„Pegida ist die AfD auf Dresdens Straßen – die AfD ist Pegida bundesweit“

„Pegida ist zahlenmäßig geschrumpft, politisch aber erfolgreicher denn je“, so der Politologe Werner Patzelt. Seit drei Jahren demonstrieren die „Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“ (Pegida) montags in der sächsischen Landeshauptstadt Dresden. Am vergangenen Samstag hatten sie zum dritten Jubiläum eingeladen.

Etwa 3.000 Menschen kamen laut Medienberichten zu Pegida. Damit habe die Teilnehmerzahl deutlich unter den etwa 8.000 von vor einem Jahr gelegen, hieß es. Von einem „einen eher traurigen Geburtstag“ berichtete die lokale Zeitung „Dresdner Neueste Nachrichten“ (DNN): „Die Teilnehmerzahl blieb weit hinter den Erwartungen zurück, die Technik funktioniert nicht und auch das ‚patriotische Kinderfest‘ gab es nicht. Stattdessen punkteten die Gegendemonstranten.“

Der Dresdner Theaterplatz, auf dem sich die Pegida-Leute und ihre Anhänger versammelt hatten, sei nicht mal zur Hälfte voll gewesen. Und der mehrfach vorbestrafte Pegida-Chef Lutz Bachmann habe „schon im Vorfeld gleich mehrfach gelogen, um seine Anhänger zu mobilisieren. Neben einer Schmutzkampagne gegen die Macher der Hope-Gala log er über Pegidas Wunsch-Standort, log über den Rechtsstreit mit der Stadt und log über ein angebliches ‚patriotisches Kinderfest‘, das er geplant hätte, mit Hüpfburg, Süßigkeiten und allem Pipapo.“

Pegidas Wirkung: „Wo sind wir nur hingekommen?!“

Den Berichten nach wurden mehr als 3.000 Gegendemonstranten bei sechs Veranstaltungen mobilisiert. Zu ihnen habe Dresdens Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) gehört, der bei der  Demonstration unter dem Motto „Herz statt Hetze“ laut den Berichten sagte: „Es ist wichtig aufzuzeigen, wo sind rote Linien.“ Enthemmung sei in der Gesellschaft nicht duldbar, aber auch in Dresden spürbar. Dagegen wolle er Gesicht zeigen. Er wolle keinen Rassismus in der Stadt sehen, sagte Hilbert. Und stellte laut DNN klar, er sei kein Bürgermeister von Pegidas Gnaden.

Pegida hat zumindest gezeigt, dass die Bewegung immer noch da ist, wenn auch schwächer. Sie hat weiter Wirkung. Wie weit die geht, machte Sachsens Kunstministerin Eva-Maria Stange laut der Zeitung „Neues Deutschland“ (ND) deutlich. Das Blatt zitierte die Ministerin, laut der das Ballett der Semperoper nicht mehr montags probt, weil sich die aus vielen Ländern stammenden Tänzer am Tag von Pegida nicht mehr über den Theaterplatz trauen. „Wo sind wir nur hingekommen?!“, habe Stange am Samstag in Dresden gefragt.

Pegida als außerparlamentarischer Arm der AfD

Zu der Pegida-Veranstaltung am Samstag kamen neben rechten Publizisten auch AfD-Abgeordnete, wie der in den Bundestag gewählte Ex-Richter Jens Maier aus Dresden. Medienberichten zufolge hat es am Samstag in Dresden einen „Schulterschluss“ zwischen der islamfeindlichen rechten Bewegung und der rechtskonservativen Partei gegeben. Das sei mit der AfD unter Frauke Petry nicht möglich gewesen. Nach deren Austritt aus der Partei ist das Verhältnis laut ND nun so: „Pegida inszeniert sich umgehend als außerparlamentarischer Arm der AfD.“ Bachmann habe in Dresden zuversichtlich angekündigt, dass die Landtagswahl 2019 in Sachsen einen ersten AfD-Ministerpräsidenten hervorbringen werde. Bei der Bundestagwahl am 24. September war die Partei in dem ostdeutschen Bundesland stärkste Kraft geworden.

„Pegida ist die AfD auf der Straße Dresdens und die AfD ist Pegida bundesweit“, bestätigte der Politikwissenschaftler Werner Patzelt von der Technischen Universität (TU) Dresden gegenüber Sputnik. „Pegida und AfD sind dasselbe und haben nur verschiedene Gestalt“, hatte er bereits 2016 in Auswertung einer Studie über die Anhänger der Protestbewegung erklärt. „Pegida ist zahlenmäßig geschrumpft, politisch aber erfolgreicher denn je“, stellte er nun fest. Nach dem Ergebnis bei der Bundestagswahl liege sie auch in Umfragen mit Blick auf die nächste sächsische Landtagswahl deutlich stärker. Die Protestbewegung sei der „massenwirksame Ausbruch“ des deutschen Rechtspopulismus, gefördert von speziellen Bedingungen in Ostdeutschland bzw. Sachsen.

Alte Weisheit: „Totgesagte leben länger“

Es handele sich zwar um ein Dresdner Phänomen, meinte Patzelt und ergänzte: „Hier kam lediglich ein Vulkanschlot empor, durch den sich jenes rechtspopulistisches Magma seinen Weg an die politische Oberfläche bahnte, das unter ganz Deutschland, ja unter ganz Europa schlummert.“ Die AfD sei im Sommer 2015 auf Pegida-Kurs eingeschwebt, so der Politologe, und habe verstanden, dass die Positionen der Dresdner Bewegung massenwirksam seien.

„Nunmehr ist die Fusion vollzogen. Es kann sein, dass sich Pegida eines Tages zu einer AfD-kritischen Bewegung entwickelt, wenn die AfD dem Schicksal aller deutschen Parlamentsparteien unterliegen wird, nämlich eine ganz normale politische Kraft innerhalb dieses politischen Systems zu werden.“

So lange das nicht geschehe, werde es zwischen der Partei und der Bewegung „ein politisches Einvernehmen intensiver Art“ geben.

Patzelt riet davon ab, Pegida tot zu sagen: „Totgesagte leben länger“. Er habe in deren Anfangszeit selbst wie andere Beobachter den Fehler gemacht, „nicht richtig zu sehen, wieviel gesellschaftliche Protestwucht sowohl hinter Pegida als auch der AfD steckt“. Der „Zustand großer gesellschaftlicher Polarisierung“ hat aus Sicht des Politikwissenschaftlers zu „regelrechten Hassbeziehungen zwischen AfD- sowie Pegida-Anhängern und dem Rest der Zivilgesellschaft“ mit entsprechenden Konfrontationen geführt. „Da wird sich in keinerlei Weise in absehbarer Zeit irgendetwas normalisieren oder in konstruktive Bahnen lenken lassen.“ Die Zeiten, in denen das möglich gewesen sei, seien leider versäumt worden, bedauerte Patzelt.