Historiker: Bismarcks Warnung vor Folgen antirussischer Politik auch heute beachten

Die Russlandpolitik von Otto von Bismarck ist für den Historiker Dr. Achim Engelberg so „aktuell wie die Tagesnachrichten“. Das schreibt er im aktuellen März-Heft der Potsdamer Zeitschrift WeltTrends. Der erste deutsche Reichskanzler  (1871-90) habe zu Recht gewarnt, dass eine antirussische Politik „letztlich zu Krieg führe“.

Bismarcks Russlandpolitik war gerichtet auf Zusammenarbeit, die nicht in Abhängigkeit endet“, schreibt der Historiker in seinem interessanten, wenn auch streitbaren Text. Der Sohn des renommierten und 2010 verstorbenen Bismarck-Forschers Ernst Engelberg erinnert an den Lebensweg des deutschen Politikers im 19. Jahrhundert, in dessen politischen Turbulenzen Russland immer wieder eine Rolle spielte. Es habe immer Verbindungspunkte gegeben: Einer von dessen Vorfahren, Ludwig August von Bismarck, befehligte im 18. Jahrhundert als Oberkommandierender die in der Ukraine agierende russische Armee. Die außenpolitischen Lehrjahre habe der spätere preußische Ministerpräsident und Reichskanzler ab 1859 als Gesandter in St. Petersburg verbracht, erinnert Engelberg. Zum russischen Außenminister Alexander Gortschakow habe er jahrzehntelang engen Kontakt gehabt, der aber nur zu Beginn freundschaftlich war. Russland habe mit den Jahren Schwierigkeiten mit Preußen gehabt, das sich zum Deutschen Reich erweiterte.

Bismarck habe immer die Zusammenarbeit mit St. Petersburg gesucht, sei gleichzeitig aber auf Unabhängigkeit bedacht gewesen. Konflikte zwischen Russland und Österreich-Ungarn habe er als „ehrlicher Makler“ lösen wollen. Ziel der diplomatischen Aktivitäten des Reichskanzlers war es laut Engelberg, „kein gegen Deutschland gerichtetes Bündnis zuzulassen“. Der Historiker weist in seinem Text darauf hin, wie eng die „ungleich entwickelten Mächte“ in Europa bereits im 19. Jahrhundert politisch und ökonomisch miteinander verbunden waren. Das habe der Wiener Börsenkrach vom 1873 gezeigt. Bismarck habe „konservative Solidarität der Staaten mit dem Machtkampf untereinander“ verbunden. Dabei habe er aber auch die innere Schwäche Russlands ausgenutzt, erinnert der Historiker. „Gleichzeitig musste er die weitgehende antirussische Stimmung beachten.“ Die Abneigung gegenüber dem Zarenreich sei quer durch alle politischen Lager im Deutschen Reich gegangen.

Engelberg vergleicht die heutige russische Politik mit der im 19. Jahrhundert. Damals habe Moskau schon versucht, in der slawischen Welt Einfluss zu gewinnen, was aber nicht erfolgreich gewesen sei. Der Historiker zitiert aus dem Buch „Bismarck. Sturm über Europa“ seines Vaters Ernst, der von einer „grobschlächtigen Einmischung“ Russlands schrieb. Die angeblichen Parallelen zur heutigen Situation erläutert er aber nicht. Bismarck habe damals trotz aller Konflikte sich bemüht, den Kontakt zu Russland „nicht ohne Not abbrechen zu lassen, da er sonst den europäischen Frieden bedroht sah“. Sein Nachfolger Caprivi habe dagegen 1890 den geheimen Rückversicherungsvertrag zwischen Berlin und Moskau von 1887 aufgekündigt. Vor den Folgen habe der Ex-Reichskanzler 1896 gewarnt, in dem er den Vertrag und dessen Aufkündigung öffentlich gemacht. Doch all seine Nachfolger hätten unter dem Druck des deutschen Kaisers und der expansionistischen deutschen Kräfte eine Politik fortgesetzt, „die, wie von Bismarck, aber auch von Friedrich Engels, vorausgesagt, in den Ersten Weltkrieg und die Selbstzerstörung Europas führte.“ Engelberg hält es für notwendig, „heute, wo wir eine Neuordnung Europas (und der Welt) erleben“, bei der Russland eine Rolle spiele, an „Bismarcks vielschichtige Politik“ zu erinnern.

WeltTrends Heft 125 (März 2017). Das außenpolitische Journal erscheint monatlich im Potsdamer Wissenschaftsverlag. Online hier: http://welttrends.de/