ausgrenzung Russlands geführt, hatte er in der Podiumsdiskussion erklärt. „Ich glaube, es ist unsere Aufgabe als Europäer in Ruhe mit den Amerikanern darüber zu sprechen, ob man den Weg nicht zurück finden kann“, so Elbe. Das Ziel müsse eine Politik der Kooperation mit Russland sein, die sich auf „das große Gebiet der Zusammenarbeit zwischen Wladiwostok und Vancouver erstreckt“.

Teltschik hob hervor:

„Ich sehe die große Gefahr, dass wir zwischen den USA und Russland auf neue Konflikte in der Nuklearrüstung zusteuern.“

Deshalb sei das derzeit wichtigste Thema das der Abrüstung und Rüstungskontrolle. Seine russischen Gesprächspartner würden ihn wiederholt auf die gefährlichen Situationen durch militärische Zusammenstöße an der russischen Grenze aufmerksam machen. „Ich glaube, im Westen ist die Bevölkerung sich dessen nicht bewusst, was da für eine Konfliktgefahr besteht.“

Für den einstigen Genscher-Mitarbeiter Elbe ist klar:

„Ich glaube, wir müssen uns vielleicht einen stärkeren Ruck geben und einwirken auf unsere Partner und ihnen die Ansicht vermitteln, dass eine Kooperation mit Russland, die auch der Wunsch unserer Bevölkerung ist, der einzig sinnvolle und zukunftsweisende Weg ist, Europa in einen Zustand zu führen, der dem europäischen Kontinent endlich Frieden und Glück beschert.“