Albrecht Müller: Anti-Trump-Buch Teil einer Kampagne mit Fernziel Regimechange

US-Präsident Donald Trump hat eigentlich den Friedensnobelpreis verdient, weil er sich für Kooperation der Atom-Mächte USA und Russland einsetzt. Das meint der Herausgeber der „NachDenkSeiten“  Albrecht Müller mit einem Schuss von Ironie. Der Ex-SPD-Politiker widerspricht der Anti-Trump-Kampagne und warnt vor der antirussischen Stimmungsmache.

Das sehe wie eine gut geplante große PR-Aktion aus, sagte der Publizist und frühere SPD-Politiker Albrecht Müller zu dem am Dienstag vorgestellten Buch „Verrat“ des britischen Journalisten Luke Harding über angebliche russische Verbindungen des US-Präsidenten Donald Trump. Das gelte auch für die Vorabauszüge daraus im Magazin „Stern“.

Es handele sich um „Belege dafür, dass solche Kampagnen wie die gegen Russland und die Instrumentalisierung des vor einem Jahr gewählten amerikanischen Präsidenten zu diesem Zweck bis ins Feinste geplant werden“. Harding sei  „Teil einer PR-Aktion, und dieses Buch ist vermutlich eine Auftragsarbeit“, schätzt der ehemalige Mitarbeiter der Bundeskanzler Willy Brandt und Helmut Schmidt gegenüber Sputnik ein. Er könne das gut beurteilen, weil er früher an der Planung solchen Kampagnen mitgewirkt habe. Bücher seien ein wunderbares Transportmittel für die schrägsten Botschaften. Deshalb würden sie im PR Gewerbe eingesetzt.

Was Harding schreibe und sage, sei „eigentlich ungeheuerlich, weil es so oberflächlich und so leicht durchschaubar ist“. Müller kritisierte das „Stern“-Interview mit dem Buchautor als „absolut unkritisch“. Das ziehe sich durch bei diesem Thema und finde er befremdlich. Für ihn sei die Frage:

„Wieso kann man einem Politiker vorwerfen, dass er gute Verbindungen zu einem anderen Land und dessen Politikern aufbaut? Das war doch selbstverständlich bei unserer Arbeit früher, als ich im Kanzleramt war.“

Das habe nicht nur für befreundete westliche Staaten gegolten, sondern ebenso für die Sowjetunion und andere Staaten des sogenannten Ostblocks.

„Alle Methoden der Manipulation eingesetzt“

An dem Buch des Briten und seinen Äußerungen lassen sich für den Herausgeber des Online-Magazins „Nachdenkseiten“ „alle Methoden der Manipulation sichtbar machen: die Wiederholung der gleichen Vorwürfe, die klare Übertreibung wie ‚Watergate‘. Das läuft nach dem Motto: Wenn man das so sagt, dann bleibt irgendetwas hängen.“ Das gelte auch für Hardings Vorwurf des „Hochverrats“. Dabei werde einkalkuliert, dass die Menschen das vielleicht nicht glauben, aber meinen, dass da doch etwas Unerlaubtes von Trump und seinem Umfeld gemacht worden sei. Das seien typische Beispiele für die grassierende Manipulation. Das funktioniere „nach Orwell: „Und wenn alle anderen die von der Partei verbreitete Lüge glaubten, wenn alle Aufzeichnungen gleich lauteten, dann ging die Lüge in die Geschichte ein und wurde Wahrheit.“

Er sage nicht die Wahrheit, meinte der Ex-SPD-Politiker zu den Vorwürfen des britischen Journalisten, Russland sehe den Westen als Feind. Das habe sich erst in den letzten Jahren so entwickelt: „Da muss man doch mal sehen, welche Rolle der Westen in diesem Zusammenhang gespielt hat. Das fing damit an, dass der Westen in den 1990er Jahren in die Innenpolitik Russlands direkt interveniert hat.“ Er habe sich direkt in die innenpolitische, soziale und wirtschaftspolitische Gestaltung Russlands eingemischt, was Naomi Klein in ihrem Buch „Die Schock-Strategie“ beschrieben habe. Müller verwies dabei auch auf die Jelzin-Wiederwahl 1996.

„Gibt es eine deutlichere Intervention als das? Das ist doch um Welten mehr, als wenn nur ein Bruchteil der Vorwürfe gegen Trump richtig sei.“

Doch darüber würden die westlichen Medien kaum schreiben, weshalb es nicht bekannt sei.

Ausgestreckte Hand Moskaus abgewiesen

Der Westen habe die nach 1989/90 mögliche Kooperation mit dem ehemaligen Gegner im Osten aufgegeben und in eine Konfrontation umgekehrt, so der Vorwurf von Müller. Darüber seien russische Politiker und Medien verständlicherweise enttäuscht. Er verwies als Beispiel darauf, dass Wladimir Putin in seiner Rede vor dem Bundestag 2001 für Freundschaft und Zusammenarbeit geworben hatte. 2007 sei auf der Münchner Sicherheitskonferenz „ein enttäuschter Präsident Russlands“ aufgetreten, weil der Westen die ausgestreckte Hand ablehnte. Die Folge dieser Enttäuschung sei die „heutige riesige Gefahr, dass wir in einer Eskalation des Feind-Aufbaus stecken, obwohl wir eigentlich Freundschaft haben wollten“. Selbst in den Zeiten des Kalten Krieges sei mehr Austausch und Gespräch sowie Aufbau von Vertrauen möglich gewesen, erinnerte sich der ehemalige Mitarbeiter Willy Brandts.

Für ihn stehen hinter den Attacken gegen Trump wie dem Harding-Buch Kräfte, „die einfach wieder die Konfrontation mit Russland wollen: das ist die Rüstungswirtschaft, das ist die Finanzwirtschaft, die gern wie in den 1990er Jahren bei dem Volksvermögen Russlands weiter zugreifen würde. Die brauchen den Konflikt und haben das Fernziel, dass man dieses Russland nicht nur demütigt, sondern es besiegt oder dort einen Regimechange bewirkt, wieder zu einem Typen wie Jelzin, damit man dann wieder Zugriff auf die Ressourcen Russlands hat. Dieses Fernziel werden sie sicher nicht aufgeben.“

Dafür würden sie auch die Kampagne gegen Trump fortsetzen. „Die Amerikaner haben keinen Sinn für Kooperation, und das spitzt sich immer mehr zu“, bedauerte Müller. Anders als in der Zeit der Entspannungspolitik in den 1970er und 1980er Jahren sei wieder Feindbildaufbau angesagt – „und das ist eine wirkliche Bedrohung für uns in Europa!“ Müller sieht Trumps Politik ausdrücklich nicht unkritisch. Er wisse nicht, inwieweit Trump zu trauen sei, und kritisierte dessen Vorgehen beispielsweise gegenüber Nordkorea und Iran als „nicht besonders friedensfördernd“. Doch Harding hätte aus seiner Sicht besser daran getan, ein Buch über Trumps Bemühungen zu schreiben, schon vor seiner Präsidentschaft „gute Beziehungen zu einem Land aufzubauen, das ähnlich ausgerüstet ist mit Atomwaffen und wo es wirklich darauf ankommt, dass diese beiden Länder sich verstehen, damit sie nicht aufeinander einschlagen.“