Zerstörung Syriens für westliches Interesse an Öl und Gas – Deutsche Politik dabei

Verhandlungen aller Beteiligten ohne Vorbedingungen – das ist notwendig, um den Krieg in Syrien zu beenden, so der Völkerrechtler Norman Paech. Er kritisiert die westliche Politik, die lange vor 2011 begonnen habe, auf einen Umsturz in Damaskus hinzuarbeiten. Das Land darf nicht geteilt werden, sagt er und fordert, das Völkerrecht einzuhalten.

Um eine friedliche Lösung für Syrien zu finden, sei es notwendig, sich mit den Ursachen des Konfliktes und der Rolle der USA dabei auseinanderzusetzen. Das erklärte Norman Paech, Völkerrechtler und ehemaliger Bundestagsabgeordnete für die Partei Die Linke (2005 bis 2009). Er kritisierte am 29. April in einem Vortrag am zweiten Tag des diesjährigen Mitgliedertreffens der deutschen Sektion der „Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges/Ärzte in sozialer Verantwortung“ (IPPNW) in Berlin die „herrschende Erzählung“ über den Konflikt. Die behaupte, dass dieser 2011 begann, der Hauptschuldige für den damit ausgelösten Krieg in dem Land Präsident Bashar al-Assad sei und dieser seine eigene Bevölkerung bombardiere, weshalb er abgesetzt gehöre. Er bot den Zuhörenden „eine ganz andere Erzählung“, aber auch Vorschläge einer Friedenslösung für das geschundene Land.

Der Konflikt habe bereits vor 2011 begonnen, „schon weit, weit davor“, sagte der Völkerrechtler. Er stütze sich dabei hauptsächlich auf Quellen aus den USA, die zeigten, dass die Ursachen bis in die Nachkriegszeit Mitte des 20. Jahrhunderts und zum Teil davor reichen. Es handele sich nicht um „alternative Fakten“, betonte Paech, denn „über die Geschichte der Auseinandersetzung der US-Politik mit Syrien und dem Mittleren Osten gibt es eigentlich gar keinen Streit“. Es werde nur darüber diskutiert, wie weit diese Geschichte noch bis heute wirke.

Kennedy-Neffe: Westliche Werte für Öl verraten

Peach zitierte den Neffen des US-Präsdienten John F. Kennedy, Robert F. Kennedy, der 2016 feststellte: Die Araber hassen die USA und den Westen nicht für ihre Freiheit, sondern „für die Art und Weise, wie wir diese Freiheiten – unsere eigenen Ideale – in ihren Grenzen verraten haben – für Öl“. Dieser Hinweis auf den Rohstoff dürfe nicht fehlen, wenn es um die Ursachen des Krieges in Syrien geht. Kennedy habe auf den „Bruce-Lovett Report“ von 1957 hingewiesen, der schon damals die CIA-Pläne für Staatsstreiche und Putsche in Jordanien, Syrien, dem Iran, Irak und Ägypten beschrieb.

Der Völkerrechtler zitierte auch den früheren US-General und Nato-Oberbefehlshaber Wesley Clark. Der hatte bei verschiedenen Anlässen berichtet, dass es bereits 1991 US-Pläne gab, unter anderem gegen Syrien militärisch vorzugehen.

„Das Pentagon hat erschreckend genau diese Pläne abgearbeitet, auch wenn sie mit der Zeit etwas in Verzögerung gekommen sind.“

Paech verwies außerdem auf Äußerungen des ehemaligen französischen Außenminister Roland Dumas, der im Jahr 2013 in einem TV-Sender über britische Pläne von 2009 für eine Einmischung in Syrien mit Hilfe von „Rebellen“ berichtete.

Die Franzosen wie auch die Briten seien immer mit dabei gewesen, so Paech im Interview, wenn es darum ging, „eine Regierung zu installieren, die auf jeden Fall den Interessen des Westens wenn nicht entspricht, so doch ihm keine Hindernisse entgegensetzt“, was hingegen Assad getan habe. In seinem Vortrag erinnerte er auch an die Pläne Katars um das Jahr 2000 für eine Erdgaspipeline über Syrien nach Europa, wozu Damaskus auch aufgrund russischer Interessen Nein gesagt habe.

Durch von Wikileaks veröffentlichte Dokumente sei herausgekommen, dass nach den gescheiterten Pipeline-Plänen Katars, einem wichtigen Verbündeten des Westens, der Aufstand in Syrien geschürt worden sei. Der Völkerrechtler brachte dafür verschiedene Belege, unter anderem, dass die CIA vor 2011 unter anderem mit Millionen Dollar einen oppositionellen Sender, Barada TV, finanzierten, um Propaganda gegen Assad zu machen. Später seien mit US-Hilfe Waffen aus Libyen für die „Rebellen“ in Syrien gebracht worden. Das alles zeige, dass der 2011 offen ausgebrochene Konflikt „lange vorbereitet wurde“.

Trostlose Außenpolitik Berlins folgt Washington

Im Interview stimmte der Völkerrechtler dem Rechtswissenschaftler Reinhard Merkel „vollkommen“ zu, der 2013 in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (FAZ) geschrieben hatte: Der Westen ist schuldig an der Katastrophe in Syrien.

„Das ist eben die Tragik dieser ganzen Region, ihr Reichtum ist ihr Verderben.“

Die westlichen Interessen im Nahen Osten würden immer um zwei Worte kreisen: „Öl und Gas“. „Der syrische Konflikt ist ein globaler um die Ressourcen der Region“, hatte er zuvor den Zuhörenden erklärt.

Befragt nach der Rolle der Bundesregierung, bezeichnete der Ex-Bundestagsabgeordnete die deutsche Außenpolitik als „trostlos“, weil „sie sich so unendlich abhängig macht von der US-amerikanischen Außenpolitik“. Sie hänge immer an deren Rockzipfeln:

„Manchmal widerstrebend, manchmal aber auch puschend ist sie dabei, wenn die USA wieder in den einen oder den anderen Krieg um Rohstoffe, um strategische Verbindungen hineingehen.“

Was immer wieder mit Bündnistreue begründete werde, habe seine Ursachen in den gleichen Interessen, betonte Paech:

„Man soll sich keine Illusionen darüber machen, auch die Konzerne und die ökonomischen Interessen der Bundesrepublik sind mit denen der USA weitgehend identisch.“

In seinem Vortrag vor den IPPNW-Mitgliedern wandte er sich gegen die „Mythen der Feinderklärung“, auch wenn er selbst meinte, vom „in der Tat nicht zu leugnenden brutalen Regierung Assad“ reden zu müssen. Die westlichen Vorwürfe an Damaskus, mehrfach Giftgas eingesetzt zu haben, seien bisher ohne Beweise geblieben, stellte der Völkerrechtler fest. Dagegen sei zum Beispiel nachgewiesen worden, dass 2013 Sarin aus der Türkei an „Rebellen“ in Syrien geliefert wurde. Das sei durch die Medien auch hierzulande nicht weiter verfolgt worden.

„Die unendliche und desillusionierende Reihe von Kriegslügen, die uns alle US-amerikanischen Administrationen bei ihrer Kriegsführung von Vietnam über Jugoslawien bis hin zum Irak geliefert haben, haben mein Vertrauen in deren Meldungen zerrüttet“, gestand Paech denen, die ihm zuhörten. Das bezog er auch auf die jüngsten Giftgasvorwürfe von Anfang April.

Russland gegen Missbrauch der UN-Charta

Seitdem würde besonders Russland vom Westen an den Pranger gestellt, weil es Resolutionen des UN-Sicherheitsrates zur Untersuchungen des aktuellen Vorfalls abgelehnt hatte. Über die Gründe dafür „wird niemals richtig Auskunft gegeben“, kritisierte der Jurist. Moskau habe sch niemals gegen eine Untersuchung gestellt, sondern sie selbst gefordert. Es habe sich aber dagegen gewandt, dass in den westlichen Resolutionsentwürfen die syrische Regierung vorverurteilt wurde und immer Kapitel VII der UN-Charta benannt wurde. Dieses erlaube auch eventuelle militärische Maßnahmen gegen Syrien. Seit dem Missbrauch der Sicherheitsrats-Resolution 1973 gegen Libyen im Jahr 2011 würde Russland Ähnliches nie wieder erlauben.

Moskau wolle, dass es zu einer politischen Lösung komme, erklärte Paech im Vortrag. Er kritisierte die völkerrechtswidrigen militärischen Aktionen der USA, der Türkei und jüngst wiederholt Israels.

„Im Grunde ist Syrien wie ein offenes Land, in das jeder hineinschießen, in das jeder seine Militärs hineinschicken kann, der will.“

Es gebe keine völkerrechtliche Legitimation, auch kein Mandat des UN-Sicherheitsrates, für die Bomben der USA und dass sie nun mit Spezialeinheiten „weit nach Syrien vorgedrungen sind“. „Es gibt keine Legitimation, die territoriale Integrität und die Souveränität eines Staates militärisch so zu verletzen“, stellte der Völkerrechtler klar. Und ergänzte: Die einzige Legitimation hätten Russland und der Iran, weil sie von der syrischen Regierung aufgefordert wurden, zu helfen. „Völkerrechtlich ist das völlig legal und vollkommen legitim.“

Paech bezeichnete im Interview die Position Moskaus, sich bei seinem politischen und militärischen Einsatz in Syrien auf das Völkerrecht und seine Einhaltung zu berufen, als richtig. Er kritisierte zwar, dass das aus seiner Sicht im Fall der Krim anders gewesen sei, wenn er auch dabei russische Verteidigungsinteressen anerkannte. Aber im Fall Syrien sei es „die einzige Maxime und auch die einzige Matrix, nach der der Frieden gemacht werden kann“. Er forderte Verhandlungen für eine friedliche Lösung, ohne Vorbedingungen.

„Einerseits müssen sich Russland und die USA mit ihren jeweiligen Verbündeten an den Tisch setzen und wirklich zu einem Deal kommen.“

Das müsse alle beteiligten Seiten, auch die Kurden, und die Opfer des Krieges einschließen. „Es kann nicht sein, dass man die Vorbedingung sagt: Erst Assad weg!“, warnte der Völkerrechtler im Interview.

„Das Zweite ist, die territoriale Integrität Syriens muss beachtet werden. Das bedeutet: Alle diejenigen, die da ohne völkerrechtliches Mandat im Augenblick ihre militärischen Aktionen machen, von Israel über Türkei bis hin auch zu den USA, die müssen zurückgehen.“

Das Land dürfe nicht nach dem Prinzip „Teile und herrsche“ aufgeteilt werden, hatte er zuvor in seinem Vortrag gefordert.

Norman Paech hatte in dem 2016 erschienenen Buch „Der Nahe Osten brennt – Zwischen syrischem Bürgerkrieg und Weltkrieg“, herausgegeben von Fritz Edlinger im österreichischen Promedia-Verlag, das Kapitel „Die Schlacht um Damaskus – Auf den Trümmern des Völkerrechts“ veröffentlicht. Der Text kann auf seiner Homepage heruntergeladen werden.