US-Präsident Donald Trump setzt seit 100 Tagen Grundlinien der Politik der USA weltweit fort. Er steht dabei unter Druck des US-Establishments. Gegen positive Zeichen stehen die neue Aufrüstung und die Interessen der neuen US-Führungsriege, so eine Diskussionsrunde in Berlin. Die Ärzteorganisation IPPNW warnt vor der anhaltenden Atomwaffengefahr.
Nicht die Person von Donald Trump mache ihm Angst, „es geht um die Art von Politik, die uns alle sehr besorgt“. So beschrieb Alex Rosen am 28. April, was ihn nach 100 Tagen Amtszeit des neuen US-Präsidenten bewegt. Rosen ist stellvertretender Vorsitzender der deutschen Sektion der Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges/Ärzte in sozialer Verantwortung (IPPNW). Er eröffnete damit eine Veranstaltung der Organisation über die Realität und die Perspektiven von Krieg und Frieden nach den ersten 100 Tagen der neuen US-Administration zu Beginn eines dreitätigen IPPNW-Mitgliedertreffens.
Kinderarzt Rosen wies daraufhin, dass Trump nicht alleine sei, sondern ein Kabinett aus Unternehmen und Bankern, aus Milliardären und Millionären um sich habe. Er sehe besorgniserregende Trends in der US-Politik besonders angesichts der aktuellen Weltlage, sagte er mit Blick auf aktuelle Konflikte wie in Südostasien und im Nahen Osten sowie der Ukraine. Darin seien zum Teil atomar bewaffnete Staaten verwickelt. Das zeige, „dass das, was in Washington entschieden und getan wird, uns nicht egal sein kann, sondern uns ganz direkt auch betrifft“.
Trump nur Opportunist oder veränderungswillig?
Die Außen- und Sicherheitspolitik von Trump sei bereits im Wahlkampf widersprüchlich gewesen, schätzte Jerry Sommer in der Diskussionsrunde ein. Der Militär- und Rüstungsexperte ist Journalist und freier Mitarbeiter beim Friedensforschungsinstitut „Internationales Konversionszentrum Bonn“ (BICC). „Auf der einen Seite sehen wir, dass er sich von der Rolle der USA als Weltpolizist mit Interventionen zur Demokratisierung und Regime-Change in anderen Ländern abgesetzt hat.“ Sommer war sich nicht sicher, ob das tatsächlich Trumps Meinung war oder der neue US-Präsident sich damit nur einer weitverbreiteten Stimmung in den USA angepasst hat. Das bezog er auch auf den angeblichen Wunsch Trumps, die Beziehungen zu Russland zu normalisieren. Dagegen stehe „von Anfang an, dass er sich für eine Verstärkung der US-Militärmacht ausgesprochen hat und hohe Manager der Rüstungsindustrie und Generale in seine Führungszirkel geholt hat“. Das habe „automatisch die Tendenz“, dass ein solches Personal „eher zu militärischen Lösungen und Aktivitäten greift und höhere Rüstungsausgaben auch rechtfertigen muss durch militärische Aktionen und nicht durch Nichtstun“.
Sommer widersprach ansatzweise jenen, die meinen, dass der neue US-Präsident in den ersten 100 Amtstagen sich nur den Realitäten angepasst habe: „Ich glaube, er ist unter dem Druck des republikanischen und auch des demokratischen außenpolitischen Establishments von seiner Wahlrhetorik in einer Reihe von außenpolitischen Punkten abgerückt.“ Der Experte verwies unter anderem auf die „Hexenjagd“ gegen Trump beim Thema des Verhältnisses zu Russland. Das hätten sogar ehemalige US-Diplomaten kritisiert. „Jeder Kontakt zu Russland wird als Verrat, als Spionage und ähnliches verurteilt.“
Das zeige, dass sich wieder „die alten etablierten Denkmuster und Anti-Russland-Schablonen“ im republikanischen und demokratischen Establishment durchgesetzt hätten. Der „Modus vivendi“ sei, Russland „für alles Böse verantwortlich“ zu machen, so in Syrien oder der Ukraine, aber mögliche Verbesserungen nicht auszuschließen. Er sehe „noch nicht eine neue Aufrüstungsrunde“ zum Beispiel durch mehr Truppen in das Baltikum und eine folgende Eskalationsspirale, meinte Sommer. Das hänge aber stark von den Westeuropäern ab. Diese würden derzeit leider kaum über eine neue gemeinsame Sicherheit mit Russland, sondern über mehr Rüstung nachdenken und reden.
Neuer US-Präsident hält sich wie Vorgänger an Drehbuch
Der Druck auf Trump und sein Abrücken von Wahlkampfaussagen zeige sich auch in der Bombardierung Syriens am 7. April ohne Beweise bis heute für einen als Begründung genutzten Giftgaseinsatz durch die syrische Regierung Tage zuvor, ebenso die massive Unterstützung für Saudi-Arabien, die wachsende Konfrontationsrhetorik gegen den Iran und die militärische Machtdemonstration gegen Nordkorea. Letzteres, obwohl von diesem Land „keinerlei Angriffsgefahr oder Bedrohung für die USA oder auch Südkorea ausgeht“, betonte Der Experte. „Die Atomwaffen sind für Nordkorea vor allem als Abschreckungsmittel gegen Interventionen gedacht und haben eine gewisse Logik.“
Er glaube, die relativ „gute Nachricht“ sei, „dass Trump sich völlig an das sogenannte Drehbuch hält, das auch schon Barack Obama angesprochen hat, dass in den USA dazu tendiert wird, militärische Antworten auf Probleme zu suchen, und diese aber nur angesichts des internationalen Kräfteverhältnisses nur in einem gewissen Rahmen stattfinden“. Das bedeute: „Militärschläge ja – die übrigens schon Ronald Reagan, Bill Clinton und George Bush, der Ältere, gemacht haben, wenn ihnen irgendetwas in der Welt nicht gepasst hatte –, aber kein massiver Truppeneinsatz. Militärische Machtdemonstration ja, aber nur so, dass keine großen Eskalationsgefahren bestehen.“
Kathleen Brown, in Berlin lebende US-amerikanische Pädagogin und Mitglied der Gruppe „The Coalition“, bestätigte Sommers Analyse, dass Trump unter Druck des US-Establishments stehe. Bei allen Unterschieden seien sich beide großen Parteien einig, wenn es um die Interessen der Reichen wie auch der militärischen Dominanz der USA in der Welt geht. Beide hätten die Kriege in Afghanistan und gegen den Irak befürwortet. Obama habe den Drohnenkrieg verzehnfacht, erinnerte Brown. Der Trump-Vorgänger habe das Konzept des US-Imperiums, des US-Imperialismus, rehabilitiert und den „Krieg gegen den Terror“ ausgeweitet.
Establishment sichert Kontinuität ab
Beim jüngsten Angriff seien wieder humanitäre Begründungen benutzt worden, bis hin zu Trumps Rede von den „wunderschönen Babys“, die durch das Giftgas angeblich umgebracht wurden. Hillary Clinton habe den Militärschlag ebenso wie die US-Medien unterstützt. „Es gibt eine Kontinuität in diesen ausufernden Kriegen und in der Eskalation“, schätzte die US-Amerikanerin ein. Sie warnte, dass sich die USA auf Kriege in Südostasien vorbereiten. Und meinte, nachdem der als rechts und „weißer Nationalist und Isolationist“ geltende Trump-Berater Stephen Bannon beiseite gedrängt wurde, hätten die „traditionellen Militärberater gewonnen“. Brown bedauerte, dass die US-Friedensbewegung seit der Wahl von Obama 2008 faktisch nicht mehr existiere, weil viele damals geglaubt hätten: „Jetzt wird alles besser.“ Sie sei auch bei Clinton-Kontrahent Bernie Sanders skeptisch gewesen, gegen dessen Kriegsunterstützung in seiner Funktion als Senator von Vermont sie zusammen mit anderen lange Zeit demonstriert habe.
In der Diskussionsrunde am ersten Abend des IPPNW-Treffens warnte Inga Blum, Neurologin und im Vorstand der deutschen Sektion, vor der durch Trump geschürten Stimmung aus Angst, Hass auf Randgruppen und Machtdemonstration eines „starken Mannes“. Der US-Präsident sei ein „Phänomen der Spaltung der US-Gesellschaft“ und habe zugleich eine große Gegenbewegung hervorgerufen. Sie forderte die Friedensbewegung hierzulande dazu auf, nicht zu resignieren. Ein Ziel könne es sein, sich für den Abzug der Atomwaffen aus der Bundesrepublik einzusetzen. Das würde die Bewegung der atomwaffenfreien Staaten für ein Verbot dieser Massenvernichtungswaffen unterstützen, über die Sascha Hach, Mitglied im Vorstand der „International Campaign to Abolish Nuclear Weapons“ (ICAN) in Deutschland, berichtete.
Selbst Obama habe diese Bewegung verspottet und gegen sie gearbeitet, verwies der ICAN-Vertreter auf Kontinuitäten in der US-Politik. Diese Linie setze auch die Bundesregierung fort, obwohl nach einer Umfrage der Organisation im Jahr 2016 eine Mehrheit von 85 Prozent der Bundesbürger dafür ist, dass die auf deutschem Boden gelagerten Atomwaffen abgezogen werden. 93 Prozent der Befragten befürworten danach, dass Atomwaffen, ähnlich wie Chemie- und Biowaffen, völkerrechtlich verboten werden sollen. „Aber die Politik reagiert nicht“, bedauerte Hach.
Auf das Anliegen machten die IPPNW-Mitglieder am letzten Tag ihres Treffens, dem 30. April, mit der öffentlichen Aktion „Deutschland wählt atomwaffenfrei“ am Brandenburger Tor in Berlin aufmerksam. Zuvor hatten sie am zweiten Tag über verschiedene politische Themen diskutierte und ihre Gremien neu gewählt. Am Sonntag erinnerten sie im Zentrum der Hauptstadt daran, dass die Bundesregierung die erste Verhandlungsrunde Ende März von rund 130 Staaten über einen Atomwaffenverbotsvertrag boykottierte, obwohl Berlin sich öffentlich zu multilateralen Abrüstungsprozessen und zum Ziel einer atomwaffenfreien Welt bekannt habe. Mit Straßentheater und Musik wurden Berliner und Touristen über die humanitären Folgen eines Atomwaffeneinsatzes und die Verhandlungen über einen Atomwaffenverbotsvertrag aufgeklärt.