„Ungeheuerlich oberflächliche Manipulation“: Britisches Buch zu Trump und Russland

Einen „Skandal, wichtiger und größer als Watergate“, will der britische Journalist Luke Harding aufdecken: Wie der Kreml angeblich den US-Präsidenten Donald Trump benutzt und steuert. Darüber hat er ein Buch geschrieben. Kritiker werfen ihm Oberflächlichkeit und Meinungsmache vor. Sie warnen vor den Folgen der antirussischen Stimmungsmache.

Russland habe in die US-Präsidentschaftswahl 2016 eingegriffen, um Donald Trump zu helfen, und dieser habe gewonnen. Dessen ist sich der britische Journalist Luke Harding sicher. Er stellte am Dienstag in Berlin sein auf Deutsch erschienenes Buch mit dem Titel „Verrat“ (Original: „Collusion“) vor. Es soll über „geheime Treffen, schmutziges Geld und wie Russland Trump ins Weiße Haus brachte“ aufklären. Es werde geschildert, „wie weit die Beziehungen zwischen Trump, seiner Familie, seinen Firmen, seinen engsten Beratern und Putins Russland reichen – und dass Trump nach Lage der Dinge nie hätte Präsident werden dürfen“, so der Verlag.

Buchautor Harding, der von 2007 bis zu seiner Ausweisung 2011 Russland-Korrespondent der britischen Zeitung „The Guardian“ war, stützt sich vor allem auf das im Januar 2017 bekanntgewordene Dossier des ehemaligen britischen Geheimdienstmitarbeiters Christopher Steele zu den mutmaßlichen Verbindungen zwischen Russland und Trump. Er habe sich vorher mit dem Ex-Agenten getroffen und meint, es handele sich um einen „Skandal, wichtiger und größer als Watergate“.

Alles wie beim KGB?

Das erläuterte Harding in Berlin so: „Eine Macht, ein Feind von Amerika – Russland –, hat sehr stark bei der US-Wahl eingegriffen, um Trump zu helfen – und Trump hat gewonnen!“ Auf die Sputnik-Nachfrage, warum er Russland als Feind der USA bezeichne, verwies er auf seine vierjährigen Moskauer Erfahrungen. Die russischen staatlichen TV-Nachrichten würden jede Nacht den Westen als Feind bezeichnen und darstellen, so Harding. Das sei seit der Ukraine-Krise nur noch schlimmer geworden. Und er fügte hinzu: „Das kommt auch von der KGB-Zeit.“ Schon in der Sowjetzeit bis 1991 seien die USA der Hauptfeind gewesen, und das habe sich nicht verändert.

Wiederholt verwies er auf die Vergangenheit und den damaligen sowjetischen Geheimdienst KGB, der mit der angeblichen Einflussnahme auf Trump angefangen habe. Wie damals würde Russland und dessen Geheimdienst FSB nun im „Kalten Krieg 2.0“ die schon existierenden gesellschaftlichen Spaltungen in den USA und im Westen für sich „ausbeuten“:

„Sie benutzen diese alten Maßnahmen und updaten bzw. modernisieren sie ein bisschen für unsere Zeit von Twitter und Facebook.“

Dazu gehört für Harding zum einen die angebliche russische Internet-Kampagne gegen Hillary Clinton. Zu anderen sieht er gezielt eingesetzte russische Agenten im Umfeld von Trump, um diesen zu bearbeiten.

Hat Trump „Hochverrat“ begangen?

Der britische Journalist wurde bei der Vorstellung seines Buches gefragt, wieviel Fakten darin sind, wie viele Fake News es enthalte und ob es sich um eine These oder einen Fakt handele, dass Trump von Moskau gesteuert werde. Dazu meinte Harding, er habe alles sorgfältig recherchiert und sehr gründlich gearbeitet. Er stütze sich auf russische Quellen ebenso wie auf Aussagen von heutigen und ehemaligen Geheimdienstleuten. Sein US-Verlag habe alle Fakten gecheckt und bestätigt.

Im Buch bezichtigt er den aktuellen US-Präsidenten tatsächlich des „Hochverrats“ wegen „verbotener geheimer Absprachen mit einer ausländischen Regierung“, auch wenn er hinzufügt, dass das „in manchen zentralen Punkten wohl nicht zu beweisen sein wird“. Dabei muss Harding immer wieder zum Konjunktiv, zur Möglichkeitsform, greifen, da er nicht belegen kann, was er Trump und Moskau vorwirft.

„Geplante PR-Kampagne“

In Berlin sagte er auch, er denke nicht, dass im Kreml jemand davon ausging, dass Trump die Wahl 2016 gewinnt. „Das war ein Schock und eine Überraschung“ selbst in Moskau und für den russischen Präsidenten Wladimir Putin, meinte Harding. Alle seien von einem Sieg Clintons ausgegangen. Aber nun würde Russland den „Chaos-Kandidaten Trump“, der das demokratische System der USA zerstöre, für sich nutzen. Von Sputnik auf die 2016 vom US-Journalisten Greg Palast offengelegten massiven US-internen Wahl-Manipulationen angesprochen, meinte er, dies sei nicht sein Thema. So reagierte er auch auf den Hinweis auf die 1996 nachweislich erfolgte massive US-Hilfe für die Wiederwahl von Boris Jelzin in Russland.

Für den Publizisten und früheren SPD-Politiker Albrecht Müller sind Hardings Buch und die Vorabauszüge daraus im Magazin „Stern“ „Belege dafür, dass solche Kampagnen wie die gegen Russland und die Instrumentalisierung des vor einem Jahr gewählten amerikanischen Präsidenten zu diesem Zweck bis ins Feinste geplant werden“. Der ehemalige Mitarbeiter der Bundeskanzler Willy Brandt und Helmut Schmidt erklärte gegenüber Sputnik, Harding sei „Teil einer PR-Aktion, und dieses Buch ist eine Auftragsarbeit.“ Er könne das gut beurteilen, weil er früher an solchen Kampagnen mitgewirkt habe. An dem Buch des Briten und seinen Äußerungen ließen sich „alle Methoden der Manipulation sichtbar machen“, so der Herausgeber des Online-Magazins „Nachdenkseiten“:

„Die Wiederholung der gleichen Vorwürfe, die klare Übertreibung wie ‚Watergate‘. Das läuft nach dem Motto: Wenn man das so sagt, bleibt irgendetwas hängen.“

Das gelte auch für den Vorwurf des „Hochverrats“.

„Wütendes Gestammel eines Journalisten“

„In der Sache gibt es nichts Neues“, kommentierte der Politikwissenschaftler Erhard Crome gegenüber Sputnik die Aussagen Hardings. Es handele sich um „das wütende Gestammel eines Journalisten, der sich dafür rächen will, dass er in Moskau rausgeworfen wurde“. Crome hat in diesem Jahr ein Buch über „Trump und die Deutschen“ veröffentlicht. Darin kritisiert er auch die Kampagne gegen Trump wegen seiner angeblichen Russland-Verbindungen.

Crome meinte:

„Die Hetzkampagne der interventionistischen Globalisten und besonders der Demokratischen Partei, der Familie Clinton und der Obama-Jünger ist jetzt eine Konstante in der Politik der USA. Sie wollen ihre Wahlniederlage nicht verwinden und den außenpolitischen Kurswechsel möglichst erschweren. Dazu nutzen sie jede passende und unpassende Gelegenheit. Je länger Trump regiert, desto wütender werden die Gegner. Und je weniger neue Fakten in Sachen Russland-Connection tatsächlich gefunden werden, desto schriller wird das Geschrei.“

Dazu gehöre auch das Harding-Buch.

Westliche Einmischung in Russland

Was Harding schreibe und sage, sei „eigentlich ungeheuerlich, weil es so oberflächlich und so leicht durchschaubar ist“, stellte Publizist Müller fest. Für ihn sei die Frage:

„Wieso kann man einem Politiker vorwerfen, dass er gute Verbindungen zu einem anderen Land und dessen Politikern aufbaut? Das war doch selbstverständlich bei unserer Arbeit früher, als ich im Kanzleramt war.“

„Er lügt“, sagte der Ex-SPD-Politiker Müller zu den Vorwürfen des britischen Journalisten, Russland sehe den Westen ununterbrochen als Feind. Das habe sich erst in den letzten Jahren so entwickelt: „Da muss man doch mal sehen, welche Rolle der Westen in diesem Zusammenhang gespielt hat.“ So habe der Westen sich in den 1990er Jahren direkt in die innenpolitische, soziale und wirtschaftspolitische Gestaltung Russlands eingemischt, was Naomi Klein in ihrem Buch „Die Schock-Strategie“ beschrieben habe. Müller verwies dabei auch auf die Jelzin-Wiederwahl 1996. „Gibt es eine deutlichere Intervention als das? Das ist doch um Welten mehr, als wenn nur ein wenig der Vorwürfe gegen Trump richtig wäre.“

Hoffnung auf Rückkehr zur Vernunft

„Wer die derzeitigen Debatten in den USA verfolgt, dem kann angesichts des Tones, der gegenüber Russland angeschlagen wird, nur Angst und Bange werden“, stellt die Journalistin Gabriele Krone-Schmalz in ihrem neuen Buch „Eiszeit – Wie Russland dämonisiert wird und warum das so gefährlich ist“ fest. Die angebliche „Russland-Affäre“ Trumps biete für die Demokraten und die Clinton-Anhänger eine „willkommene Möglichkeit, allen selbstkritischen Fragen auszuweichen. Ihre Niederlage ist nur den bösen Machenschaften Moskaus geschuldet. Nicht das amerikanische Volk hat Trump an die Macht gebracht, sondern der Kreml.“

Krone-Schmalz stellt fest:

„Die Wahrheit ist: Die Amerikaner haben Trump aus freien Stücken gewählt, und gegenüber der inneramerikanischen Propaganda trat alles, was aus Moskau kam, zurück.“

Sie hoffe, „dass bald wieder die Vernunft einkehrt, bevor die Angst vor russischer Einflussnahme und die Jagd nach russischen Agenten eine Dimension erreichen wie in den 1950er Jahren die Kommunistenhatz unter dem berüchtigten Senator McCarthy.“ Diese unselige Ära wiederzubeleben, dazu trägt Hardings Buch allerdings mehr bei als zu einer Rückkehr zu Vernunft und Entspannungspolitik.