Schnell wird mit symbolischen Aktionen in der westlichen Öffentlichkeit reagiert, wenn es Anschläge vor der eigenen Tür gibt. Passieren sie woanders, wird viel zögerlicher darauf reagiert und Mitgefühl mit den Opfern nicht so offen gezeigt. Das zeigt der Anschlag von St. Petersburg am 3. April. Hier ein Vorschlag, um das nachzuholen:
Jeder der Terroranschläge der letzten Jahre in westlichen Städten führte quasi automatisch zu deutlichen und öffentlichen Bekundungen des Mitgefühls von westlichen Politikern und Prominenten – und immer wieder wurde die Solidarität mit den Opfern betont. Das geschah fast reflexmäßig bevor auch nur ansatzweise die Hintergründe und Abläufe solcher schrecklichen Taten bekannt waren. Da wurden spontane Demonstrationen ins Leben gerufen, auch solche mit Staatschefs gestellt wie in Paris im Januar 2015. Hierzulande wurde zuletzt im März dieses Jahres nach dem Anschlag in London das Brandenburger Tor in den britischen Farben angeleuchtet.
Nun kam es im Sankt Petersburg zu einem schrecklichen Anschlag. Doch Fehlanzeige, was eine ähnliche spontane und symbolische Aktion des Mitgefühls und der Solidarität in der deutschen Hauptstadt angeht – zumindest bis zum verfassen des Beitrages. Was noch im Juli 2016 nach dem Anschlag von Nizza geschah, dass die französische Botschaft in den Farben der Trikolore angestrahlt wurde, blieb aus. Aus dem Roten Rathaus hieß es, Sankt Petersburg sei ja keine Partnerstadt von Berlin. Das ist Nizza auch nicht – aber dort seien Berliner Schüler unter den Opfern gewesen, so der Berliner Senat.
Auch das mediale Echo auf den Anschlag in der geschichtsträchtigen russischen Stadt, die in Europas Geschichte eine wichtige Rolle spielte, geht in die gleiche Richtung. Bei jedem Anschlag zuvor wurde nicht nur ausgerufen, als Westen standhaft die eigene Freiheit zu verteidigen. Gar die ganze Welt sollte gegen den Terror mutmaßlicher islamistischer Extremisten zusammenstehen. Das verkündeten tagelang die Schlagzeiten und Titelseiten der gedruckten, gesendeten und digitalen Medien.
Ist es Ignoranz oder Arroganz? Wird auch beim Mitgefühl mit Terroropfern mit zweierlei Maß gemessen? Die Frage stellt sich nicht nur bei den Opfern westlicher Krieg in der arabischen Welt und anderswo. Sie muss auch im Fall Sankt Petersburg an die deutsche Politik und alle anderen, die sonst schnell zur Hand sind mit symbolischen Gesten, gerichtet werden.
Wir haben einen Vorschlag: Berlin informiert Moskau, dass es als Zeichen der Trauer und für eine bessere Verständigung die Bundeswehrpanzer zurückruft, die 150 Kilometer vor Sankt Petersburg stehen. Es wäre auch an Zeichen für den russischen Präsidenten Wladimir Putin, der aus der Stadt an der Newa kommt. Es wäre ein Zeichen dafür, dass es darum geht, die aktuelle Konfrontation abzulösen durch neue Kooperation – auch im Kampf gegen den Terror, der vor keiner Grenze halt macht.
Und es wäre ein Symbol dafür, dass auch in Deutschland nicht nur von den Lehren der Geschichte geredet wird, sondern nach ihnen gehandelt. Allerdings gibt es wenig Hoffnung auf eine solche Rückrufaktion oder Ähnliches. Das ist sicher zu viel verlangt, wenn selbst der Kultursenator von Berlin, Klaus Lederer von der Linkspartei, nach dem Anschlag von Sankt Petersburg vorschlägt, kein öffentliches Gebäude mehr anzustrahlen.
Ein Tag nach dem Ereignis trafen sich in der deutschen Hauptstadt ehemalige und aktive Außenpolitiker, Politikwissenschaftler, Vertreter der Bundeswehr und andere Experten, um über die „internationale Zeitenwende“ zu diskutieren: Keine Spur und kein Wort der Trauer und des Mitgefühl für die Opfer vom Vortag. Dafür wurde Russland als strategischer Gegner bezeichnet, der den Konflikt mit dem Westen wolle und die Welt in Anarchie stürze. Wer das anders sieht, bekam von dem Kieler Politikwissenschaftler Joachim Krause „einen Mangel an politischem Realitätssinn“ attestiert. Und der letzte DDR-Außenminister und langjährige SPD-Bundestagsabgeordnete Markus Meckel wies gegenüber Sputnik Russland die Schuld für die neue Eiszeit im gegenseitigen Verhältnis zu.
Solches Denken springt nicht mal bei einem schrecklichen Ereignis wie dem Anschlag in der Metro von Sankt Petersburg über den eigenen Schatten. Solidarität hat ebenfalls ihre Grenzen. An diesen sind wieder Panzer mit dem Balkenkreuz aufgefahren. Wir müssen aufpassen, dass Geschichte nicht wiederholt wird, nicht als Tragödie und nicht als Farce. So wieder der Terror nur gemeinsam besiegt werden kann – mit mehr als nur militärischer Gewalt – so kann auch der Frieden nur gemeinsam bewahrt und gesichert werden. Dazu müssen auch Zeichen gesetzt werden.