Kritik an „Skandalurteil“ gegen Mladic: „Illegales Tribunal im Auftrag der Nato“

Von einem „Skandalurteil auf Basis vorgefasster Meinungen“ gegen den bosnisch-serbischen Ex-General Ratko Mladic am Mittwoch spricht Klaus Hartmann, Vorsitzender des Freidenker-Verbandes und Beobachter der Ereignisse. Der Journalist und Verleger Hannes Hofbauer sieht darin eine juristische Fortsetzung des Nato-Vorgehens gegen Jugoslawien.

Mit deutlicher Kritik haben langjährige Beobachter der Ereignisse, Prozesse und Hintergründe beim Zerfall Jugoslawiens auf das Urteil des UN-Sondertribunals in Den Haag vom Mittwoch gegen den ehemaligen bosnisch-serbischen Militärchef Ratko Mladic reagiert. Dieser war zu lebenslanger Haft verurteilt, weil der heute 75-Jährigen des Völkermordes, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit während des Bosnien-Krieges (1992 bis 1995) schuldig sei. Der Ex-General war in elf Fällen angeklagt worden. Dazu zählte laut den Berichten die Ermordung von 8000 muslimischen Jungen und Männern in Srebrenica, die vom UN-Tribunal als Völkermord eingestuft wurde.

Es war der letzte Völkermord-Prozess des Tribunals. Ende des Jahres wird das Gericht laut der Nachrichtenagentur DPA nach 24 Jahren seine Arbeit abschließen. Wegen des angeblichen Völkermordes in Srebrenica waren mit Mladic 16 Personen schuldig gesprochen worden.

„Kriegsbefürworter und -treiber zufriedengestellt“

Für unbedarfte Zuschauer klinge das Urteil „eigentlich gerecht“, schätzte der österreichische Journalist und Verleger Hannes Hofbauer gegenüber Sputnik ein. „Es ist aber nicht gerecht“, fügte der langjährige Beobachter der Entwicklung auf dem Balkan hinzu. Das UN-Tribunal sehe nur „auf einem Auge scharf, nämlich auf dem serbischen Auge, und ist auf allen anderen Augen blind“. Für Klaus Hartmann handelt es sich um ein „Skandalurteil auf Basis vorgefasster Meinungen“.

Der Bundesvorsitzende des Deutschen Freidenker-Verbandes  hat die Vorgänge seit Jahren beobachtet und die Verfahren in Den Haag wie das gegen den ehemaligen jugoslawischen Präsidenten Slobodan Milosevic deutlich kritisiert. Das Tribunal sei auch gegen Mladic einseitig der Nato-Auffassung gefolgt und habe in allen Verfahren einseitig antiserbisch entschieden, erklärte er gegenüber Sputnik. Dazu gehöre, dass die Rolle der Nato in den jugoslawischen Teilungs-Kriegen in den 1990er Jahren nicht hinterfragt worden sei.

Die Kriegsbefürworter und -treiber seien mit dem Urteil gegen Mladic „nun zufriedengestellt“. Es werde nicht mehr nach den Ursachen und Tatsachen gefragt, so Hartmann. Das hätte mit Blick auf die inneren und äußeren Zusammenhänge, die zum jugoslawischen Zerfallsprozess führten, erfolgen müssen, bestätigte Verleger Hofbauer. Er schloss dabei auch die externen Faktoren wie die Rolle Deutschlands und Österreichs mit ein – „die ja eigentlich seit 1991 zu dieser Sezession Bosniens getrieben haben und immer wieder von serbischer Seite gewarnt worden sind, dass das nicht ohne Krieg funktionieren wird.“

Unterlassene Fragen nach Rolle der Nato

Hofbauer verwies darauf, dass in dem Krieg Morde und Überfälle nicht nur von einer Seite erfolgten. So hätten vor Sarajevo 1995 kroatische Einheiten eine UN-Schutzzone überfallen, was nie thematisiert worden sei. Das zeige, dass es sich um „ein ungleichgewichtiges Tribunal“ handele. Freidenker Hartmann widersprach unter anderem der vom Gericht behaupteten Belagerung Sarajevos durch die bosnischen Serben:

„Es wird negiert, dass Sarajevo in diesen Jahren immer eine geteilte Stadt war, in der Serben und Kroaten und bosnische Muslime in unterschiedlichen Stadtteilen wohnten und, aufeinander gehetzt, sich gegenseitig beschossen haben. Eine Belagerung fand in dieser Hinsicht nie statt.“

Der Freidenker-Vorsitzende betonte, der Vorwurf, Mladic habe befohlen, UN-Blauhelme als menschliche Schutzschilde gegen Nato-Bomben zu missbrauchen, sei konstruiert. Das unterlasse die Frage, ob die Nato-Bombenangriffe 1994 völkerrechtlich legitimiert waren. „Es gab für nichts dergleichen einen UN-Sicherheitsratsbeschluss.“

Merkwürdiger „Kronzeuge“ für Srebrenica

Hartmann ging ebenso darauf ein, dass Mladic die mutmaßlichen Massaker von Srebrenica 1995 mit angeblich etwa 8.000 Toten und „Völkermord“ vorgeworfen wurden. Letzteres sei 2010 nach einer Klage Bosnien-Herzegowinas vom Internationalen Gerichtshof (IGH) in Den Haag nur für diesen einen Fall bestätigt worden, allerdings ohne jegliche eigene Ermittlungen. Das UN-Sondertribunal stütze sich bei den Vorwürfen zu Srebrenica auf allein ein Verfahren und die immer wieder voneinander abweichenden Aussagen eines einzigen „Kronzeugen“ namens Drazen Erdemovic, stellte Hartmann klar. Letzterer habe als bosnischer Muslim auf Seiten der Serben gekämpft. Dabei gebe es die „verblüffende Situation“, dass kein einziger von Erdemovic benannter angeblicher Mittäter verhaftet und befragt worden sei. Es handele sich um einen „merkwürdigen, gekauften Zeugen“. Als Slobodan Milosevic in seinem Verfahren 2003 Erdemovic befragen wollte, habe der vorsitzende Richter das untersagt.

Im Interview machte der Freidenker-Vorsitzende darauf aufmerksam, dass in die wiederholt genannte Gesamtzahl der Opfer anscheinend verschiedene Zahlen von Opfergruppen auf allen beteiligten Seiten von verschiedenen Kämpfen und Ereignissen zusammengerechnet wurden. Diesen Widersprüchen bei den Zahlen gehe bis heute niemand nach, beklagte Hartmann. Journalist Hofbauer findet die Frage wichtig, ob es sich wie behauptet um eine „willentliche Ausrottung“ gehandelt hat. Er machte auf ein Problem dabei aufmerksam:

„Seit die Europäische Union mit einem Beschluss 2007 die Leugnung von Völkermord – und dabei war insbesondere Srebrenica gemeint – unter Strafe stellt, ist die offene Debatte darüber nicht möglich.“

Das sei für ihn kritikwürdig. Alle Seiten in dem bosnischen Bürgerkrieg 1992 bis 1995 seien darauf aus gewesen, die jeweils andere Bevölkerung von ihren jeweiligen Gebieten zu vertreiben und auch zu vernichten. „Das ist ja kein Alleinstellungsmerkmal eines Bürgerkrieges.“ Für Hofbauer ist es „ungerechnet, das nur einer Seite vorzuwerfen“. Niemand von der kroatischen, der bosnisch-muslimischen und auch der albanisch-kosovarischen Seite sei vor Gericht gestellt worden. Letztere würden sogar als Partner des Westens behandelt.

„Gericht im Auftrag der Nato und privater Finanziers“

Freidenker Hartmann bezeichnete das Tribunal in Den Haag als „voreingenommenes Gericht, das im Auftrag der Nato agiert“. Das bestätigte Hofbauer, der sagte:

„Das, was die Nato, Deutschland und die USA voran, in dem jugoslawischen Zerfallsprozess gemacht haben, nämlich sich auf eine Seite zu stellen, die immer antiserbisch war, das haben sie dann mit diesem Jugoslawien-Tribunal juristisch untermauert.“

Hartmann stellte fest:

„Man kann einfach jedes Operettentribunal hier im Hinterzimmer einer Gaststätte gründen. Hauptsache ist, man platziert es in Den Haag und schon profitiert es vom Nimbus dieser Stadt, weil dort eine Reihe von internationalen legalen Gerichten tätig sind.“

Das Sondertribunal zu Jugoslawien sei ein „illegales Gericht“, weil es vom UN-Sicherheitsrat einberufen wurde. Das dürfe dieses Gremium laut UN-Charta aber überhaupt nicht, stellte Hartmann klar. Nur die UN-Vollversammlung könne internationale Gerichte in Kraft setzen und begründen. Mit dem Sondertribunal seien grundlegende rechtliche Grundsätze verletzt worden, auch durch sein einseitiges Vorgehen gegen die serbische Seite. Die Nato sei nicht nur Auftraggeber, sondern auch Nutznießer. Zudem dürften UN-Gremien nicht privat finanziert werden, was in diesem Fall aber geschehen sei. Auch die „Open Society Foundation“ von George Soros und die Rockefeller-Stiftung hätten dabei mitgemacht, erinnerte Hofbauer. Es sei die Frage, wie solche Quellen, die die Teilung Jugoslawiens unterstützten solch ein Tribunal mitfinanzieren können. Diese „Schieflage dokumentieren die Prozesse“, so der Journalist.

Für Hartman schreibt das Urteil gegen Mladic „Unrechts-Geschichte“, mit dem „die Kolonialgerichtsbarkeit der Nato über ungehorsame Staaten zum Vorbereiten ihrer Zerschlagung, Entmachtung und des Regime-Changes bekräftigt und beglaubigt“ werde. „Es ist ein Bruch des Rechts und hat nichts zu tun mit den Nürnberger Kriegsverbrecherprozessen. Wer das in diese Reihe stellt, verharmlost des Faschismus in Deutschland“, hob der Freidenker-Vorsitzende hervor.