Es gibt laut dem deutschen Außenminister keinen Hinweis auf eine russische Einmischung in den derzeitigen Bundestagswahlkampf, so Sigmar Gabriel am Freitag in Berlin. Mit Blick auf den G20-Gipfel will Berlin die Verständigung zwischen den USA und Russland unterstützen. Für Gabriel gehen neue US-Sanktionspläne gegen Russland zu weit.
Der deutsche Außenminister Sigmar Gabriel antwortete auf die Frage von mir zu Spekulationen über angebliche russische Einmischung in den Bundestagswahlkampf durch Hacker und Meinungsmache mit Hilfe von Medien: „Ich habe keinen Hinweis darauf, dass es diese Absicht gibt.“ Er habe bereits im März dieses Jahres gesagt, er könne sich das nicht vorstellen und warne davor so etwas zu machen. Gabriel traf sich am Freitag mit Vertretern ausländischer Medien im Rahmen einer Veranstaltung des Vereins der ausländischen Presse in Deutschland (VAP).
Die Verständigung zwischen den USA und Russland sei notwendig „in vielen Konflikten der Welt“, hob Gabriel mit Blick auf den G20-Gipfel in Hamburg am 7. und 8. Juli hervor. Er gehe davon aus, dass US-Präsident Donald Trump und der russische Präsident Wladimir Putin sich treffen. Es wäre „fast schon seltsam“, wenn das nicht geschehe. Die russische-US-amerikanische Verständnisfähigkeit sei auch wichtig, um die derzeitige Krise am Persischen Golf zu lösen, aber auch in Syrien, Libyen sowie in der Ukraine.
US-Gesetzesinitiative innenpolitisch gegen Trump gerichtet
Für den deutschen Außenminister sind neue Initiativen in den USA zu antirussischen Sanktionen im Gas-Bereich nicht nur klar von wirtschaftlichen Interessen bestimmt: „Es ist ja in Wahrheit eine Gesetzesinitiative gegen Donald Trump“, sagte Gabriel auf eine Frage von „RT deutsch“. Es sei ein Teil der US-Innenpolitik und „ermutigend offenherzig“, dass die Initiatoren im US-Senat in dem Gesetzentwurf klar formulierte wurde, es gehe um die Konkurrenzinteressen der USA als Erdgasproduzent. Sein Kommentar dazu: „Das kann es ja nicht sein.“ Er unterstütze dabei US-Außenminister Rex Tillerson, der die Gesetzesinitiative als „zu weitreichend“ ansehe. Die EU habe vor Jahrzehnten die Liberalisierung des Gasmarktes beschlossen, wonach die privatisierten Versorgungsunternehmen selbst entscheiden können, woher sie das Erdgas beziehen – „nach marktwirtschaftlichen Konditionen“.
„Was jetzt aus politischen Gründen passiert, ist der Versuch eines roll back“, kritisierte Gabriel die Gesetzesinitiative aus Washington. Wenn Unternehmen aus mehreren Ländern an dem europäisch-russischen Projekt Nord Stream 2 aus wirtschaftlichen Gründen festhalten, sei das gut.
„Aber zu sagen: Ich als amerikanischer Staat nutze jetzt Sanktionsmechanismen, um europäische Projekte zu torpedieren, das geht eben nicht, finde ich.“
Der Außenminister sprach sich auch dafür aus, dass die Europäische Union (EU) sich dagegen wehrt, wenn die US-Politik zum Beispiel mit angeblichen Antidumping-Zöllen Regeln der Welthandelsorganisation WTO außer Kraft setzen will bzw. das versucht.
Berlin will Verhältnis zur Türkei klären
Gabriel sprach gegenüber den ausländischen Korrespondenten auch über die Themen, die Deutschland auf dem G20-Gipfel ansprechen will. Berlin hat derzeit die jährlich wechselnde Präsidentschaft in dem Staatenforum inne. Dazu gehöre die „nach wie vor sehr schwierige Situation in den Beziehungen zur Türkei. Ankara fühle sich nicht angemessen von Deutschland behandelt „in dem, was die türkische Regierung als Terrorismus empfindet in Folge des versuchten Staatsstreiches“. Berlin habe „große Sorgen um die Meinungsfreiheit in der Türkei“. „Trotzdem freuen wir uns natürlich auf den Besuch von Staatspräsident Erdogan beim G20-Gipfel“, betonte der deutsche Außenminister ausdrücklich.
Allerdings sei die Bundesregierung aktuell gegen Wahlkampfauftritte türkischer Politiker hierzulande, die für „nicht angemessen“ gehalten werden. Es habe dazu aber auch keine direkte Anfrage der türkischen Regierung gegeben, so Gabriel. Die Probleme in den deutsch-türkischen Beziehungen müssten bereinigt werden. Er bedauerte, dass die deutsche Regierung sich nicht deutlicher gegen den Putschversuch im Juni 2016 ausgesprochen habe. Dieser habe gezeigt, dass es in der Türkei einen sogenannten Tiefen Staat gebe, was in der Bundesrepublik nicht der Fall sei. Die deutsche Solidarität mit der türkischen Regierung und der Bevölkerung hätte deutlicher ausgedrückt werden müsse, meinte der Außenminister, und fügte hinzu „Wir hätten ja auch hinfahren können.“ Es sei ein Fehler gewesen, dass das nicht geschehen sei.
Bundestagsbeschluss zu „Ehe für alle“ dank Merkels „Unfall“
Berlin wolle sich in Hamburg auch für die Vermittlungsbemühungen Kuweits in der aktuellen Krise am Persischen Golf einsetzen.
„Wir als Deutsche stehen nicht auf der einen oder anderen Seite dieses Konflikts. Wir haben zu all den Ländern dort gute Partnerschaften.“
Es müsse alles dafür getan werden, die Finanzierung von Terroristen und Extremisten zu unterbinden, „die ja nicht nur von Einzelpersonen in Katar begangen wurde, sondern auch aus anderen Teilen der Region“. Dafür müsse diese „schwierige Situation“, ausgelöst durch die Blockade Katars durch mehrere Staaten, gut geklärt werden. Berlins Interesse sei, dass der Golfkooperationsrat gemeinsam arbeite und stark bleibe, „auch aus Sicherheitsgründen“.
Gabriel beantwortete bei der traditionellen VAP-Runde mit deutschen Außenministern weitere Fragen zu Osteuropa und der EU, zu China, ebenso zu Brasilien, dessen Präsident nicht nach Hamburg kommt, sowie zu Problemen bei Zypern. Er wurde auch nach der Entscheidung zur „Ehe für alle“ im Bundestag gefragt und meinte:
„Das sind die schönsten Stunden im deutschen Parlament, wenn sich die Abgeordneten nicht an die üblichen Regeln halten.“
Er fügte einen kleinen Seitenhieb gegen die Kanzlerin hinzu: „Dass das by accident von Frau Merkel passiert ist – okay, so what.“