US-Bomben auf Syrien und gegen westliche Prinzipien – Vorwand weiter ungeklärt

Es ist nicht klar, was genau am 4. April im syrischen Chan Scheichun  geschehen ist. Darauf hat einen Tag vor dem US-Luftangriff auf Syrien der Chemiewaffenexperte Ralf Trapp hingewiesen. Selbst die Tageszeitung „Die Welt“ hat bemerkt, dass ein mutmaßlicher Chemiewaffeneinsatz der syrischen Armee nichts nutzt. Die westliche Politik lässt sich davon nicht beirren.

Es gehe erst einmal darum, „die Umstände abzuklären und herauszufinden, was es denn für ein Kampfstoff gewesen ist, wenn es ein Kampfstoff war“. Das sagte der Chemiewaffenexperte Ralf Trapp am 6. April im Interview mit dem „Deutschlandfunk“ zu dem mutmaßlichen Chemiewaffeneinsatz im syrischen in Chan Scheichun  (auch: Khan Sheikhoun) bei Idlib. Die Organisation für das Verbot chemischer Waffen (englisch: Organisation for the Prohibition of Chemical Weapons – OPCW) untersuche den Vorfall bereits, vermutete Trapp, der diese Organisation mitgegründet hat.

Er forderte einen Tag vor dem US-Luftangriff eine „unabhängige und tiefgreifende Untersuchung“ und dass die syrische und die russische Seite diese unterstützen müsse. Nur so könnten zwei Fragen beantwortet werden:

„Die eine ist: War es ein Giftgas-Angriff und wenn, was für ein Giftgas wurde verwendet? Und die zweite Frage ist: Was hat man an Indizien, an Beweismaterialien zur Verfügung, die einen dann dazu führen, nachweisen zu können, wer denn dafür verantwortlich war, was eigentlich wirklich passiert ist und was die Umstände dieses Einsatzes waren?“

Der Experte verwies in dem Interview auf die bekannt gewordenen Symptome der mutmaßlichen Opfer in Chan Scheichun. Die würden darauf hindeuten, „dass es sich um eine Art von Nervengas handelt, vermutlich um ein Organum-Phosphat.“ Genaue Informationen könnte aber nur eine Untersuchung vor Ort und an den Opfern liefern. Wenn das Nervengas Sarin eingesetzt worden sein soll, ließe sich das noch Tage und Wochen später nachweisen. Trapp sprach von „guten Chancen dafür, dass man das machen kann“ und sagte, dass einige Opfer in die Türkei gebracht worden seien.

Laut Trapp untersucht die OPCW, um welche Stoffe es sich gehandelt hat, aber nicht, wer dafür verantwortlich war.

„Das geht über den Rahmen der OPCW hinaus und das geht dann in den Bereich des sogenannten Joint Investigation Mechanism hinein, der vom Sicherheitsrat erstellt worden ist, an dem die OPCW sich natürlich beteiligt, zusammen mit Experten aus den Vereinten Nationen, und in denen man dann weitergeht und einschließt nachzuvollziehen, wer denn zuständig war.“

Er machte mit seinen Antworten deutlich, dass es bisher keine genauen Informationen zu dem Vorfall am 4. April gibt. Dagegen hatten westliche Politiker gleich nach den ersten Meldungen behauptet, die syrische Armee habe Giftgas eingesetzt. Damit wurde nun auch der US-Luftangriff auf Syrien begründet.

Die Antworten auf die von Trapp gestellten Fragen wurden nicht abgewartet. Auch nicht die auf die Frage, was ein Chemiewaffeneinsatz durch die syrische Armee dieser denn genutzt hätte. Alfred Hackensberger wies in der Onlineausgabe der Zeitung „Die Welt“ am 6. April darauf hin, dass ein Sarin-Angriff für Damaskus „keinerlei militärischen Nutzen“ habe:, „Es diskreditiert sich nur erneut international und geht ein hohes Risiko ein: Die USA drohen, wie schon im August 2013, mit einem Militäreinsatz.“ Hackensberger schrieb: „Ein Team von OPCW-Experten ist längst nach Chan Scheichun unterwegs, um dort Proben zu nehmen. Es könnte sein, dass Washington noch auf dessen Analyse wartet.“ Die Antwort darauf kam letzte Nacht.

Über das rechtsstaatliche Prinzip „In dubio pro reo“ (lateinisch: „Im Zweifel für den Angeklagten“) redet niemand, erst Recht nicht jene, die aufgrund von Vermutungen und Vorverurteilungen Bombenangriffe befehlen und solche gut heißen. Zur Erinnerung: Am 9. November 2016 hatte Kanzlerin Angela Merkel nach der Wahl von Donald Trump zum neuen US-Präsidenten unter anderem den „Respekt vor dem Recht“ als westlichen Wert bezeichnet, auf deren Grundlage sie mit Trump zusammenarbeiten wolle. Sie sagte auch:

„Die Partnerschaft mit den USA ist und bleibt ein Grundstein der deutschen Außenpolitik, damit wir die großen Herausforderungen unserer Zeit bewältigen können“, zu denen „Einsatz für Frieden und Freiheit – in Deutschland, in Europa und in der Welt“ gehöre. Taten und Bomben haben nun wieder gezeigt, was von diesen Worten und Werten zu halten ist.