Für den russischen Kosmonauten Michail Kornijenko ist die internationale Zusammenarbeit im Weltraum in Form der Internationalen Raumstation (ISS) das wichtigste Ergebnis der 60jährigen Geschichte der Raumfahrt. Deren Zukunft und ihren Nutzen sieht er in der weiteren Kooperation – auch als Mittel gegen zunehmende Konfrontation auf der Erde.
Michail Kornijenko (Jahrgang 1960) war bisher zweimal im Weltraum. Im Jahr 2010 forschte er das erste Mal 176 Tage lang an Bord der ISS als Mitglied einer internationalen Mannschaft. Fünf Jahre später begann sein zweiter Aufenthalt in der Station, diesmal für insgesamt 340 Tage. Gegenwärtig bereitet er sich auf einen dritten Flug ins All vor. Am 25. September war er als Gast einer Finissage einer Foto-Ausstellung der Rosa-Luxemburg-Stiftung (RLS) über Juri Gagarin in Berlin.
Was verbinden Sie als Kosmonaut mit 60 Jahren Raumfahrt? Hat sich das bis heute gelohnt?
Es hat sich gelohnt in dem Sinn, dass die Raumfahrt gezeigt hat, wie wichtig und nützlich es ist, zusammenzuarbeiten, nicht nur im Rahmen der Politik und der Wirtschaft, sondern auf allen Gebieten. Das ist ein Aspekt. Der andere Aspekt ist, was Konstantin Ziolkowski schon sagte: Die Menschheit kann nicht ewig in der Wiege bleiben. Wir müssen die Wiege verlassen. Das haben große Leute gesagt, nicht ich.
Was ist aus Ihrer Sicht das bedeutsamste Ereignis in diesen 60 Jahren Raumfahrt, abgesehen von Ihren eigenen Flügen?
Ich kann das nur wiederholen: Das ist die internationale Raumstation ISS. Das ist ein ideales Beispiel für Zusammenarbeit, wie Menschen unterschiedlicher Länder, Nationalitäten, Konfessionen produktiv zusammenarbeiten zum Wohle der Menschheit.
Wie hat die Raumfahrt die Sicht auf die Erde verändert? Kosmonauten wie Sigmund Jähn sagen heute: Wir müssen erst einmal die Erde wieder in Ordnung bringen, bevor wir in den Kosmos fliegen …
Ich würde diese Begriffe zusammenführen wollen, denn der Kosmos hilft, auch die Erde besser zu verstehen.
Was können Raumfahrer tun für ein besseres Verständnis des Umgangs mit der Erde?
Bei den Politikern anzuklopfen oder sie zu berühren, das ist fast nicht möglich. Das ist genauso, als wenn man in den Kosmos rufen oder brüllen würde. Wichtig ist es, wie heute bei solchen Veranstaltungen, Menschen anzusprechen, mit ihnen in Kontakt zu kommen, um dann diese Gedanken auch weiter zu bringen. Wenn mich hier jemand verstanden hat, ist viel erreicht. Die erzählen das auch ihren Freunden weiter – und dann habe ich meine Aufgabe teilweise erfüllt.
Wie sehen Sie die Zukunft der Raumfahrt?
Ich sehe die Zukunft in der Zusammenarbeit. Das ist eine internationale Angelegenheit, wie teuer das auch sein mag. Es geht um die Zukunft der Menschheit, diese Aufgabe gilt es, zu lösen.
Es gibt wieder mehr Konfrontation auf der Erde. Auch die bemannte Raumfahrt war eine Zeit lang von militärischen Interessen bestimmt. Droht eine neue Militarisierung der Raumfahrt?
Ich hoffe sehr, dass dieses Beispiel der internationalen Raumstation ISS und die enge Zusammenarbeit dort dazu beiträgt, genau diese sich anbahnende Situation zu entschärfen und zu lösen.
Was würden Sie heute Kindern sagen, die sich für Raumfahrt interessieren, worauf sie sich konzentrieren sollen?
Zuallererst: Wenn ein Kind diesen Wunsch hat, dann sollte es diesen Wunsch auch konsequent und unbeirrt verfolgen und sich von nichts davon abbringen lassen.
Interview: Tilo Gräser/Übersetzung: Werner Reinhardt