Gysi: Gleiche Lebensverhältnisse schaffen und Fluchtursachen bekämpfen

Die Partei Die Linke hat am Montag einen „Gerechtigkeitsplan Ost“ vorgestellt. Fraktionschef Dietmar Bartsch und Gregor Gysi, sein Vorgänger, kritisieren den schwachen Wahlkampf der SPD und die CDU-Strategie, heiße Themen zu umschiffen. Ich habe bei Gysi nachgefragt, auch wie die Partei mit dem Thema Zuwanderung in Ostdeutschland umgehen will.

Herr Gysi, Sie haben gemeinsam mit Dietmar Bartsch, einem der beiden Spitzenkandidaten der Linkspartei, am Montag ein Programm für Ostdeutschland vorgestellt. Welches sind die wichtigsten Punkte darin?

Wir wollen ein Ministerium, das generell zuständig ist für Infrastruktur in ganz Deutschland, weil das eine der wichtigsten Entwicklungsfragen ist, und zusätzlich zuständig für die neuen Bundesländer ist, weil wir endlich eine Angleichung der Lebensverhältnisse benötigen. In der nächsten Legislaturperiode haben wir den 30. Jahrestag der Herstellung der deutschen Einheit und es geht nicht, dass die Lebensverhältnisse so unterschiedlich bleiben. Nach wie vor haben wir keine gleiche Rente für die gleiche Lebensleistung. Die Leute im Osten müssen im Schnitt zwei Wochen länger arbeiten als die Menschen im Westen und bekommen dafür auch noch einen niedrigeren Lohn. Das ist einfach nicht mehr zu akzeptieren! Es ist im Interesse des Ostens, aber auch des Westens, endlich gleiche Lebensverhältnisse herzustellen.

Sie haben nicht nur die Bundesregierung für ihre bisherige Politik kritisiert, sondern auch den Wahlkampf der anderen Parteien, für die das Thema Ostdeutschland, aber auch das Thema soziale Gerechtigkeit keine Rolle spiele. Was kann Ihre Partei tun angesichts von Untersuchungen, denen zufolge die Mehrheit der Wähler sich gar nicht so sehr für die soziale Lage interessiert, stattdessen mehr Angst vor Gewalt, Kriminalität und auch Zuwanderung hat?

Erstens muss man natürlich gegen Gewalt und Kriminalität etwas tun. Seit Jahren sagen wir, dass wir mehr Polizei auf den Straßen brauchen, um den Schutz zu vergrößern. Ich hatte schon früher immer einen Streit wegen der Kameras auf den Bahnhöfen und in den Bussen. Ich habe gesagt: Die erleichtern die Strafverfolgung, aber die kommen nicht runter und helfen nicht – man braucht Personal, um das zu verhindern! Und was die Flüchtlinge betrifft, so ist doch die soziale Frage eine der Ursachen. Nach wie vor verhungern 18 Millionen Menschen auf der Erde, obwohl wir weltweit eine Landwirtschaft haben, die die Menschheit zweimal ernähren könnte. So stehen doch soziale Fragen. Die Kriege lösen soziale Fragen aus.

Natürlich gibt es Ängste. Die Menschen haben Angst, dass sie selber etwas verlieren. Also müssen wir sagen: Es gibt nur einen Weg, die Flüchtlingszahlen wirksam zu reduzieren – das ist die Bekämpfung der Fluchtursachen. Da kann vieles schnell gehen. Die Fehler will ich jetzt nicht alle im Einzelnen aufzählen, die da begangen werden. Aber genau dafür streiten wir  und das muss Die Linke in den Vordergrund stellen. Natürlich stehen wir immer an der Seite aller schwachen Menschen auf der Erde. Wir machen das nicht abhängig von einer Nationalität. Aber wir wissen auch, welche Schritte man gehen muss, um nicht nur die Lebensverhältnisse zwischen Ost und West, sondern, wenn man so will, Schritt für Schritt, vorsichtig und langsam, aber doch weltweit anzugleichen.

Was sagen Sie zum Beispiel einem ehemaligen DDR-Polizisten aus Mecklenburg-Vorpommern, der sich über die Flüchtlinge aufregt, weil die alles fordern würden und auch kriegen, während er immer weniger bekomme? Ein anderes Beispiel: In der sozialen Arbeit war für die Aufgaben für Geflüchtete plötzlich sehr viel Geld da, während vorher in dem Bereich immer nur gekürzt wurde.

Ich würde versuchen, ihm zu erklären, dass ein Kampf Arme gegen Arme nichts bringt. Nur wenn er den Mut hat, gegen falschen Reichtum zu kämpfen, kann es ihm besser gehen. Alles andere bringt nichts. Ich habe mal zu solchen Leuten gesagt: ‚Mal angenommen, es gebe keine Ausländer mehr und wir hätten eine Milliarde Euro mehr – wie kommt Ihr darauf, dass Ihr davon einen Euro abbekommt?‘ Da haben sie mich erstaunt angesehen. Deshalb habe ich gesagt: ‚Wenn Ihr nicht den Kampf gegen oben, gegen den falschen Reichtum führt, habt Ihr gar keine Chance! Ein Kampf zwischen den Armen, darüber freuen sich die Reichen, wenn der geführt wird.‘ Das würde ich versuchen, ihm zu erklären.

Was will Ihre Partei tun, um den Menschen das klar zu machen?

Wir müssen das aufschreiben, wir müssen das erzählen, wir müssen auf Kundgebungen darüber sprechen. Das mache ich auch in meinen Bürgerinnen- und Bürger-Sprechstunden, in meinem Wahlkreis und überall. Ich glaube, das ist letztlich der einzige Weg.

Gregor Gysi ist Mitglied des Deutschen Bundestages (Linksfraktion) und Präsident der Partei Europäische Linke Weitere Informationen zum „Gerechtigkeitsplan Ost“ der Partei Die Linke online